F. William Engdahl
Seltene Erden – Chinas ultimative Waffe?
Während sich der Handelskrieg zwischen China und den USA weiter hochschaukelt, hat Chinas Präsident Xi Jinping dem staatlichen Bergbauunternehmen JL Mag Rare-Earth einen zeitlich wohlüberlegten Besuch abgestattet. Xi sprach keine offene Drohung aus, aber die Botschaft an Washington dürfte dennoch angekommen sein: Die Chinesen haben noch weitere Waffen im Arsenal, mit denen sie die Regierung Trump unter Druck setzen könnten. Welche Rolle spielt China beim Abbau Seltener Erden, und wie groß ist das Risiko, dass diese Erze als Waffe genutzt werden?
Die chinesische Staatszeitung Global Times schrieb am 20. Mai über Xis Visite: »Der Besuch wird als Zeichen dafür gewertet, dass die inländische Seltene-Erden-Branche um die Unterstützung der Landesführung weiß.« Es ging wenig subtil weiter: »Viele sagen, China solle als Gegenmaßnahme darauf, dass die USA chinesische Waren mit Strafzöllen belegen und die Versorgung chinesischer Firmen mit Halbleitern einschränken, die Exporte Seltener Erden in die USA begrenzen.« Die Zeitung verwies darauf, dass Seltene Erden zu den wenigen Artikeln gehören, die nicht auf Washingtons jüngster Liste der mit Strafzöllen belegten Waren stehen.
Armee braucht Seltene Erden
Wie schwer würde es die US-Wirtschaft treffen, sollte China die Ausfuhr Seltener Erden in die USA stoppen? Kurz gesagt – sehr schwer. Seltene Erden kommen heutzutage in den meisten elektronischen Geräten zum Einsatz, aber darüber hinaus sind sie für das Pentagon und die amerikanischen Streitkräfte von allergrößter Wichtigkeit. Im Newsletter Breaking Defense heißt es, Bauteile aus Seltenen Erden kämen unter anderem in den atomar betriebenen JagdU-Booten der Virginia-Klasse zum Einsatz, in den Zerstörern der Aegis-Klasse und in den Kampfflugzeugen vom Typ F-35. »Seltene Erden sind darüber hinaus ein wichtiger Bestandteil von Präzisionsmunition, Lasern, Satellitenkommunikation, Radar, Sonar und anderem Militärgerät«, heißt es in dem Newsletter weiter.
USA sind abhängig von Importen
In welchem Ausmaß ist die US-Wirtschaft abhängig von Seltenen Erden aus China, und wie sehr gilt das insbesondere für die Rüstungsindustrie? Die Antwort lautet: zu nahezu 100 Prozent. Die amerikanische Behörde US Geological Survey (USGS) schrieb im Dezember 2017 in einem Bericht, dass über 90 Prozent der weltweiten Lieferungen an Seltenen Erden aus China stammten. Das ist der Fall, seit Peking in den späten 1990er-Jahren die Förderung dieser Erze zur Priorität erklärte.
Zu den Seltenen Erden zählen gemeinhin 15 Elemente, die im Periodensystem zwischen Lanthan (Nummer 57) und Lutetium (71) liegen und als »Lanthanoide« bezeichnet werden. Manchmal wird auch Yttrium zu den Seltenen Erden gezählt. In den stärksten uns bekannten Magneten, den Modellen mit Neodym-Eisen-Bor-Legierung, kommen Seltene Erden zur Anwendung, ebenso als Katalysatoren bei der Petroleumraffinerie.
Die USGS schätzt, dass Chinas Reserven an Seltenen Erden sich auf 55 Millionen Tonnen belaufen und der Großteil davon in der Inneren Mongolei zu finden ist. Die weltweiten Reserven betragen denselben Schätzungen zufolge 130 Millionen Tonnen, hinter China rangieren Brasilien, Australien und Indien.
Der Untergang der Seltenen Erden in den USA
Erstaunlich an dieser Geschichte ist, dass die Vereinigten Staaten früher selbst führend bei der Förderung Seltener Erden waren. Bis 1995 waren die USA Weltmarktführer als Hersteller verarbeiteter Seltener Erden. Laut USGS belaufen sich die Reserven der USA auf 13 Millionen Tonnen, die Vorkommen sind vor allem in Kalifornien, Alaska, Wyoming und Texas zu finden.
Niedergang der Förderstandorte
Größter Förderstandort war die Mountain Pass Mine in der Mojave-Wüste in Kalifornien. Die Mine gehörte anfangs Union Oil und später Chevron. 2002 musste Mountain Pass wegen Umweltverschmutzung geschlossen werden, 2010 eröffnete sie erneut, als China gegen Japan ein Embargo für den Verkauf Seltener Erden verhängt hatte und die Preise daraufhin explodierten. Das japanische Unternehmen Sumitomo beteiligte sich an der Modernisierung von Mountain Pass – und 2014 produzierte die Mine wieder 4700 Tonnen Seltene Erden, aber als China Ende desselben Jahres das Exportverbot wieder aufhob und sich die Engpässe auf dem Weltmarkt auflösten, rauschten die Preise auch wieder in den Keller. Molycorp Minerals, inzwischen Eigner von Mountain Pass, musste 2015 Gläubigerschutz beantragen.
Es würde hier den Platz sprengen, wollte man den Untergang der amerikanischen Industrie für die Förderung und Verarbeitung von Seltenen Erden ausführlicher beleuchten und sich ansehen, wie China innerhalb von nur einem Vierteljahrhundert zum unangefochtenen Weltmarktführer aufstieg.
Ein zentraler Faktor dabei war der Verkauf des Unternehmens Magnequench von GM. Magnequench hatte ebenfalls eine wichtige Rolle auf dem amerikanischen Markt für Seltene Erden gespielt, wurde 2000 aber an eine Investorengruppe um Archibald Cox Junior verkauft. Wie sich herausstellte, standen dahinter chinesische Geldgeber. Diese schlossen sämtliche amerikanischen Einrichtungen des Unternehmens und ließen die Geräte nach China schaffen. Unter Präsident Bill Clinton wurde 1998 erstaunlicherweise beschlossen, dass das Pentagon die kompletten strategischen Reserven des Landes an Seltenen Erden abstoßen solle. Im selben Jahr schloss Rhodia Incorporated als letzter noch verbliebener amerikanischer Produzent Seltener Erden sein Werk in Texas und eröffnete ein neues in der Mongolei. »Amerikanische Bergbauunternehmen holen bei der Förderung anderer Metalle ausreichend Seltene Erden aus dem Boden, um theoretisch 85 Prozent des globalen Bedarfs zu decken. Das Geförderte wird jedoch entsorgt, da der Abbau aufgrund der bestehenden Vorschriften nicht wirtschaftlich ist«, schreibt Defense One.
Warnung des GAO
Unter Präsident Barack Obama veröffentlichte der Rechnungshof des Kongresses (GAO) 2016 einen Bericht zu Seltenen Erden. Darin heißt es: »Seltene Erden sind von essenzieller Bedeutung für die Herstellung, den Erhalt und den Betrieb amerikanischen Militärgeräts. Unabhängig vom Gesamtzustand der Nachfrage im Verteidigungsbereich ist ein verlässlicher Zugang zum erforderlichen Material eine fundamentale Anforderung des Verteidigungsministeriums.« Obamas Verteidigungsminister Ashton Carter ergriff jedoch keine Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schwachstelle.
Strategische Eskalation
Als eine seiner ersten Amtshandlungen unterzeichnete Präsident Donald Trump eine Exekutivorder, in der eine umfassende, behördenübergreifende Prüfung in Auftrag gegeben wurde. Ihr Thema: Der Zustand der für die Landesverteidigung notwendigen Industriezweige. Ellen Lord, Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, sagte kurz vor Veröffentlichung des Berichts im vergangenen Dezember, man habe sich ausführlicher angesehen, wie abhängig sich die amerikanische Rüstungsindustrie bei zentralen Mineralien von China gemacht habe. Die Ergebnisse waren »ziemlich alarmierend … wir sind in erstaunlich hohem Maß von China abhängig. Sie sind unsere einzige Quelle für Seltene Erden … Das ist mit Blick auf die Zukunft ein Problem für uns.« Das Schwierige daran ist, dass es Jahre dauert, moderne Bergbauanlagen und Werke zur Verarbeitung Seltener Erden aufzubauen – ganz zu schweigen davon, dass überhaupt erst einmal geeignete Fachleute gefunden werden müssen. Sofern das Pentagon nicht still und heimlich Seltene Erden gebunkert hat, würde ein chinesisches Ausfuhrverbot für Seltene Erden eine gewaltige strategische Eskalation bedeuten. Allerdings wären auch die Konsequenzen für China enorm und die Dinge könnten rasch aus dem Ruder laufen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Embargo für Seltene Erden weiterhin nur eine unausgesprochene Drohung Chinas. Um des Weltfriedens willen kann man nur hoffen, dass es so bleibt.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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Dienstag, 18.06.2019