Michael Brückner
Fastfood-Krimi-Kost für die Zwangsgebührenzahler
Wenn im deutschen Zwangsgebührensystem gemordet wird, dann ist es richtig teuer: Über 15 500 Euro müssen für jede Minute der ARD-Produktion »Tatort« bezahlt werden. Das hindert die Sender freilich nicht daran, die Zuschauer mit einer politisch-korrekten Krimiwelle zu überrollen.
Der im Jahr 2009 gestorbene Schriftsteller und Verleger des Quartalsmagazins Criticón, Caspar von Schrenck-Notzing, wunderte sich in einem seiner Editorials schon vor vielen Jahren über das publizistische Einerlei am Zeitungskiosk. Sinngemäß schrieb er, da werde nur noch an- und umgelegt, an- und ausgezogen. Wer heute in Versuchung gerät, sich nach einem arbeitsreichen Tag die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender anzutun, kommt wohl zu einer ähnlichen Einschätzung: Von Genrevielfalt keine Spur, dafür links-alternativ gewürzter Einheitsbrei, einseitige Propaganda, närrische Brüll-Talkshows mit immer denselben Teilnehmern – und natürlich Krimis ohne Ende.
Vor Kurzem klagte sogar die Schauspielerin Katrin Sass, die im »Usedom-Krimi« selbst die Hauptrolle spielt, es gebe im deutschen Fernsehen keinen »freien Krimitag mehr«. Und sie fügte hinzu: »Ich finde, es reicht«. Die Mehrzahl der Fernsehzuschauer ist offenkundig derzeit noch anderer Meinung. Sie lässt sich Abend für Abend – und teilweise schon im Nachmittagsprogramm – von Gewaltorgien berauschen. »Krimis funktionieren – und deshalb wollen alle Sender mehr davon. Eine andere Frage ist, ob das die Zukunft des Fernsehens ist«, sagt Regisseur Roland Suso Richter.
Männer als Trottel
Und natürlich geht es in der Flut von TV-Krimis stets politisch korrekt zu. Das beginnt schon damit, dass überwiegend Frauen die Ermittlungen leiten. Hauptkommissarinnen, »Chefinnen« und Staatsanwältinnen – wohin man schaut. Männer tauchen in der Regel nur als trottelige Assistenten oder grenzdebile Vorgesetzte auf. Und die Namen der Damen klingen selten wie im richtigen Leben, sondern eher danach, als sei da ein Werbetexter mit ausgeprägtem Hang zu Tautogrammen am Werk gewesen: Rosa Roth, Bella Block, Hannah Holle usw. Die erste »Tatort«-Oberkommissarin trug noch den vergleichsweise spießigen Namen Marianne Buchmüller.
Selbstverständlich folgt auch der Inhalt politisch korrekten Vorgaben. Die Täter sind meist entweder feiste Kapitalisten, Machos mit weit unterdurchschnittlichem IQ, »Rechte« (gern auch mit Glatzen) oder korrupte Zeitgenossen aus Wirtschaft und Politik. Wer kann sich daran erinnern, dass irgendeine TV-Hauptkommissarin einer Antifa-Frau in Springerstiefeln Handschellen anlegte? Hatte Hannah Holle jemals einen Vergewaltiger aus Afghanistan im Visier ihrer Fahndung? Warum nicht? »Weil, so schließt man messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf«, um Christian Morgenstern leicht modifiziert zu zitieren. Migranten wird in der Regel die Opferrolle zugewiesen. Hier die tumben, ausländerfeindlichen Deutschen, dort die friedlichen Asylanten und »Schutzsuchenden«.
Subtile Propaganda
Auf diese Weise wird den Krimi-affinen Zuschauern auf ganz subtile Weise politische Propaganda vermittelt. Und da Krimis im Allgemeinen ja der Unterhaltung dienen, lenken sie natürlich auch von den eigentlichen Problemen und Missständen erfolgreich ab. Wie Fußball und alberne TV-Shows sind auch Krimis nichts anderes als ein mediales Sedativum.
Wer sich regelmäßig TV-Krimis anschaut, kommt darüber hinaus früher oder später zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Wo immer man wohnt in dieser Republik, man ist seines Lebens nicht mehr sicher. Mal rauben die »Toten vom Bodensee« den zartbesaiteten Zuschauern den Schlaf, mal all die furchbaren Dinge, mit denen sich die Beamten an der »Hafenkante« herumschlagen müssen. Überall sind Sokos im Einsatz – in Leipzig, Köln, Wismar, Wien und sogar im beschaulichen Kitzbühel. Allenthalben lauert das Verbrechen. Und im Ausland ist es auch nicht besser. Jedenfalls, wenn wir uns den Bozen-Krimi, Athen-Krimi, Zürich-Krimi oder Tel-Aviv-Krimi anschauen. Island weist eine der niedrigsten Kriminalitätsraten der Welt auf und gilt seit 2008 laut Global Peace Index als das friedlichste Land der Erde. Das ändert aber nichts daran, dass der deutsche Fernsehzuschauer ab und zu auch mit Island-Krimis beglückt wird.
Weitaus mehr Tote als realiter
Als TV-Konsument sorgt man sich überdies um das nette oberbayerische Städtchen Rosenheim, das in der Wahrnehmung der Krimi-Zuschauer mittlerweile zum gefährlichsten Pflaster Deutschlands aufgestiegen sein muss. Tatsächlich gibt es seit 2002 »Die Rosenheim Cops« – und bei jeder Sendung (Produktionskosten: rund 425 000 Euro pro Folge) eine Leiche. Bei nur 63 000 Einwohnern müsste dies bald in der Bevölkerungsstatistik zu Buche schlagen. Nicht ungefährlich – zumindest in der Phantasie von Drehbuchautoren – ist die Stadt Münster in Westfalen. In den einschlägigen Krimis starben dort allein 2017 sage und schreibe 17 Menschen an Mord und Totschlag – in der Realität waren es in den zurückliegenden Jahren gerade einmal drei Opfer.
Im letzten Jahr gab es in ARD und ZDF über 1000 Fernseh-Tote. Diese Zahl liegt deutlich über den in ganz Deutschland pro Jahr verzeichneten Mordopfern, einschließlich von Todesfällen, die auf Totschlag oder Tötung auf Verlangen zurückzuführen sind.
Nimmt man die TV-Mordfälle in den dritten Programmen hinzu, wo die »Tatort«-Krimis ständig wiederholt werden, übertrifft die Fiktion die Realität um ein Vielfaches. Im Jahr 2015 (eine aktuelle Auswertung liegt derzeit noch nicht vor) wurden allein im ZDF insgesamt 2061 Krimis ausgestrahlt (Erstausstrahlungen und Wiederholungen). Immerhin wächst allmählich die Kritik an dieser Krimi-Inflation. Sie wisse nicht genau, ob die Leute das wirklich noch sehen wollen – einen Krimi nach dem anderen, sagt die eingangs bereits zitierte Schauspielerin Katrin Sass. Und das Film- und Fernsehjournal Wunschliste.de kommentiert: »Man darf gespannt sein, wie lange die Zuschauer noch bereitwillig jegliche vorgesetzte Fastfood-Krimi-Kost in sich aufsaugen – und ob die Übersättigung schon bald eintritt.« Es sei hinzugefügt: Vielen ist längst schon der Appetit vergangen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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