Torsten Groß

Südafrika: Unruhen und Plünderungen wegen Corona-Lockdown

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In einem Bericht warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davor, dass in Afrika bis zu 3,3 Millionen Menschen am Coronavirus sterben könnten, sollte sich der Kontinent zum neuen Epizentrum auf dem Globus entwickeln. Aktuell werden aus Afrika mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern knapp 14.800 bestätigte Infektionsfälle gemeldet. 1.000 Menschen sollen an der Erkrankung verstorben sein. Allerdings dürften diese offiziellen Angaben nicht die tatsächliche Lage widerspiegeln, weil es vor allem in ärmeren Ländern an den erforderlichen Testkapazitäten fehlt, um das Ausmaß der Durchseuchung festzustellen. Davon unabhängig geht die WHO in nächster Zeit von einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen aus. Die UNO befürchtet sogar, dass sich fast alle Menschen in Afrika mit dem Virus infizieren könnten, sollten nicht strenge Maßnahmen ergriffen werden, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen.

In Südafrika, der stärksten Volkswirtschaft des Kontinents, hat die Regierung deshalb am 27. März eine der weltweit schärfsten Ausgangssperren verhängt, um die zuvor hohe Zahl an Neuinfektionen zu senken. Der zunächst auf drei Wochen befristete Lockdown wurde kürzlich um weitere 14 Tage verlängert. Gleichzeitig hat die Regierung die Landesgrenzen geschlossen und den Passagierflugverkehr eingestellt. Der Bevölkerung ist es untersagt, Waren einzukaufen, die nicht zum Überleben benötigt werden. Dazu rechnen auch Alkohol und Zigaretten.

Der wirtschaftliche Stillstand trifft besonders die armen Menschen in den Townships hart, die kaum über finanzielle Rücklagen verfügen. Sie geraten durch die Schutzmaßnahmen der Behörden in der Coronakrise stark unter Druck. Ihre Nahrungsmittelvorräte sind aufgebraucht und können auch nicht wieder aufgefüllt werden, weil die in den Armenvierteln lebenden Arbeitnehmer zumeist in der Schattenwirtschaft tätig sind und wegen des Shutdowns nun keinen Lohn mehr erhalten. In einigen Städten Südafrikas ist es deshalb bereits zu Ausschreitungen und Plünderungen gekommen. In sozialen Netzwerken kursieren Videoclips, die zeigen, wie Supermärkte von aufgebrachten Menschen gestürmt und ganze Einkaufswagen mit unbezahlter Ware weggekarrt werden.

Angesichts der immer schwierigen werdenden Situation hat Joanie Fredericks, Gemeindevorsteherin des vor allem von Farbigen bewohnten Townships Mitchells Plain in Kapstadt, einen dramatischen Appell an Südafrikas Staatspräsidenten Cyril Ramaphosa (ANC) gerichtet.

»Herr Präsident, wir stecken mitten in einer Nahrungskrise. Es ist Krieg hier. Die Leute sind in Lebensmittelgeschäfte eingebrochen. Sie haben andere Menschen angegriffen. Der simple Grund für dieses Verhalten ist, dass sie Hunger haben.«

Die Zahl der Menschen, die Lebensmittelspenden einer von Fredericks und anderen Mitstreitern ins Leben gerufenen Freiwilligeninitiative erhalten, wächst von Tag zu Tag.

»Als wir begannen, die Bevölkerung mit Essen zu versorgen, fingen wir bei den besonders gefährdeten Personen an – Kindern, Behinderten und Rentnern.« Doch mittlerweile sei man dazu nicht mehr in der Lage und müsse die Menschen wegschicken, so Fredericks in ihrer emotionalen Botschaft an den Präsidenten.

Aus verschiedenen Teilen des Landes sind gewalttätige Auseinandersetzungen im Kampf um Lebensmittelrationen gemeldet worden, die von den Behörden an die Bevölkerung verteilt werden. Am Dienstag vergangener Woche beteiligten sich Hunderte wütender Bürger in Mitchells Plain an Straßenschlachten mit der Polizei, weil Hilfspakete nicht eingetroffen waren. Es wurden Barrikaden errichtet, Autoreifen angezündet und Steine auf die herbeigeeilten Sicherheitskräfte geworfen. Die Beamten setzten Gummigeschosse und Tränengas gegen die Demonstranten ein, um die Menge zu zerstreuen. Es spielten sich bürgerkriegsähnliche Szenen in dem Stadtviertel ab, das mit über 300.000 Einwohnern einer der größten Townships Südafrikas ist.

Unruhen infolge der Nahrungsmittelknappheit gab es auch in Johannesburg und Port Elizabeth. Experten befürchten, dass es in nächster Zeit zu neuerlichen Gewaltausbrüchen kommen wird und warnen vor einer Eskalation der Krawalle.

»Wenn die Menschen keine Lebensmittelpakete erhalten oder hören, dass andere Menschen diese Pakete bekommen, reagieren sie. Und ich denke nicht, dass sich die Lage beruhigen wird, wenn es nicht gelingt, die Menschen in armen Regionen schneller mit Nahrungsmitteln zu versorgen«, erläutert Julian May, Direktor des Kompetenzzentrums für Ernährungssicherheit an der University of Western Cape, die Situation.

Nach Meinung von May wirft die Corona-Krise ein Schlaglicht auf die soziale Spaltung im Land, die jetzt immer deutlicher zum Vorschein kommt.

»Es gibt einen Haufen Leute bei uns, die sitzen zu Hause und werden fett, und es gibt einen Haufen Leute, die gar nichts haben«, so Julian May.

Im internationalen Vergleich ist die soziale Ungleichheit in Südafrika besonders stark ausgeprägt. Das ist allerdings keine Spätfolge der vor mehr als einem Vierteljahrhundert abgeschafften Apartheid, wie uns linke Medienschaffende auch in Deutschland weismachen wollen, sondern der Politik des nach wie vor dominanten ANC geschuldet, der Südafrika seit 1994 in einem Bündnis mit der kommunistischen Partei (SACP) und dem linken Gewerkschaftsdachverband COSATU regiert. Es ist diese sozialistische Regierung, die das wirtschaftlich einst blühende Land am Kap zugrunde richtet, u. a. durch die entschädigungslose Enteignung und die Vertreibung weißer Farmer.

In einer Studie der nationalen Statistikbehörde wurde schon 2017 und damit lange vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie darauf hingewiesen, dass 20 Prozent der Haushalte in Südafrika mit seinen 57 Millionen Einwohnern keinen ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln haben. Der wirtschaftliche Stillstand und seine Folgen für die unteren Gesellschaftsschichten könnten jetzt zur Bruchstelle für den sozialen Frieden im Land werden.

»Die Situation ist sehr, sehr gefährlich«, warnt auch Scott Drimie, Direktor des Thinktanks Southern Africa Food Lab. Die Warnung kommt nicht von ungefähr. Denn Südafrika blickt auf eine lange Tradition sozialer Protestaktionen im Kampf um menschliche Grundbedürfnisse wie die Wasserversorgung und bezahlbaren Wohnraum zurück. »Tritt in dieser Situation nun der Hunger hinzu, dann entsteht Existenznot. Und dann will man die Maßnahmen auch noch mit Hilfe von Armee und Polizei durchsetzen, die mit großer Vorsicht zum Einsatz kommen sollten«, mahnt Drimie.

Das südafrikanische Institute for Poverty, Land and Agrarian Studies (PLAAS) teilt diese Auffassung. Sollten die Menschen keine Lebensmittel bekommen, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gewaltsamen Konflikten kommen, was Plünderungen in weiten Teilen des Landes einschließe, so das PLAAS.

954300_greilich_ratgeber_freie_waffenLindiwe Zulu, Ministerin für Soziale Entwicklung, hat mittlerweile zugesagt, die Lebensmittellieferungen für die notleidende Bevölkerung deutlich auszuweiten, nachdem in der ersten Aprilwoche gerade einmal 48.0000 Hilfspakete verteilt worden waren. Die Regierung hat 43 Millionen Rand (ca. 2,1 Millionen Euro) als Sofortmaßnahme bereitgestellt, um die Versorgung der sozial Schwächsten zu verbessern. Es werde allerdings noch sehr viel mehr Geld nötig sein, räumt Zulu ein. Man wolle das bereits bestehende soziale Netz, das schon jetzt das umfangreichste auf dem afrikanischen Kontinent ist, weiter ausbauen, weil man wisse, dass der Bedarf an staatlicher Unterstützung in der Corona-Krise zunehmen werde.

Man kann sich unschwer vorstellen, welche soziale Katastrophe den meisten anderen Ländern des schwarzen Kontinents infolge der Pandemie droht, die längst nicht über die wirtschaftliche Potenz Südafrikas verfügen und deshalb sehr viel weniger Hilfe für ihre Bevölkerungen leisten können, um die Folgen von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Virusseuche abzufedern. Die Alternative wäre ein Verzicht auf solche Maßnahmen, was wohl ein Massensterben in Afrika und damit ein humanitäres Desaster nach sich ziehen würde.

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Mittwoch, 22.04.2020