Peter Orzechowski
Dänemark, Ungarn, Bayern: Europa wacht auf
Bis auf Berlin wachen nun die Regierungen Europas allmählich aus ihrem Migrationstraum auf: Dänemark will die Grenzen kontrollieren und seine Migrantenghettos auflösen. Ungarn fordert eine europäische Grenzschutzpolizei mit 10 000 Beamten und Camps für Migranten an den EU-Außengrenzen. Und Bayern will dafür sorgen, »dass jeder Migrant Europa wieder verlässt, der keine dauerhafte Berechtigung zum Bleiben hat« und dass »das Recht wieder durchgesetzt« werde.
Flüchtlinge und Migranten müssten sich integrieren oder den Weg nach Hause antreten, sagt Dänemarks Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sonst stehe die Werteordnung des kleinen, liberalen skandinavischen Landes auf dem Spiel. Seit 1980 sei der Anteil von Bürgern »aus nichtwestlichen Herkunftsländern« in Dänemark von einem Prozent auf 8,5 Prozent gewachsen. Das größte Problem dabei sei laut Rasmussen: »Nun müssen wir feststellen, dass Menschen hier in zweiter oder dritter Generation leben und nicht integriert sind.« Viele lebten seit zehn, zwanzig oder dreißig Jahren im Land und würden bis heute kein Dänisch sprechen oder die Werteordnung Dänemarks nicht respektieren.
»Es gibt noch immer zu viele, die unsere Werte nicht teilen und nicht teilhaben an unserer Gesellschaft«, sagt er. Das sei eine Gefahr, vor allem, wenn diese Menschen sich »in bestimmten Stadtteilen oder Gemeinden konzentrieren«. Einwanderer mit »nichtwestlichem Hintergrund« sind für ihn eine echte Problemgruppe.
Kampf gegen Ghettos
Tatsächlich wächst in solchen Stadtteilen seit Jahren die Bandengewalt. Rasmussens Regierung hat darum Anfang März dem Problem der Parallelgesellschaften den Kampf angesagt. Ein 22 Punkte umfassendes Maßnahmenpaket soll verhindern, dass zu viele Menschen mit Migrationshintergrund an einem Ort leben. Rasmussen ist entschlossen: »Die Ghettos müssen weg.« So sollen dem Plan zufolge etwa Straftaten sehr viel härter bestraft werden, wenn sie in bestimmten Stadtteilen begangen werden. Familien in einschlägigen Vierteln werden gezwungen, ihre Kinder in Kindergärten zu geben, damit sie Dänisch lernen. Sozialhilfeempfängern, die in solche Viertel ziehen, werden die Leistungen gekürzt. Ganze Gebäudekomplexe sollen abgerissen werden.
Für Rasmussen ist der Fokus auf bestimmte Personengruppen keine Diskriminierung, sondern notwendige Unterscheidung von Problemursachen: »Wenn man nicht anerkennt, dass die Bedingungen unterschiedlich sind in bestimmten Vierteln, wird man die Probleme niemals lösen.« Es gehe auch ums Geld, gibt er zu: Nichtwestliche Einwanderer hätten Dänemark im Jahr 2015 netto 4,8 Milliarden Euro gekostet, so der Premier. Grenzkontrollen sind Teil des großen dänischen Integrationsplanes. Kopenhagen will unbedingt an ihnen festhalten. Rasmussen erklärt, warum: »Wenn wir nun die Grenzen kontrollieren, stellen wir sicher, dass diese Probleme nicht größer werden – und wir uns darum kümmern können, sie zu lösen.« Dänemark habe jetzt »den Zustrom der Flüchtlinge unter Kontrolle«.
Hat Orbán die Lösung?
Auch aus Budapest kommen klare Töne. »Europa braucht eine 10 000 Beamte große Grenzschutzpolizei und Camps für Migranten an den EU-Außengrenzen«, fordert Manfred Weber (CSU) zusammen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in Budapest. Weber, der im Europa-Parlament Fraktionschef der bürgerlichen Europäischen Volkspartei (EVP) ist, der auch Orbáns Fidesz-Partei angehört, sagt weiter: »Viktor Orbán ist klar in der Sache und will dazu beitragen, dass Europa eine gemeinsame Antwort in der Migrationspolitik gibt.« In den kommenden Monaten komme es auf den Willen zu Lösungen an. »Gemeinsam mit Viktor Orbán hoffen wir in der Flüchtlingsfrage europaweit den gordischen Knoten zu durchschlagen«, so der CSU-Vize im Gespräch mit der Tageszeitung Die Welt. Weber will in der Migrantenfrage in ganz Europa zurück zu klaren Rechtsverhältnissen: »Wir müssen sicherstellen, dass jeder Migrant Europa wieder verlässt, der keine dauerhafte Berechtigung zum Bleiben hat.« Darum brauche es jetzt eine europäische Übereinkunft darüber, wie bei aller »Offenheit für Menschen in der Not« das Recht wieder durchgesetzt werden könne.
Konsequente Sicherung der Außengrenzen
Orbán, so Weber, »hält einen Schlüssel für die Lösung der Migrationspolitik in der Hand«. Für seine entschlossenen Maßnahmen zur Sicherung der Balkanroute verdiene Orbán nicht Kritik, »sondern unsere Unterstützung«, betont der CSU-Europapolitiker: »Ungarn hat an der Außengrenze dafür gesorgt, dass Schengen-Recht umgesetzt wird.« Entscheidend ist für Weber allerdings: »Migration muss begrenzt, kontrolliert und gesteuert werden.« Priorität hat für ihn darum die Sicherung der Außengrenzen. Weber will dafür »eine eigene Europäische Grenzschutzpolizei, die den Namen auch verdient« aufgebaut sehen: ausgerüstet mit Hubschraubern, Flugzeugen und Schiffen. Deren Hauptaufgabe ist für Weber »der Kampf gegen Schlepperbanden«. Außerdem sollen an den EU Außengrenzen Camps eingerichtet werden.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit einem Abo, falls Ihnen dieser Beitrag gefallen hat.