Stefan Schubert
Wirtschaftskrieg gegen Deutschland
Volkswagen, Deutsche Bank und Siemens sind Beispiele dafür, wie durch gezielte Wirtschaftsspionage der Amerikaner der deutschen Wirtschaft geschadet wird. Erst werden sämtliche Betriebsgeheimnisse wie Patente und Antriebssysteme abgeschöpft und dann Milliardenstrafen gegen erfolgreiche Konkurrenten auf dem Weltmarkt verhängt.
Das perfide Gebaren der US-Geheimdienste folgt stets demselben Muster. Auch dies sind Erkenntnisse der Snowden-Enthüllungen über die globale und verdachtsunabhängige Überwachung und Speicherung aller Daten auf Vorrat, insbesondere Unternehmensdaten. Durch komplexe Überwachungssoftware wie PRISM, Tempora und XKeyscore werden diese Datenberge von der NSA durchforstet und mit der CIA und anderen Behörden gemeinsam weiterverwertet. Schließlich kann die NSA – mit illegal beschafften Daten – die Deutsche Bank nicht direkt vor einem New Yorker Gericht auf Milliardensummen verklagen.
Dazu werden die illegalen Daten dem US-Justizministerium und der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC überlassen, die dann bei »eigenen« Ermittlungen ganz genau wissen, »wo« es »was« zu suchen bzw. zu finden gibt. Die SEC ist befugt, gegen alle in den USA börsennotierten Unternehmen zu ermitteln. Zuerst waren die Ermittlungen auf Insiderhandel und Betrug begrenzt, nach 9/11 wurden der Behörde durch den Patriot Act jedoch weitreichende Befugnisse zugesprochen. Auch hier wurden die erheblichen Kompetenzerweiterungen offiziell mit der angeblichen Terrorbekämpfung sowie dem Verdacht von Embargoverletzungen begründet. Dieses Vorgehen, wie im Fall der Deutschen Bank, ist noch nicht lückenlos bewiesen, aber auch Dr. Gert R. Polli, Gründer des Österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz, hält diese These für »allemal plausibel«. Gegen die Deutsche Bank wurden bisher Strafen von über 11,75 Milliarden Dollar verhängt.
Die US-Sanktionen gegen deutsche Firmen (und gegen Russland) ordnet der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, als Teil eines Wirtschaftskriegs gegen Europa und Russland ein. Seine genauen Worte lauten: »Wir befinden uns im Wirtschaftskrieg.«
Hemmungslose Wirtschaftsspionage
Hellmeyer bezeichnet in einem Interview »Deutschland als ökonomisches Rückgrat der EU und der Eurozone«, das den Führungsambitionen der USA entgegenstehe. So liegt der Anteil der Weltbevölkerung der Eurozone bei rund 4,6 Prozent, jedoch stammen mehr als 60 Prozent aller »Hidden Champions« (Weltmarktführer und Top 3 der Branchen weltweit) aus der Eurozone. Ausgesprochen deutlich fällt die Warnung des Chefanalysten und Chefvolkswirts vor der hemmungslosen Wirtschaftsspionage der Amerikaner aus: »Wer in deutschen Unternehmen nicht die Potenz der US-Geheimdienste in der Geschäftspolitik berücksichtigt, wird noch große Rechnungen bezahlen dürfen. Ich hoffe, man kann zwischen den Zeilen genug lesen.«
Auch bei den eingereichten Patenten beim Europäischen Patentamt (EPA) wird die dominante Stelle des Hochtechnologiestandortes Deutschland sichtbar. 2014 reichten deutsche Unternehmen 32 000 von insgesamt 274 000 Patenten bei der EPA ein. Der größte Konkurrent von Patenteinreichungen bei der europäischen EPA sind die USA. Wie gezielt die NSA den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Eurozone angreifen, haben die Unterlagen von Edward Snowden enthüllt. In den Dokumenten war nachzulesen, dass EU-Einrichtungen in New York, bei den Vereinten Nationen und in Brüssel durch Wanzen abgehört wurden. Einige der digitalen Datenangriffe konnten Spezialisten zu einem besonders abgeschirmten Bereich des NATO-Hauptquartiers im Brüsseler Vorort Evere zurückverfolgen. Dieser Bereich innerhalb des NATO-Komplexes wird von der NSA genutzt. »NSA horcht EU-Vertretungen mit Wanzen aus,« lautete denn auch ein Spiegel-Artikel über diesen Teil der Snowden-Papiere.
Der Bundesinnenminister hat den Schaden durch Wirtschaftsspionage auf jährlich 50 Milliarden Euro geschätzt. Dieser Schätzung widerspricht der Ingenieursverband (VDI) jedoch energisch. Der Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure geht davon aus, »dass der Schaden, der deutschen Unternehmen durch Wirtschaftsspionage entsteht, mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr beträgt.«
Unterwürfigkeit gegenüber den USA
Die Bundesregierung bleibt wegen ihrer Unterwürfigkeit gegenüber der Politik und den Geheimdiensten der USA untätig und liefert deutsche Unternehmen so schutzlos an US-Dienste aus. Trotz dieser Faktenlage versteifte sich Verfassungsschutzpräsident Maaßen sogar zu der Aussage, dass die NSA keine deutschen Unternehmen ausspionieren würde. Das Manager Magazin gibt seine Aussagen bei einer Wirtschaftskonferenz folgendermaßen wieder: »Keine Erkenntnisse gebe es im Zuge der NSA-Spähaffäre, dass amerikanische oder britische Geheimdienste Wirtschaftsspionage in Deutschland betrieben. Deshalb sehe er auch angesichts der Debatte über Ausspähungen des US-Geheimdienstes NSA keinen Grund, die enge Zusammenarbeit mit Partnern in den USA und Großbritannien infrage zu stellen.« Doch milliardenschwere Strafzahlungen und das Ausspionieren von Firmengeheimnissen und Patenten sind noch nicht alles, was deutschen Unternehmen droht.
Siemens: Zur Geheimoperation gegen den Iran gezwungen?
Der Fall Siemens wirkte anfänglich wie viele andere. Das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC gingen gegen das deutsche Flaggschiff-Unternehmen vor. Es wurden 4300 illegale Zahlungen bei 330 dubiosen Projekten zu Tage gefördert. Insgesamt wurden 1,3 Milliarden Dollar Bestechungsgelder, wie bei Kraftwerksbauten in Israel und zur Auftragserlangung bei fälschungssicheren Ausweisen in Argentinien, gezahlt. Mit der Verhängung einer Strafe über 600 Millionen Dollar wurde die Affäre in Amerika 2008 beendet. Auffallend war hier, dass das US Justizministerium sich der amerikanischen Großkanzlei Debevoise & Plimpton bediente, die federführend die Ermittlungen gegen Siemens betrieb. Der Kanzlei werden beste Kontakte zu Regierungsstellen, dem FBI und der CIA attestiert.
Auffallend war zudem, dass Beobachter mit einer deutlich höheren Strafzahlung in Amerika gerechnet hatten. Wie kam es zu einem Strafrabatt für Siemens in Amerika? Warum Siemens ins Visier der US-Dienste geriet, räumte der ehemalige NSA- und CIA-Direktor Michael Hayden in einem ZDF-Interview freimütig ein. Die amerikanischen Dienste hätten ein großes Interesse an der Industrieanlagentechnik von Siemens, da der deutsche Konzern »programmierfähige, logische Steueranlagen für die Uranverarbeitung« herstelle.
Dies ist eine Technik, die auch in der iranischen Urananreicherungsanlage in Natanz und im Kernkraftwerk Buschehr eingesetzt wurde. Im Juni 2010 entdeckte man in diesen Anlagen einen hoch entwickelten Computerwurm, der später als »Stuxnet« für Aufsehen sorgte. Die Schadsoftware wurde eigens zum Angriff und zur Manipulation der von Siemens gelieferten Steuerung (SCADA-System) programmiert. Über Jahre konnte die Schadsoftware die Urananreicherung sabotieren und zudem einen hohen, irreparablen Schaden verursachen. Es gelang mit der Cyberattacke, 1000 Zentrifugen zur Urananreicherung lahmzulegen. »Stuxnet gilt aufgrund seiner Komplexität und des Ziels, Steuerungssysteme von Industrieanlagen zu sabotieren, als bisher einzigartig«, umschreiben IT-Experte die Geheimdienstattacke. Dass es sich dabei um eine Attacke des US-Geheimdienstes handelte, konnte die New York Times im Juni 2013 beweisen. Die Zeitung veröffentlichte Unterlagen des Stuxnet-Projektleiters General James E. Cartwright, der die Kosten des Sabotageprogrammes auf 50 Millionen Dollar bezifferte.
Noch ein gravierender Punkt fiel unabhängigen IT-Experten bei der späteren Untersuchung von Stuxnet auf. Die Programmierer wussten um Einzelheiten der Steuerungsanlage von Siemens bis ins kleinste Detail Bescheid. So wird in der IT- wie in der Geheimdienstszene davon ausgegangen, dass Siemens durch US-Geheimdienste zur Zusammenarbeit und zur Offenlegung von Betriebsinterna gezwungen wurde.
Manager sollen kompromittiert werden
Eines fiel den Siemens-Managern bei Verhören durch US-Ermittler zudem auf: Nicht nur waren diese bestens informiert, sondern sie waren regelrecht auf der Jagd nach den Nutznießern der weltweit in rund 4300 Fällen gezahlten Bestechungsgelder. Der Verdacht liegt nahe, dass mit diesem Wissen nicht der Grundstock für weitere Anklagen gesammelt wurde, sondern Material, um Tausende von hochrangigen Managern zu kompromittieren und zur geheimdienstlichen Zusammenarbeit zu zwingen. »Nachbearbeitung« heißt dies im Geheimdienstjargon.
Fazit: Die Kosten für Siemens werden mit 2,5 Milliarden Euro beziffert (Strafzahlungen, Nachsteuern, Honorare für Anwälte und Kanzleien). Die mittlere und obere Managementebene fand sich zudem entweder vor Gericht wieder oder wurde entlassen. Fast zehn Jahre lang war Siemens mit sich selbst beschäftigt, um das Personal und das zerstörte Image wiederaufzubauen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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