Tyler Durden
Bereiten sich die USA auf einen Krieg mit Russland vor?
Die RAND Corporation hat unlängst ein Dokument veröffentlicht. Die Überschrift lautet frei übersetzt: Wie man Russland dazu verleitet, sich zu übernehmen, und es dann aus dem Gleichgewicht bringt. Eine Bewertung der Auswirkungen kostspieliger Optionen. Die Studie ist eine Gemeinschaftsanstrengung erfahrener Diplomaten, darunter James Dobbins (ehemaliger Unterstaatssekretär für Europa im US-Außenministerium und US-Botschafter bei der Europäischen Union), Professor Raphael Cohen (Brookings Institution, American Enterprise Institute, National Defense University, Oberstleutnant der Reserve im Nachrichtendienstbereich) und sieben weitere RAND-Fachleute für Themenkomplexe wie Auslandsbeziehungen, Militärindustrie, Nachrichtendienste, Politik und Technologie.
Der Bericht ist ein praktischer Leitfaden dafür, wie die USA aus Russlands Schwächen und Anfälligkeiten Kapital schlagen können, um das politische und wirtschaftliche Potenzial des Lands weiter einzuschränken. Der Bericht stellt die Zusammenfassung einer weitaus umfassenderen Abhandlung von mehr als 300 Seiten dar. Diese trägt den Titel: Wie man Russland dazu bringt, sich zu übernehmen. Aus einer Vorteilssituation heraus konkurrieren und wurde von denselben Autoren verfasst.
Was genau legen diese einflussreichen politischen Analysten dem amerikanischen Establishment ans Herz?
Sie identifizieren vier Handlungsfelder: Wirtschaft, Geopolitik, Ideologie & Informationen sowie militärische Maßnahmen. Beim Ausarbeiten ihrer Strategie sind die Fachleute rational vorgegangen und haben darauf geschaut, wie die potenziellen Kosten für die USA aussehen würden.
Der Abschnitt zur Wirtschaft besteht aus vier optionalen Maßnahmen, die Russland bereits in den vergangenen Jahren direkt in Mitleidenschaft gezogen haben. Option eins besteht darin, dass die USA mehr Energie produzieren und exportieren. Das drückt die globalen Preise, sodass Russlands Gewinne leiden. Option zwei besteht darin, die Sanktionen zu verschärfen, wobei die Beteiligung anderer Länder bei einem derartigen Prozess als unerlässlich gilt. Die dritte Option besteht darin, Europa bei der Suche nach neuen Gaslieferanten zu helfen, auch für verflüssigtes Erdgas. Und Option vier wäre es, die Russen zum Auswandern zu bewegen, insbesondere junge und/oder gut ausgebildete Menschen. Es ist anzunehmen, dass die ersten drei Punkte den USA den größten Nutzen bringen würden, allerdings brächte es gewisse Risiken mit sich, weitreichendere Sanktionen zu verhängen.
Was die Geopolitik anbelangt, so wägen die US-Experten sechs Szenarien ab, die das Ziel hätten, Russland zu schwächen. Es geht dabei nicht nur um Russland selbst, sondern auch um benachbarte Länder. Jedes Szenario birgt gewisse Risiken und Kosten und bringt dafür bestimmte zu erwartende Folgen mit sich.
Aus Russlands größter Anfälligkeit könnte man nach Einschätzung der amerikanischen Experten am besten Kapital schlagen, indem man die Ukraine mit Waffen versorgt. Sollten die USA allerdings ihre Waffenlieferungen an und Hilfestellung für die Ukraine erhöhen, dürfte das nur sehr sorgfältig austariert erfolgen. Die Kosten für Russland, seine bestehenden Verpflichtungen aufrechtzuerhalten, müssen zunehmen, ohne dass daraus ein deutlich umfangreicherer Konflikt resultiert, denn dann würde Russland allein schon durch die geografische Nähe beträchtliche Vorteile genießen.
Demokratische Kräfte Syriens.
Das ist die erste Option. Die RAND-Experten machen hier den größten Nutzen aus, glauben aber auch, dass die Umsetzung hoch riskant sein könnte.
Option zwei besteht darin, die Unterstützung für die Rebellen in Syrien auszuweiten. Das wiederum könnte jedoch andere politische Prioritäten der USA gefährden, etwa die Bekämpfung radikalen islamischen Terrors, und die gesamte Region weiter destabilisieren. Angesichts des Radikalisierungsgrads, der Zersplitterung und des Verfalls der syrischen Opposition ist es zudem fraglich, ob ein derartiger Schritt überhaupt umzusetzen wäre.
Den RAND-Experten sind offensichtlich sämtliche möglichen Gefahren dieses Szenarios bekannt, aber wenn man zwischen den Zeilen liest, erkennt man rasch, dass es bei dieser Option darum geht, sich zum geopolitischen Nutzen der USA terroristische Vereinigungen zunutze zu machen. An und für sich ist an dieser Methode nichts Neues, aber sie kann in der Umsetzung ziemlich kostspielig werden und bringt beträchtliche Risiken mit sich. Und selbst im Best-Case-Szenario sind die Erfolgsaussichten eher mäßig. Gleichzeitig könnte es Amerikas traditionelle Verbündete verärgern, wie es der Fall war, als die USA im Irak einmarschierten, um Saddam Hussein zu stürzen.
Die dritte Option besteht darin, in Weißrussland auf eine Liberalisierung hinzuarbeiten. Die Autoren räumen ein, dass bei diesem Ansatz die Erfolgsaussichten gering sind und dass es zu einer heftigen Reaktion Russlands kommen könnte, bis hin zu einer allgemeinen Verschlechterung der Sicherheitslage in Europa und Rückschlägen für die Politik der USA. Wie bei der ersten Option ist auch hier das Risiko groß, andererseits könnte auch der Nutzen beträchtlich sein. Es ist natürlich klar, wovon hier in Wirklichkeit die Rede ist, nämlich von einer Farbrevolution in Weißrussland. Die Staatsführung sollte dieser Empfehlung der RAND Corporation Aufmerksamkeit schenken und die US-Diplomaten in Minsk um eine Stellungnahme bitten.
Ein Ausbau der Beziehungen im südlichen Kaukasus wäre die vierte Option. Die Region konkurriert wirtschaftlich mit Russland, aber aufgrund der geografischen Lage und der Geschichte wäre diese Option nur schwer umzusetzen.
Szenario Nummer fünf besteht darin, Russlands Einfluss in Zentralasien zurückzudrängen. Auch das könnte sich als schwierig und unverhältnismäßig kostspielig für die USA herausstellen.
Das sechste und letzte Szenario besteht darin, einen Aufstand in Transnistrien zu organisieren und die russischen Truppen aus dem Land vertreiben zu lassen. Darunter würde Russlands Prestige leiden, aber auch dieser Ansatz könnte das Gegenteil des gewünschten Ziels erreichen, denn Moskau würde auf diese Weise Geld sparen, während den USA und ihren Verbündeten zusätzliche Kosten entstünden.
Bemerkenswert ist hier, dass alle sechs Szenarien auf Russlands Nachbarn abzielen. Insofern stellen sie eine Art Neuauflage des alten »Anakonda«-Plans aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg dar, nur dass die Maßnahmen dieses Mal entlang der russischen Grenzen greifen sollen.
Im Abschnitt zu Ideologie und Informationsmaßnahmen geht es um die Innenpolitik der Föderation und letztlich um nichts anderes als darum, sich in die Angelegenheiten des Landes einzumischen. Es sind nur vier Szenarien, aber die sprechen für sich: Es soll der Glaube in das Wahlsystem untergraben werden. Es soll die Idee verbreitet werden, dass die politische Elite nicht das Wohl der Gesellschaft verfolgt. Es sollen Proteste und gewaltloser Widerstand gefördert werden. Und es soll Russlands Image im Ausland beschädigt werden.
Bezeichnenderweise findet man die meisten Optionen bei den angedachten militärischen Maßnahmen gegen Russland. Sie sind in drei strategische Bereiche unterteilt – zu Land, zu Wasser und in der Luft.
Moskauer demonstrieren am 15. März 2014 auf dem Boulevardring gegen den Krieg in der Ukraine und dagegen, dass Russland die Separatisten auf der Krim unterstützt.
In dem Bericht heißt es, eine hohe Erfolgsaussicht sei zu erwarten, wenn man Kampfbomber so postiert, dass sie strategisch wichtige russische Ziele angreifen könnten. Das würde zweifelsohne Moskaus Aufmerksamkeit wecken und Unsicherheit erschaffen. Die damit einhergehenden Kosten und Risiken sind vergleichsweise gering, sofern die Bomber außerhalb der Reichweite der meisten ballistischen und bodengestützten Marschflugkörper stationiert sind.
Eine weitere Option: Kampfjets könnten so stationiert werden, dass sie näher als die Bomber an ihren Zielen sind. Die RAND-Experten vermuten, dass ein derartiges Vorgehen Moskau mehr Kopfschmerzen bereiten würde als eine Verlegung der Bomber, allerdings sind die Erfolgsaussichten gering, die Risiken dafür aber hoch. Aufgrund der geringen Nutzlast müsste jedes Flugzeug im Verlauf eines herkömmlichen Konflikts mehrere Einsätze fliegen, insofern besteht das Risiko, dass die Flugzeuge frühzeitig am Boden zerstört und ihre Flugfelder unbrauchbar gemacht werden.
Wenn die USA taktische Atomwaffen nach Europa und Asien verlegen, könnte dies Russlands Bedenken steigern und dazu verleiten, deutlich mehr Geld in seine Luftabwehr zu stecken. In Kombination mit der »Bomber«-Option sind die Erfolgsaussichten sehr hoch, aber wenn man diese Waffensysteme in großem Stil verlegt, könnte Moskau auf eine Art und Weise reagieren, die den Interessen der USA und ihrer Verbündeten zuwiderlaufen.
Auf dem Flugdeck des Flugzeugträgers USS Theodore Roosevelt entfernt Personal eine Übungsrakete von einem Kampfjet des Typs F/A-18C Hornet.
Es würde Moskau auch nervös machen, wenn die USA und ihre Verbündeten Systeme zur Abwehr ballistischer Raketen so verlegen, dass Russlands ballistische Raketen besser bekämpft werden könnten. Es wäre allerdings vermutlich die am wenigsten effektive Option, da Russland über sehr viele Raketen verfügt, die sich modernisieren lassen. Außerdem würden potenzielle russische Angriffsziele, die in den USA und den Ländern ihrer Verbündeten liegen, auch weiterhin gefährdet sein.
In dem Bericht wird angeregt, neue, gut getarnte Langstreckenbomber zu entwickeln oder die Stückzahl derjenigen Flugzeugtypen deutlich zu erhöhen, die in Moskau bereits heute für Nervosität sorgen. Zudem ist die Rede von großen Mengen autonomer oder ferngesteuerter Angriffsfluggeräte.
Wie die RAND-Experten sagen, besteht das größte Risiko bei diesen Optionen in einem Wettrüsten, das die USA zu Ausgaben zwingt, die zu ihrem Nachteil sind. Investitionen in Raketenabwehrschirme und weltraumgestützte Waffensysteme beispielsweise würde Moskau alarmieren, aber Russland könnte sich möglicherweise gegen derartige Bedrohungen mit Maßnahmen schützen, die um ein Beträchtliches billiger wären als das, was die USA für derartige Systeme ausgeben müssten.
Mit Blick auf eine Konfrontation zu See regt RAND an, die Präsenz amerikanischer und alliierter Kriegsschiffe in solchen Regionen zu verstärken, die wegen Russland als potenziell gefährlich gelten. Man kann wohl davon ausgehen, dass damit die Ostsee, die Arktis und der Raum im Schwarzen Meer und östlichen Mittelmeer gemeint sein dürften. Im Bericht ist die Rede davon, mehr Mittel in die Entwicklung neuer Waffensysteme zur Bekämpfung russischer Atom-U-Boote zu investieren. Gleichzeitig sei es für die USA selbst eine gute Idee, die Zahl der eigenen Atom-U-Boote im Rahmen der nuklearen Triade zu erhöhen. Mit Blick auf das Schwarze Meer wird vorgeschlagen, gemeinsam mit der NATO eine Strategie zu entwickeln, die es ermöglicht, den Russen – möglicherweise durch die entsprechende Stationierung von Langstrecken-Anti-Schiff-Raketen – die Ausfahrt aus dem Schwarzen Meer zu versperren und die Russen auf diese Weise dazu zu zwingen, ihre Rüstungsausgaben auf der Krim zu erhöhen.
Die Autoren vertreten die Meinung, dass die Zahl der europäischen NATO-Bodentruppen, die direkt an der russischen Grenze stationiert sind, erhöht werden sollte. Zugleich betonen sie, wie wichtig es sei, Umfang und Ausmaß von NATO-Truppenübungen in Europa zu vergrößern und auf diese Weise Russland ein klares Signal zu schicken. Eine weitere Option besteht darin, Mittelstreckenraketen zu entwickeln, aber nicht zu stationieren. Das würde Russland dazu zwingen, sein eigenes Raketenprogramm zu modernisieren (und dafür viel Geld in die Hand zu nehmen). Und schließlich wird noch empfohlen, in neue Technologien zu investieren (Waffen, die auf neuartigen physikalischen Grundsätzen beruhen, etwa Laser), um damit russischen Luftabwehrsystemen besser entgegentreten zu können.
Wir sehen, in ihrer Vielfalt ergänzen sich die vier Bereiche. Das Pentagon hat in den vergangenen Jahren bereits an einigen Innovationen gearbeitet, und auch der jüngste Rüstungshaushalt spricht dafür, dass die USA weiterhin in der einen oder anderen Form daran arbeiten, ihre militärische Macht zu vergrößern.
Gemeinsam mit anderen Strategiepapieren für ranghohe amerikanische Entscheider belegt dieser Bericht der RAND-Fachleute, dass in großem Stil eine Kampagne gegen Russland gefahren wird. Überraschend allerdings ist, dass alle Empfehlungen, und insbesondere die aus dem militärischen Abschnitt, mehr oder weniger deutlich dafür sprechen, dass ein Krieg gegen Russland in Vorbereitung ist. Ganz nüchtern ist dort die Rede davon, was die USA wegen bestehender Abrüstungsverträge tun können, wie sie die NATO einsetzen können und welche Rolle die Ukraine in einem Krieg gegen Russland spielen könnte, insbesondere an Land und in der Region rund um das Schwarze Meer. Es steht außer Frage, dass die Empfehlungen weit vor ihrer Veröffentlichung im April 2019 den Schaltstellen der Macht in den USA vorgelegt wurden. Nun bleibt uns nur noch, auf die Umsetzung dieser Szenarien zu achten und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Die vollständige RAND-Präsentation finden Sie hier.
Quelle: ZeroHedge
Dienstag, 18.06.2019