Peter Orzechowski
Steht ein US-Angriff auf Syrien bevor? Russland droht mit Vergeltung
Der russische Generalstab warnt vor einem unmittelbar bevorstehenden Luftschlag der USA auf Syrien. Sollten dabei Russen getötet werden, ergriffe Moskau »Vergeltungsmaßnahmen«. Der französische Präsident rät ausländischen Journalisten, in den nächsten Tagen nicht nach Damaskus zu reisen. Und syrischen Rebellen sollen mittlerweile mindestens 20 Tonnen Giftgas geliefert worden sein.
Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow sagt am 17. März, er habe verlässliche Quellen, dass Rebellen einen Giftgasangriff planten, der dann der syrischen Regierung in die Schuhe geschoben werden soll. Als Reaktion darauf wollten die USA Damaskus bombardieren. Sollten bei diesen Angriffen russische Soldaten, »die derzeit in der syrischen Hauptstadt sind« (Originalton Gerassimow), getötet werden, werde Russland sowohl gegen die Raketen als auch gegen ihre Abschussbasen vorgehen.
Geplante false-flag-Aktion?
Bei den Abschussbasen denkt Gerassimow vermutlich an die fünf strategischen Bomber, die dauerhaft auf der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean stationiert sind – jeder davon kann 20 Cruise Missiles in einer Mission abfeuern. Mindestens 500 solcher Raketen sollen in Diego Garcia lagern. Der russische Generalstab wird auch die US-Kriegsschiffe im Mittelmeer, im Roten Meer und im Persischen Golf im Visier haben, die zusammen etwa 400 Tomahawks zum Einsatz bringen können. Zur geplanten False-Flag-Aktion behaupten mehrere Berichte nahöstlicher Webseiten, dass die in Al-Tanf zusammengezogenen Terroristen in den letzten Tagen 20 Tonnen Chlorgas und die dafür notwendigen Zündvorrichtungen erhalten hätten. Es ist bestimmt kein Zufall, dass sich auf der illegalen US-Basis al-Tanf nahe der syrisch-irakischen Grenze derzeit mehr als 3000 britische und US Spezialeinheiten mit den zu ihnen gehörenden Panzern und Hubschraubern aufhalten.
Ein weiteres Indiz für einen möglichen größeren US-Kriegseinsatz in Syrien ist die Propaganda, die seit Tagen in den amerikanischen Massenmedien verbreitet wird. Von einer »großen Untergrundbasis der Nordkoreaner in Syrien« ist da die Rede. Und was wird da angeblich hergestellt? Natürlich Giftgas. Gleichzeitig rät der französische Präsident Emanuel Macron ausländischen Journalisten, in den nächsten Tagen nicht nach Damaskus zu reisen, und denen, die bereits dort sind, die Stadt möglichst schnell zu verlassen.
Was die USA in Syrien wollen
Vielleicht kommt der US-Generalstab zu dem Schluss, dass ihn ein massiver Luftschlag seinem Ziel näher bringen könnte. Dieses Ziel ist – wie schon seit Jahren – die Aufteilung Syriens. Das verrät ein diplomatisches Dokument, das am 22. Februar in der libanesischen Tageszeitung Al Akhbar veröffentlicht wurde. Es ist das Protokoll eines Treffens der »Kleinen Syrien-Gruppe« in Washington am 11. Januar 2018. Das US-Außenministerium hatte Vertreter der ausgewählten Verbündeten Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien eingeladen, um ihnen die neue US-Syrien Strategie – die freilich bei genauerer Betrachtung immer noch die ursprüngliche ist – zu erläutern.
Das von Benjamin Norman, einem Nahostexperten an der britischen Botschaft in Washington, erstellte Protokoll ist ein vertrauliches diplomatisches Dokument und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Dennoch hat er es Al Akhbar zugespielt; die Webseite Rubikon hat den Artikel in deutscher Übersetzung exklusiv veröffentlicht. Demnach soll das östlich des Euphrat gelegene Territorium vom Rest Syriens abgetrennt werden, wofür das Weiße Haus jährlich vier Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen will. Mit dem Geld soll eine Grenzschutztruppe mit Kräften der syrischen Opposition gebildet werden. Sie soll das Ostufer des Euphrat sichern und die Rückkehr der syrischen Armee verhindern. Damit wäre der Osten und Nordosten Syriens eine eigene politische Einheit. Das Bestreben Irans, eine durchgehende Einflusszone über Irak, Syrien und den Libanon bis ans Mittelmeer zu errichten, wäre gescheitert. Man kann in diesem Plan auch eine strategische Vorbereitung auf einen möglichen Krieg gegen den Iran sehen.
Freie Hand für Erdoğan
Auf jeden Fall wollen sich die USA an strategisch wichtigen Stellen in Syrien – natürlich ohne jede rechtliche Grundlage – mit Militärbasen festsetzen. So in al-Rmeilan im äußersten Nordosten Syriens, wo das Staatsgebiet wie ein Keil zwischen die Türkei und den Irak hineinragt. Oder auch in Ain al-Arab direkt an der syrisch-türkischen Grenze östlich des Euphrat. Westlich des Flusses lässt man offenbar Erdoğan weitgehend freie Hand.
Eine Delegation aus Washington hatte am 26. Januar 2018 bei einem Treffen in Wien den Vertretern der syrischen Regierung und denen der Opposition ein sogenanntes Acht-Punkte-Papier übergeben. Dieses soll – so das an die libanesische Zeitung geleakte Dokument weiter – die Grundlage für eine politische Lösung für Syrien sein. Das Washingtoner Papier sieht vor, Institutionen aufzubauen und die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen, die einen Sieg Assads unmöglich machen. Dann sei es nicht mehr erforderlich, die Teilnahme von Assad an den Wahlen zu verbieten. Den Kurden solle mehr diplomatische Anerkennung und politisches Gewicht bei Verhandlungen verschafft werden.
Der neue US- Botschafter bei den »Syrischen Demokratischen Kräften« (SDK), der bisherige Botschafter in Bahrain, William Roebuck, soll eine diplomatische Ebene sowohl mit den Kurden als auch mit dem gesamten Gebiet östlich des Euphrat aufbauen. Bei zukünftigen Verhandlungen in Genf solle eine Delegation für das Gebiet »Ost-Euphrat« aufgestellt werden, an der die kurdische Vertretung unter der Fahne der SDK teilnehmen soll. Mit der Delegation des »Hohen Verhandlungsrates« könnten sie dann – so der Acht-Punkte-Plan – die Regierungsdelegation in die Zange nehmen und blockieren. Warten wir ab, ob ein Luftschlag als Brandbeschleuniger eingesetzt wird.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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