Michael Brückner
40. Todestag von William S. Schlamm:
Der frühe »Anti-Mainstream-Publizist«
Der frühe »Anti-Mainstream-Publizist«
Auch in den 1960er- und 1970er-Jahren machte man sich keine Freunde, wenn man als Publizist gegen den herrschenden Mainstream anschrieb. William S. Schlamm tat es trotzdem. Nicht zuletzt deshalb wurde die von ihm aus der Taufe gehobene Zeitbühne ein Erfolg.
Am 1. September jährt sich zum 40. Mal der Todestag des Journalisten und Schriftstellers William S. Schlamm. Als er im Alter von 74 Jahren in Salzburg an den Folgen eines Herzversagens starb, schaffte es diese Meldung sogar bis in die Abendnachrichten. Heute ist der Name dieses Publizisten, der als Abiturient zunächst für eine kommunistische Zeitung geschrieben hatte und später zu einem der profiliertesten und eloquentesten konservativen Publizisten konvertierte, selbst vielen aus der schreibenden Zunft kaum noch bekannt.
Die Wissenschaftlerin Susanne Peters setzte sich in ihrer Dissertation umfassend mit der Person und dem schriftstellerischen Werk Schlamms auseinander. Sie nennt ihn den »wohl umstrittensten Publizisten im Nachkriegsdeutschland«. Der Spiegel habe eine »Intimfeindschaft« mit ihm gepflegt, was das Hamburger Magazin freilich nicht daran hinderte, William S. Schlamm im August 1959 eine Titelstory zu widmen und ein mehrseitiges Interview mit ihm zu führen. Einer der Interviewer war damals übrigens Günter Gaus, der spätere Spiegel- Chefredakteur und »Ständige Vertreter« in Ost-Berlin.
Karriere begann bei »Roter Fahne«
Der Autor dieser Zeilen lernte Schlamm wenige Monate vor dessen Tod auf einem europäischen Kongress in Saarbrücken kennen – und war später bis zur Einstellung der von Schlamm gegründeten Zeitbühne einer der jüngsten Autoren dieses Monatsmagazins. Je stärker die Medienwelt vom linksgrünen Mainstream beherrscht wird, desto intensiver entsteht bei allen, die William S. Schlamm kannten, der Wunsch, dass sich noch einmal ein politischer Schriftsteller mit der Sprachgewalt eines Schlamm und seiner Fähigkeit zur scharfsinnigen Analyse in die politische Debatte einmischen möge.
Was für ein Lebensweg: Am 10. Juni 1904 als Sohn jüdischer Eltern im galizischen, heute polnischen Przemyśl geboren, trat Schlamm schon als Gymnasiast in die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Österreichs ein. Als Student der Staatswissenschaften avancierte er zum Redakteur der Wiener Roten Fahne. Er war später mit dem Psychoanalytiker Wilhelm Reich ebenso befreundet wie mit Carl von Ossietzky, dessen Wiener Ausgabe der Weltbühne er redigierte.
In Prag editierte er anschließend die Europäischen Hefte. Den Kommunismus sah Schlamm zunehmend kritischer, und für seine Genossen war der aus einem reichen Elternhaus stammende Schlamm nicht links genug. Die erste Station auf dem Weg zum Antikommunisten war Schlamms Buch Diktatur der Lüge, eine Abrechnung mit dem Stalinismus.
Die Jahre in den USA
Milena Jesenská, die Freundin des Schriftstellers Franz Kafka, half Schlamm schließlich, die Tschechoslowakei zu verlassen und in die USA zu emigrieren. Dort schrieb Schlamm vor allem für die Magazine Time und Life und stieg schließlich zum Assistenten des Verlegers Henry Luce auf. Später gründete Schlamm zusammen mit dem amerikanischen Millionär William F. Buckley die außerordentlich erfolgreiche konservative Wochenzeitschrift National Review.
Nach Deutschland zurückgekehrt, arbeitete Schlamm unter anderem als Kolumnist für Henri Nannens Stern und später für Springers Welt. In seinen zahlreichen Büchern warnte er immer wieder vor der kommunistischen Gefahr in den Jahren des Kalten Krieges. Seine Gegner sprachen von einem irrlichternden Lebensweg einer schwierigen Persönlichkeit, von einem, der sich »im Dickicht des rechten Narrensaums« verirrt habe. Wer als Publizist dem Mainstream nicht gefällig war, wurde schon damals – in den 1960er-Jahren – diffamiert.
Den Grund für seinen Gesinnungswandel vom Kommunisten zum Konservativen beschrieb William S. Schlamm einmal so: »Mir kam es immer nur darauf an, dass der Mensch vor der Allmacht des Staates, vor der Entmenschlichung geschützt wird. Als Junge glaubte ich, der Kommunismus werde den Menschen frei machen. Ich habe mich geirrt. Heute weiß ich, dass nur der Konservatismus den Menschen verteidigt«.
Gründung des eigenen Magazins
Im Alter von 68 Jahren verwirklichte Schlamm dann seinen großen Lebenstraum und gründete im Juni 1972 sein eigenes konservatives Magazin mit dem Namen Zeitbühne. In den ersten Ausgaben dieser im Format eines Taschenbuchs erscheinenden Publikation waren nur Essays von Schlamm zu finden. Später gewann Schlamm nach und nach namhafte Autoren hinzu, darunter seinen ehemaligen Springer-Kollegen Hans-Georg von Studnitz, der die Zeitbühne nach Schlamms Tod kurzzeitig weiterführte. Außerdem erschienen Beiträge des Bestsellerautors Hans Habe, des New Yorker Professors Thomas Molnar, des Physikers Pascual Jordan, des ehemaligen Brigadegenerals Heinz Karst und des Rechtsgelehrten Thomas Chaimowicz. Zu den Autoren gehörten ferner Otto von Habsburg (später Mitherausgeber der Zeitbühne) und der vielen KOPP-Lesern bestens bekannte Autor Bruno Bandulet. Zur Überraschung der Branche erreichte das Magazin schnell eine fünfstellige Auflage.
Schlamm fühlte sich als Deutscher und Österreicher. Er hat das einmal folgendermaßen formuliert: »Deutschland ist für mich eine beglückende Herausforderung. Ich liebe seine Sprache, die meine Sprache ist; und ich leide unter der grausamen Charakterlosigkeit, mit der Deutschland seine Sprache verfaulen und versauen lässt … Was mich überdies geformt hat – also Landschaft, Musik und barocker Baustil – ist eher österreichisch.
Samstag, 25.08.2018
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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