Jay Syrmopoulos
Snowden: So beeinflusst der Deep State Präsidenten wie Obama und Trump
Vor fünf Jahren machte Edward Snowden die umfassenden Überwachungsprogramme des amerikanischen Nachrichtendiensts NSA publik. Zum Jahrestag der Enthüllungen sprach die italienische Tageszeitung La Repubblica mit dem weltberühmten Whistleblower und schreibt:
Viele dachten, es werde ein böses Ende mit ihm nehmen, aber als er sich per Videolink für das Interview mit La Repubblica meldet, macht er einen sehr guten Eindruck: Das Lächeln ist offen, der Gesichtsausdruck friedlich wie bei jemandem, der nicht von Sorgen geplagt wird.
In diesem Exklusivinterview erklärt Snowden, wie der Deep State, der Staat im Staat, die Präsidentschaft sowohl von Barack Obama als auch von Donald Trump beeinflusste und es noch immer tut.
Stefania Maurizi: Präsident Obama war ein Außenseiter, was den amerikanischen Rüstungs- und Nachrichtendienstkomplex anbelangt, und wir haben gesehen, dass er anfangs den Missbrauch drosseln wollte, den Behörden wie CIA und NSA begingen. Letztlich hat er jedoch sehr wenig unternommen. Jetzt erleben wir eine Konfrontation zwischen Präsident Trump und dem sogenannten Deep State, zu dem auch CIA und NSA gehören. Kann ein amerikanischer Präsident gegen den Widerstand derart mächtiger Einrichtungen regieren?
Snowden: Obama ist ein sehr lehrreiches Beispiel. Hier haben wir einen Präsidenten, der im Wahlkampf versprach, die Praxis ohne Gerichtsbeschluss durchgeführter Abhöraktionen zu beenden. »Das sind nicht wir, wir tun so etwas nicht«, erklärte er. Dann wurde er Präsident und weitete das Programm aus. Er sagte, er werde Guantanamo schließen, aber dann ließ er es offen. Er sagte, er werde die Zahl der während der Bush-Zeit alltäglich gewordenen extralegalen Hinrichtungen und Drohnenangriffe reduzieren. Dann ging er hin und genehmigte deutlich mehr Drohnenangriffe als Bush. Es wurde ein richtiger Industriezweig.
Was die Vorstellung von der Existenz eines Deep States angeht – zum Deep State gehören nicht nur die Nachrichtendienste, es ist vielmehr eine Bezeichnung für die Karrierebürokratie im Regierungsapparat. Es gibt Staatsbedienstete, die mächtige Positionen innehaben, die nicht gehen, wenn ein Präsident geht, die Präsidenten kommen und gehen sehen. Sie nehmen Einfluss auf die Politik, beeinflussen Präsidenten und sagen: »So haben wir das immer getan, das müssen wir tun und wenn Sie das nicht tun, werden Menschen sterben.«
Kommt ein neuer Präsident ins Amt, der zwar noch nie über derartige Macht verfügt hat, diesen Posten jedoch immer haben wollte und seinen Job ganz unbedingt gut erledigen will, ist es leicht, ihn zu überzeugen. Ein Bürokrat, der dort seit 20 Jahren sitzt, sagt: »Ich verstehe, was Sie meinen, und ich respektiere Ihre Grundsätze. Aber wenn Sie tun, was Sie versprochen haben, werden Menschen sterben.« Für einen Präsidenten ist es sehr leicht zu sagen: »Nun, für den Augenblick werde ich diese Kontroverse erst einmal beiseitelegen. Ich werde Ihren Rat annehmen und Sie entscheiden lassen, wie derartige Dinge zu handhaben sind. Dann werde ich, wenn ich ein wenig mehr Erfahrung habe, vielleicht in einigen Monaten oder in einigen Jahren, dieses Thema noch einmal anpacken.« Nur tun sie das nie.
Das haben wir ganz deutlich im Fall von Barack Obama gesehen. Als diese Geschichte [von Snowdens Enthüllungen über die Massenüberwachung der NSA] 2013 publik wurde, war Obama seit fünf Jahren Präsident. Eine seiner Entschuldigungen, die seine Berater und politischen Verbündeten für ihn machten, lautete: »Oh, Obama wollte dieses Problem gerade lösen!« Und natürlich war er aufgrund der Wellen von Kritik gezwungen, ein paar begrenzte Reformen vorzunehmen, aber er ging nicht so weit, alle Programme zu beenden, die gegen die Gesetze oder die Verfassung der Vereinigten Staaten verstießen. Auch das war eine vorsätzliche Entscheidung: Gewiss hätte er den Skandal dafür nutzen können, alle während des Wahlkampfs genannten Veränderungen umzusetzen, alle Versprechungen wahr werden zu lassen. Aber in den fünf Jahren, seitdem er Präsident geworden war, entdeckte er etwas Anderes, nämlich, dass es seine Vorteile hat, über sehr mächtige Nachrichtendienste zu verfügen, und dass es seine Vorteile hat, diese Karrierebürokraten zur Seite stehen zu haben und das Spinnennetz, das den Regierungsapparat umgibt, für eigene Zwecke nutzen zu können.
Stellen Sie sich vor, Sie wären Barack Obama und Ihnen wird klar: »Im Wahlkampf habe ich gesagt, Leute ohne Gerichtsbeschluss zu bespitzeln, ist ein Problem. Aber hey, jetzt kann ich die SMS von Angela Merkel lesen! Warum sollte ich mir die Mühe machen, sie anzurufen und nach ihrer Meinung zu fragen, wenn ich einfach das Gesetz brechen und dann ihre Gedanken lesen kann?« Es mag wie ein Witz klingen, ist aber sehr verführerisch. Geheimniskrämerei ist möglicherweise die korrumpierendste aller Mächte eines Staats, denn Staatsbedienstete werden auf diese Weise von ihrer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit befreit.
Wenn wir uns den Fall Trump ansehen, dem vielleicht schlimmsten aller Politiker, dann erkennen wir dieselbe Dynamik. Da haben wir einen Präsidenten, der erklärte, die CIA sei der Feind, es sei wie in Nazi-Deutschland, sie würden seine Telefonate abhören und was er noch alles gesagt hat. Einige Behauptungen waren wahr, andere absolut nicht. Wenige Monate später verleiht er denselben Behörden, die er als seine Feinde bezeichnet hat, zusätzliche umfassende Befugnisse.
Und das bringt uns zur Crux Ihrer Frage, nämlich: Kann sich irgendein Präsident dagegen verwehren? Die Antwort lautet: »Natürlich.« Ein Präsident muss wissen, dass man ihm mit dieser Masche kommen wird und dass man versuchen wird, ihn entsprechend einzuschüchtern. Der Präsident muss bereit sein, unerschütterlich zu seiner Linie zu stehen und zu sagen: »Ich wurde gewählt, die Interessen der amerikanischen Bevölkerung zu vertreten, und wenn Sie nicht bereit sind, die Verfassung und unsere Rechte zu respektieren, werde ich Ihre Behörde auflösen und eine neue erschaffen.« Ich denke, sie können definitiv dazu gezwungen werden, sich an die Regeln zu halten, denn diese Staatsdiener fürchten das Gefängnis ganz genauso wie wir alle.
Quelle: Truth In Media.