Torsten Groß
Kampf gegen Rechtsextremismus: Schlapphüte nehmen »Neue Rechte« ins Visier
Vor wenigen Tagen hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Rahmen einer ausführlichen Pressekonferenz seine Pläne zur Neuorganisation der ihm unterstellten Sicherheitsbehörden vorgestellt. Mit von der Partie: Thomas Haldenwang (CDU), Chef des Bundesverfassungsschutzes sowie der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, früher Polizeipräsident im SPD-regierten Bremen. Jeweils 300 Stellen sollen in beiden Behörden neu entstehen, um die Bekämpfung des Rechtsextremismus nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke und dem antisemitischen Anschlag von Halle gezielt weiter zu forcieren. Für das BKA waren schon zuvor 500 Extra-Mitarbeiter genehmigt worden, die zum Teil ebenfalls im »Phänomenbereich Rechts« eingesetzt werden.
Aber nicht nur personell, sondern auch qualitativ soll im »Kampf gegen Rechts« eine neue Eskalationsstufe gezündet werden. Das machten vor allem die Äußerungen von Thomas Haldenwang deutlich, seit November 2018 oberster Verfassungsschützer in Deutschland und Amtsnachfolger des geschassten Hans-Georg Maaßen. Geplant ist nicht nur, den Mitarbeiterbestand aufzustocken und die Behörde breiter aufzustellen, auch die Beobachtung der rechten Szene soll ausgeweitet werden. In der Vergangenheit hätten sich die Sicherheitsbehörden auf den gewaltorientierten Rechtsextremismus fokussiert, zukünftig will man einen »ganzheitlichen Ansatz« verfolgen, der neben der »Alten Rechten« auch die sogenannte »Neue Rechte« einbezieht, die man »deutlich intensiver in den Blick« nehmen werde. Denn die »Neue Rechte« sei der »geistige Nährboden für alles, was sich im rechten Bereich abspielt«, referierte Haldenwang. Beispielhaft nannte Deutschlands oberster Verfassungsschützer die von seiner Behörde als rechtsextremistisch eingestufte »Identitäre Bewegung«, aber auch die Verdachtsfälle »Junge Alternative« sowie der »Flügel« der AfD.
Der Begriff »Neue Rechte« wurde bereits in den 1960er-Jahren von jungen NPD-Mitgliedern geprägt, um sich von den Alt-Nazis in der eigenen Partei abzugrenzen. Später ist der Terminus von linken Sozialwissenschaftlern und Politologen übernommen worden, um Neonazis und rechte Intellektuelle in einen Topf werfen zu können, gerne versehen mit dem griffigeren Etikett »Rechtspopulismus«. Wenn Haldenwang nun den schillernden, inhaltlich schwammigen Begriff »Neue Rechte« anführt, dann lässt das befürchten, dass künftig noch ganz andere Vereinigungen, Organisationen und Medien ins Fadenkreuz des staatlichen Sicherheitsapparates geraten könnten, weil ihnen unterstellt wird, sie seien geistige Wegbereiter rechter Extremisten oder gar Terroristen.
Auch sachlich vorgetragene Kritik etwa an der »liberalen« Asyl- und Ausländerpolitik der Bundesregierung drohte so mit behördlichem Segen kriminalisiert zu werden. Denn solche Kritik könnte rechten Gewalttätern ja als Vorwand dienen, ausländerfeindliche Straftaten zu begehen oder Flüchtlingsheime abzufackeln. Dieses in der linken Szene verbreitete Narrativ, das auch von der linksradikalen Antifa gerne gepflegt wird, um ihre Gewalt gegen politisch andersdenkende Demokraten zu rechtfertigen, scheint nun auch Eingang in die Arbeit der Sicherheitsbehörden im viel beschworenen »Kampf gegen Rechts« zu finden.
Dazu passt es, wenn Haldenwang die »Stärkung der wissenschaftlichen Expertise« seiner Behörde ankündigt. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen eng mit operativen Erkenntnissen »verzahnt« werden. Im O-Ton führte der Verfassungsschutzchef dazu weiter wie folgt aus:
»… gerade auch wenn es um die Ideologien geht, wenn es um die Analyse geht, wie wirkt sich dieses Thema Fremdenfeindlichkeit, wie wirkt sich das Thema Antisemitismus auf die Szene aus.«
Übersetzt heißt das: Man will künftig verstärkt auf die Forschungsergebnisse der hierzulande stark linkslastigen Politik- und Sozialwissenschaften zurückgreifen um beurteilen zu können, welchen Einfluss der im rechtsintellektuellen Milieu geführte Diskurs etwa zu Fragen der Ausländerpolitik auf die Gewaltbereitschaft von Neonazis und anderen Rechtsextremisten hat.
Sollte der Verfassungsschutzschutz dieselben »Experten« und ihre Auffassungen zu Rate ziehen, die uns in schöner Regelmäßigkeit von den Mainstream-Medien präsentiert werden, dann kann man sich unschwer vorstellen, welche Ergebnisse dabei herauskommen werden.
Der Kreis der als »ideologische Brandstifter« stigmatisierten und in der Folge auch im Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisationen, Presseorgane und Einzelpersonen könnte in Zukunft deutlich größer werden.
Für die Meinungs- und Geistesfreiheit in Deutschland verheißen die jüngsten Ankündigungen von Seehofer und seinen Spitzenbeamten jedenfalls nichts Gutes!
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Montag, 23.12.2019