Michael Brückner
Rente mit 70: »Mutti« macht’s möglich
»Wenn du mal nicht weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis.« So verfährt die Merkel-Regierung derzeit in der Rentenpolitik. Während die Migranten gehätschelt werden, dürfen deutsche Arbeitnehmer bald bis zum 70. Lebensjahr auf ihre schmale Rente warten.
Im medialen Windschatten der Fußball-WM und des Unionsstreits in der Asylfrage hat vor Kurzem die zehnköpfige Rentenkommission der Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen. Eigentlich überflüssig zu sagen, dass auch diese Expertenrunde von zwei Politikern geleitet wird – noch dazu von zwei bislang weitgehend unbekannten: Karl Schiewerling von der CDU und Gabriele Lösekrug Möller von der SPD. Bis März 2020 soll die Regierungskommission nun Vorschläge unterbreiten, um das Rentensystem dauerhaft zu stabilisieren.
Soziales Pulverfass
Ob dies gelingt, darf bezweifelt werden, denn die Altersversorgung in Deutschland gleicht einem sozialpolitischen Pulverfass. Fremdleistungen aus der Rentenkasse, die unter anderem dazu dienen, unqualifizierte Einwanderung zu subventionieren, werden das Problem in den nächsten Jahren noch erheblich verschärfen. Schon jetzt werden mehrere Optionen diskutiert, um die Altersversorgung zumindest auf einem niedrigeren Niveau sicherzustellen. Die »Rente mit 70« gehört dazu. Die Argumentation klingt nur im ersten Moment halbwegs überzeugend: Dank ständig steigender Lebenserwartung und besserer medizinischer Versorgung seien die 70-jährigen von heute die 60-jährigen von gestern.
Um diese apodiktische Feststellung scheinbar überzeugend zu untermauern, werden an dieser Stelle immer wieder die agilen Rentner von heute erwähnt, die angeblich ihre Freizeit auf Luxuskreuzfahrtschiffen und auf Harley-Davidson-Motorrädern verbringen. Doch dann gibt es auch die anderen Rentner, die – gesundheitlich angeschlagen – nur eine Minirente beziehen und im Extremfall Flaschen sammeln müssen, um zu überleben. Politiker mögen es sich leisten können, bis 70 oder sogar noch länger zu arbeiten. Sie werden gleichsam von vorn und hinten betreut, haben Referenten, Fahrer und andere dienstbare Geister um sich versammelt und müssen keine körperlich anstrengende Arbeit verrichten. Wer aber sein Geld mit einer Arbeit bei starker körperlicher Belastung, Wechselschicht oder bei hoher nervlicher Anspannung verdienen muss, dürfte es kaum schaffen, bis zum 70. Lebensjahr berufstätig zu bleiben.
Rente mit 70 löst die Probleme nicht
Hinzu kommt, dass selbst bei Einführung der Rente mit 70 die Probleme nicht wirklich gelöst wären. Eine vor mehreren Monaten erschienene Studie der Ruhr-Universität Bochum zeigt: Sogar Erwerbstätige, die ab 1964 geboren wurden und freiwillig bis zum 70. Lebensjahr arbeiten (also drei Jahre länger als vom Gesetzgeber vorgesehen), müssen mit einer Rentenlücke rechnen. Sie kann bei leitenden Angestellten monatlich gut 1000 Euro betragen. Als Rentenlücke wird die Differenz definiert, die zwischen der erreichten gesetzlichen Rente und 85 Prozent des letzten erzielten Nettoeinkommens besteht. Zudem stellt eine Anhebung des Renteneintrittsalters nichts anderes als eine kaschierte Rentenkürzung dar. Denn bei einer Rente ab dem 65. Lebensjahr, wie sie derzeit für vor 1964 Geborene üblich ist, und der mittleren Lebenserwartung eines Mannes von knapp 80 Jahren wird die Rente 15 Jahre, bei der »Rente mit 70« eben nur rund 10 Jahre gezahlt – zumindest statistisch betrachtet.
Zudem würden bei einem späten Renteneintritt die Belastungen der Krankenversicherung tendenziell steigen. Wer bis ins hohe Alter arbeitet, wird häufiger krank und muss infolgedessen öfter zum Arzt oder ins Krankenhaus. Die zweite Konsequenz der Rentenmisere: Das Rentenniveau dürfte deutlich sinken. Doch der Spielraum ist begrenzt. Schon in den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der Rentner, die offiziell als arm gelten. In München zum Beispiel sind es schon 27 Prozent. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes bekommen in Deutschland rund eine Million Menschen Grundsicherung im Alter. Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt all jenen Rentnern, die über weniger als 823 Euro im Monat verfügen, beim zuständigen Sozialamt den Anspruch auf Grundsicherung prüfen zu lassen.
Aufgrund der vielen Beschäftigten im Mindestlohnsektor ist in den nächsten Jahren von einem rapiden Anstieg von Rentnern mit Anspruch auf Grundsicherung auszugehen. Aber auch Ruheständler mit einer mittleren Rente erleben eine unangenehme Überraschung, wenn sie Post vom Finanzamt bekommen. Denn mit jeder Rentenerhöhung wächst die Zahl jener Ruheständler, die steuerpflichtig werden. Der steuerpflichtige Anteil an der gesetzlichen Rente steigt im Jahr 2020 auf 80 Prozent, ab 2040 muss dann die komplette Rente mit dem Finanzamt geteilt werden.
Fiskus bittet zur Kasse
Schon heute zahlen viele Rentner Einkommensteuer und leisten vierteljährliche Vorauszahlungen (jeweils im März, Juni, September und Dezember). Eine weitere mögliche Maßnahme wäre die Erhöhung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Rentenversicherung um 2,5 Prozentpunkte oder eine äquivalente Steuererhöhung, um den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung zu erhöhen, heißt es im Frühjahrsgutachten der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. So könnte der Beitragssatz bis zum Jahr 2050 auf deutlich über 26 Prozent steigen. Arbeit wäre in Deutschland dann so gut wie unbezahlbar.
Allerdings gibt es auch eine Alternative, die freilich ebenso skurril wie unrealistisch anmutet: Die Bundesregierung müsste Jahr für Jahr rund 500 000 Zuwanderer ins Land holen. In zehn Jahren also etwa fünf Millionen Migranten. Hier offenbart sich wieder einmal der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Selbst wenn es gelänge, jährlich eine halbe Million Menschen aus aller Herren Länder zu integrieren, könnten diese die Rentenkasse nur entlasten, wenn sie qualifizierte Jobs ausführten und entsprechend hohe Leistungen in die Rentenkasse einzahlten. Tatsächlich aber klagt fast jedes zweite Unternehmen über die mangelnde Qualifikation der Migranten. Diese könnten nur als Hilfsarbeiter eingesetzt werden.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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