Peter Orzechowski
Die Lügen vor dem Krieg
Dass vor Kriegen die Propagandamaschinen heißlaufen, weiß man. Dass dabei gelogen wird, ist auch bekannt. Dass aber die Wahrheit einfach umgedreht wird und Fake News offizielle Regierungspolitik werden, ist in diesem ungeheuerlichen Ausmaß neu – wie im jüngsten Jahresbericht des U. S. State Departments über den weltweiten Terrorismus.
Der Ende September veröffentlichte Jahresbericht des U. S. State Departments über den weltweiten Terrorismus hat den Iran als weltweit führenden Sponsor von Terrorismus eingeordnet. Das Regime in Teheran habe demnach sein Zweckbündnis mit der Terrororganisation al-Qaida aufrechterhalten.
Der Iran erlaube al-Qaida in zahlreichen Fällen freien Transit von Personen und Geld sowie den Betrieb einer Ausbildungsbasis auf eigenem Territorium. Das Regime zeige sich auch weiterhin »nicht gewillt, führende, im Iran ansässige al-Qaida-Mitglieder im Iran der gerichtlichen Verfolgung zuzuführen, oder die Namen im Iran angehaltener al-Qaida-Mitglieder zu offenbaren«. Beobachtern zufolge würden auch al-Qaida-Verdächtige, die im Iran offiziell unter Hausarrest stünden, real keinen allzu weitreichenden Mobilitätsbeschränkungen unterliegen.
Diese Behauptungen stellen die nachgewiesenen Fakten, dass nämlich die USA und ihre saudisch-israelischen Helfer seit Jahren al-Qaida, den IS und andere Terrorgruppen aufgebaut, finanziert und ausgebildet haben, auf den Kopf. Plötzlich soll also die schiitisch-fundamentalistische Führung im Iran die radikal-sunnitischen Terroristen unterstützen. Zur Erinnerung: al-Qaida kämpft in Syrien und im Jemen gegen iranische Truppen und nimmt seit Jahr und Tag schiitische Wohngebiete im Irak ins Visier.
Die Lügen werden immer dreister
Tom Joscelyn, Senior Fellow der Vereinigung für die Verteidigung von Demokratien (FDD) und Chefredakteur des Long War Journal, fabuliert sogar von einem »geheimen Deal« zwischen der Terrorgruppe und Teheran: »Das Abkommen erlaubt es al- Qaida, Personal, Geld und Kommunikationsmittel aus und nach Südasien zu schleusen. Eine ›zentrale Pipeline‹ verbindet die Al- Qaida-Führung in Afghanistan und Pakistan mit den Ablegern im Nahen Osten.« US-Präsident Donald Trump hatte seinen Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran unter anderem damit begründet, dass der Iran »terroristische Proxys und Milizen wie al-Qaida« unterstütze. Das Außenministerium hat diese Einschätzung nun in seinem Terrorismusbericht untermauert. »Es geht um Geld, Sicherheit und darum, dass der Feind des einen auch der des anderen ist«, gab eine Quelle aus den US-Sicherheitsdiensten gegenüber Fox News an. »Die beiden verstehen sich nicht, aber al-Qaida braucht das ruhige Hinterland, und die Iraner werden mit einem Anteil an den Erlösen aus Schmuggel und Drogengeldern belohnt. Das geht schon seit Jahren so.«
Aber es kommt noch doller: Den Erkenntnissen der Untersuchungskommission zu den Anschlägen vom 11. September 2001 zufolge sei die ungewöhnliche Allianz bereits während der 1990er-Jahre im Sudan eingefädelt worden, wo sich damals Bin Laden aufhielt. In weiterer Folge hätten erste Trainingseinheiten für al-Qaida-Terroristen auf iranischem Territorium stattgefunden. Als die Taliban 1996 in Afghanistan die Macht übernahmen, habe der Iran den sunnitischen Extremisten den schnellen und unbürokratischen Grenzübertritt ermöglicht. Nur die 2003 von Präsident George W. Bush befohlene Invasion im Irak habe den Iran veranlasst, al-Qaida-Terroristen im eigenen Land zu inhaftieren, unter Hausarrest zu stellen oder ihnen die Ausreise zu verwehren. Die Frage aus Sicht der amerikanischen Sicherheitsexperten sei seither nicht, ob es eine Beziehung zwischen dem Iran und al-Qaida gebe, sondern wie tief diese jeweils sei.
Die Fakten werden verschwiegen
Dass die Realität eine ganz andere ist, wird natürlich verschwiegen. Daher zur Erinnerung ein paar Fakten: In einem Interview im »Head to Head«-Programm des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera sagt der ehemalige Chef des amerikanischen Militärgeheimdienstes (DIA), Michael Flynn: Im Memorandum der DIA von 2012 sei klar nachzulesen, dass die US-Regierung die Bewaffnung der radikalen Dschihadisten der Muslimbrüder, von al-Qaida, der al-Nusra-Front, des IS und weiterer kleinerer Gruppen organisiert und ein Kalifat im Osten Syriens und im Irak unterstütze.
Demnach wusste die US-Administration schon 2012, dass al-Qaida innerhalb des Aufstands in Syrien die führende Rolle ausübt, und von »westlichen Ländern, den Golfstaaten und der Türkei« dabei unterstützt wird, in Ost-Syrien ein »salafistisches Fürstentum« zu etablieren. Denn das sei »genau das«, was die Fördermächte der Terrorgruppe wollten, um »das syrische Regime« vom Iran und dem Irak »zu isolieren«. Die Entstehung eines sich über Syrien und den Irak erstreckenden »Islamischen Staates« als Folge der Politik der US-Verbündeten wurde einschließlich solcher Details wie der Einnahme Mossuls und Ramadis durch die Terroristen zutreffend vom US-Geheimdienst prognostiziert.
Buchautor und Nahost-Experte Jürgen Todenhöfer nannte das DIA-Papier damals ein »terroristisches Watergate«. Obwohl sie frühzeitig wussten, »wer wirklich in Syrien kämpft«, erzählten US-Präsident Obama und der Westen »das übliche Märchen« von Freiheit und Demokratie, während sie »gezielt terroristische Organisationen« unterstützten. »Deshalb planen die USA auch nicht, den ›Islamischen Staat‹ völlig auszuschalten. Selbst wenn sie wüssten wie. Sie brauchen den IS noch. Iran würde ihnen sonst zu stark.«
Am 8. Juli 2015 hatte sogar der damalige US-Präsident Obama es selber zugegeben: »Wir bilden den IS aus,« sagte er während einer Pressekonferenz. Die genaue Aussage lautet: »Deswegen, mit den zusätzlichen Schritten, die ich vergangenen Monat befohlen habe, beschleunigen wir die Ausbildung der IS-Kräfte, einschließlich der Freiwilligen aus den sunnitischen Stämmen in der Anbar-Provinz.« Diese Aussage machte er, ohne sich sofort zu korrigieren.
Bereits vorher hatte General Wesley Clark, der ehemalige Oberbefehlshaber der NATOStreitkräfte in Europa, in einem CNN-Interview im Februar 2015 gesagt: »Der IS begann, indem unsere Freunde und Alliierten ihn finanzierten … um die Hisbollah zu zerstören … Er ist eine Art Frankenstein.« Clark meint mit »Freunde und Alliierte« der USA im Mittleren Osten: Israel, Saudi Arabien, Katar und die Emirate. Der ehemalige Beamte des US-Außenministeriums, Andrew Doran, schrieb in einem Blogbeitrag für die BBC gar von eindeutigen Beweisen für die Unterstützung des IS durch die USA. Zahlreiche hochrangige Mitglieder sollen über amerikanische Pässe verfügen. Die Islamisten sollen aus dem Kaukasus durch die Hilfe einer georgischen NGO namens »Jvari« zunächst in die Türkei und später nach Syrien gelangt sein. Bei Recherchen kam ans Tageslicht, dass diese NGO seit ihrem Bestehen von den USA finanziert wurde.
Holger Strohm, der 1971 mit seiner »Bibel der Anti-Atomkraft-Bewegung«, Titel: Friedlich in die Katastrophe, berühmt wurde, zitiert in der Zeitschrift raum&zeit vom Mai/Juni 2015 Schweizer Quellen, die behaupten: »Nach Aussagen ehemaliger CIA-Mitarbeiter ist der IS ein Produkt der US-Geheimdienste – eine von Saudi-Arabien und vom amerikanischen Militär ausgebildete Armee … Neben US-Senator John McCain gestand auch der US-Luftwaffengeneral Thomas McInernay, dass die USA den IS aufgebaut haben.« Die englische Tageszeitung Sunday Express berichtete ebenfalls 2015, britische SAS-Kämpfer hielten sich auch in Saudi-Arabien auf, wo sie gemeinsam mit US-Kämpfern Terroristen für den Kampf gegen Assad ausbildeten – ebenso wie in der Türkei, in Jordanien, Katar und vielleicht Israel.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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