Helmut Roewer
In den Schluchten des Internets: Erzähle mir, was du liest, und ich sage dir, was du weißt
Im folgenden Beitrag mache ich einen kurzen Ausflug in das Internet und nehme den Leser zu einigen Blogs mit, die ich derzeit periodisch nutze. Ich vermute, dass ich hier Quellen benenne, die nicht in jedermanns Blick liegen. Es handelt sich lediglich um den Ausschnitt aus einer Momentaufnahme.
Wenn man die Lügen satt hat und Mainstream nicht mehr erträgt – Informationen ja, aber woher?
Wir sind Zeitgenossen des Zeitungssterbens. Gewiss, um vieles, was gedruckt wird, ist es nicht sonderlich schade. Wir haben im Ohr, dass dieses Sterben unausweichlich sei, weil das Gedruckte mit dem Internet nicht konkurrieren könne. Als unverwüstlicher Liebhaber von Gedrucktem bezweifle ich das. Meine Gegenthese lautet: Hauptgrund für das Zeitungssterben ist der Unwille der Leser von offensichtlichen, ideologisch gepolten Idioten behelligt zu werden und hierfür auch noch Geld zahlen zu sollen. So nimmt denn das Zeitungssterben seinen Lauf. Das Abo-Publikum, das sich noch hält, ist vermutlich nur noch durch die Todesanzeigen bei der Stange zu halten – solange, bis die Abonnenten dann selbst im Annoncenteil namentlich Erwähnung finden.
Aus ebendenselben Gründen vermeide ich es auch, bei den von den Mainstreammedien mittlerweile im Übermaß angebotenen Internetportalen zu Gast zu sein. Lange Rede, kurzer Sinn, ich lese für den täglichen Bedarf eine Reihe von Ersatzquellen. Es sind ungezählt viele in unterschiedlicher Qualität mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Einige davon will ich im Folgenden kurz darstellen. Es handelt sich um ein buntes Gemisch. Die Reihenfolge ist willkürlich.
Wolfgang Prabel, der Doktor-Ingenieur aus Mechelroda/Kreis Weimarer Land, beackert ein breites Spektrum aus Politik (Lokales bis Europa), Wirtschaftliches, Landwirtschaftliches, Historisches und Kulturelles in meist kurzgefassten Beiträgen. Mein besonderes Interesse gilt indessen seinen langgestreckten Analysen zu Geistesströmungen und politischen Moden. So über die Fortsetzung des NS-Radikalismus bei den Achtundsechzigern und, diese krönend, bei den Grünen. Darüber habe ich auch an anderem Ort manches gelesen. Bei Prabel ist der Ansatz tiefer. Er beginnt in der Jugendbewegung, den Naturfreunden, den Bündischen des beginnenden 20. Jahrhunderts mit ihren Lebensregeln, ihrem Ernährungsradikalismus, ihrem Besserwisserwahn und ihren Hinketänzen – all jener Krimskrams, aus dem laut Prabel der Autodidakt und spätere Führer seine Versatzstücke entnahm und schließlich weitervererbte. Das ist originell, man wird darüber streiten dürfen.
Damit ich nicht missverstanden werde: Das Vorgenannte ist lediglich eine Facette im Blog. Im Übrigen findet man dort Wirtschaftsanalysen, die aus den Zahlen amtlicher Veröffentlichungen zusammengestellt sind und mit den offiziellen Maßnahmen der Regierung verglichen werden. Dass diese dabei wenig gut wegkommt, will ich lediglich der Vollständigkeit halber erwähnen.
Der besondere Charme der Prabel-Texte ergibt sich aus den Vergleichen von Stadt und Land sowie dem Aufzeigen der Diskrepanz von ideologischer Vorgabe aus Wolkenkuckucksheim und demjenigen, was davon vor Ort ankommt und dort notwendig getan wird.
Beispiel: Verabschiedung und Konsequenzen der neuen Düngemittelverordnung. Was ist gewollt? Was wird bei den landwirtschaftlichen Betrieben geschehen, und wie wirkt sich das auf die Lebensmittelversorgung in Deutschland aus? Das sollte zumindest gelesen haben, wer nicht daran glaubt, dass das tägliche Brot vom Himmel fällt, sondern von der Getreideernte abhängig ist, und wer dann bei plötzlicher Grenzschließung die Luft anhält.
Wie gesagt, Prabels Angebot ist ziemlich breit gefächert. Der theoriefrohe Leser muss damit rechnen, dass er mit den jahrelangen Erfahrungen des Autors als Bürgermeister seines Dorfes konfrontiert wird. Er weiß, was ein Kubikmeter Abwasser kostet, was ein Kilometer Fahrweg zur täglichen Arbeit, was das Verbot von Ölheizungen bewirkt, wo es weit und breit keinen Gasanschluss gibt – und was die Leute so reden.
Prabel ist auch Buchautor. Auf sein einschlägiges Tun werde ich in einem folgenden Beitrag gesondert eingehen.
Egon W. Kreutzer: Kommentare zum Zeitgeschehen
Ich will hier mit einem Bonmot beginnen, das man einige Tage an der Spitze des Blogs lesen konnte: »Schwer zu beantwortende Frage: Wird es ein Leben nach Corona geben? Für die Überlebenden ganz bestimmt. Für die anderen geht es eher um die Frage nach dem Leben nach dem Tode.« Das mag illustrieren, welch Geistes Kind hier schreibt.
Ich wurde auf Kreutzer aufmerksam, weil er etwas publizierte, was, in meinen Worten, eine sehr eigenwillige volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist. Bei diesem Vorhaben ist er bis zum heutigen Tage geblieben.
Doch keine Angst vor akademischen Kunststückchen in geschwollenen mathematischen Formeln. Um Kreutzer zu verstehen, sollte man die Grundrechenarten beherrschen und auch dem Dreisatz nicht fremdelnd gegenüberstehen. Zu seinen Paradestücken zähle ich die Auswertung von Firmen- und Pressemitteilungen über Pleiten und den sonstigen Abbau von Arbeitsplätzen. Diese Daten werden auf dem Blog fortgeschrieben. Man sollte sie konsultieren, bevor man sich von den Helden aus Politik und Autowirtschaft hinters Licht führen lässt, warum und wie in diesem einstigen Vorzeige-Industriezweig die Beschäftigtenzahlen einbrechen. Achtung, mit Corona hat dies nichts zu tun.
Mit dem Diesel-, Abgas- und Feinstaubwahn allerdings. Bemerkenswert: Auch der gerade erwähnte Blog von Wolfgang Prabel kommt mit seiner Art der Datenerhebung zu fast gleichen Ergebnissen. Also: Den ADAC sollte man besser nicht befragen.
Auf Kreutzers Blog findet sich noch ein zweites zentrales Thema, das der Demokratie. Die Diagnosen des Autors über Funktionsweise und weitere Aussichten sind vernichtend. Mit Blöden kann man halt keinen Staat machen. Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Das Erstaunliche bei solcherart Diagnosen ist, dass Kreutzer offenbar an die Güte der demokratischen Staatsform glaubt und sich bemüht, Vorschläge für ihre Verbesserung zu präsentieren.
Auf Kreutzer als Buchautor werde ich noch einmal gesondert zu sprechen kommen, denn auch das lohnt.
Stephan Paetow: Spaet-Nachrichten. Die etwas andere Tagesschau
Der Journalist Stephan Paetow bevorzugt auf diesem Blog politische Tagesnotizen, die er abends ins Netz stellt. Sie changieren zwischen griffiger Information zum Geschehen in leicht zu erfassender Kürze, gepaart mit beißendem Kommentar in einer von Paetow meisterlich beherrschten Sprache. Er führt schonungslose Angriffe auf Politlügner und deren gestanztes Gequatsche. Seine Quellen sind die Mainstreammedien. Das Überfliegen der Paetow-Tagesseite erspart dem Leser mit knappen Zeitbudget stundenlangen Mainstreamkonsum und hat zugleich den Vorteil, dass man den Blog nach wenigen Minuten informiert und amüsiert wieder schließt.
Daneben ist Paetow auch auf anderen Blogs unterwegs, so bei Tichy, was ich zu kommentieren auf ein anderes Mal verschiebe.
Hadmut Danisch: Ansichten eines Informatikers
Der diplomierte Informatiker Hadmut (sic!) Danisch stellt täglich Beiträge von stark unterschiedlicher Länge, Dichte und Zielrichtung ins Netz. Seine Themenschwerpunkte sind politische Aktualia sowie persönliche Erlebnisse einschließlich seines Medienkonsums, die er auf ideologische Zusammenhänge und mafiose Strukturen untersucht. Lieblingsfeinde sind Genderismus, Feminismus, Geisteswissenschaften und Mainstreammedien-Lügen. Danisch spielt mit seiner offenbar großen Lesergemeinde eine Art Pingpong, indem er Behauptungen aufstellt und auf Reaktionen wartet, die er sodann wieder in kommentierter Form ins Netz stellt. Ob sich hinter den Kommentaren reale Leser verbergen, vermag ich nicht zu beurteilen.
Spezialinformationen kann der Leser, der sich für allgemeinverständlich formulierte Ausführungen zu Datenverarbeitung und Datensicherheit interessiert, den immer wieder eingestreuten Beiträgen zu dieser Thematik entnehmen. Sie entstammen seinem Berufsfeld und zudem offenbar einem Urerlebnis des Autors, seine eigene Doktorarbeit betreffend. Sie wurde in einer Zeit formuliert, als solche Gebiete noch das Wildwest des digitalen Zeitalters waren. Diese Dissertation wurde, wenn ich es richtig deute, im Sumpf von Hochschulintrigen und juristischem Klimbim zerstört. Hierher jedenfalls rührt, allgemein gesprochen, der Spürsinn des Autors für Koalitionen der Inkompetenz. Was er auf dem Gebiet unnachsichtig zu Tage fördert, ist lesenswert.
Wer zudem technische Tipps für digitale Fotografie sucht und Spaß an erstaunlich guten Fotografien hat, kommt bei Danischs Blog mit etwas Geduld ebenfalls zu erstaunlichen Funden.
Roger Letsch: Unbesorgt. Institut für Meinungsvielfalt und politischen Exorzismus
Hinter der kuriosen Titelschlagworten verbirgt sich eine eigenwillige Kommentarplattform. Die Beiträge des Autors sind in aller Regel von mittlerer Länge. Die Themen drehen sich politischen Grundsatzthemen wie Energiepolitik, Zuwanderung, Klima, Corona, linke Lebenslügen, Israel. Ich erwähne dieses letztgenannte Thema hier, weil es im Themenkanon von Letsch eher wie ein Fremdkörper aussieht, eine Art Bekenntnisschrift innerhalb von nüchtern formulierten Aufsätzen mit hohem Informationswert. Mir ist klar, dass dieses Ceterum censeo Stirnrunzeln in den Kleingärten der deutschen Alternativmedialen hervorrufen wird. Insofern ist Letsch eine gute Quelle für die Frage, wie man das Thema Israel auch sehen und beschreiben kann – in einer Welt, die nach meinem bescheidenen Eindruck rechts- und links-außen israelfeindlich ist, während in der breiten Mitte die Gleichgültigkeit zu Hause ist.
Michael Klonovsky: Acta diurna
Der Blog des Journalisten Michael Klonovsky ist eine Art Tagebuch, in welchem mit Schwerpunkt Medien-Ereignisse gespiegelt werden. Das bedeutet, ausgehend von einer bestimmten Berichterstattung in den Mainstreammedien wird der Weg zum Ursprungsereignis gesucht. Hierbei ist offenbar eine breite Leserschaft behilflich, deren Mitgliedern die Medienlügen ebenso auf die Nerven gehen wie dem Autor des Tagebuchs.
Der Ausdruck Tagebuch ist insoweit leicht irreführend, als die Beiträge zwar chronologisch geordnet sind, aber sie erscheinen weder Tag für Tag, noch sind sie datumsgenau. Vielmehr ist es so, dass ein Ereignis häufig in eine Art Essay einmündet, in das Klonovsky seine Leser hineinkomplementiert. Nicht jedem liegt solches Argumentieren von Hölzchen auf Stöckchen. Und noch ’n Beispiel und noch eines. Das wäre vielleicht eher was für eine Symphonie des Untergangs.
Der Autor versteht sich, so wie ich ihn deute, als Flaneur durch die Exponate der Ruinenbaumeister (pardon, dass ich hier einmal Herbert Rosendorfer dreist zitiere), denn damit sind wir bei einer weiteren Eigenart angelangt: Klonovskys extensivem Gebrauch von Fremdzitaten. Gut, man ist belesen, den Bildungsbürger freut das.
Neben der wirklichen Freude am Originellen und der unterhaltsamen Sottise regt die Klonovsky-Lektüre auch zum Ärger an (ob das beabsichtigt ist, weiß ich nicht) – so bei mir beispielsweise die parteinehmende Berichterstattung über AfD-Interna, die ich ermüdend finde. Sie wirkt zudem leicht peinlich bei einem Autor, der genau aus dieser Partei ein Gehalt empfängt.
Etwas weniger Fett aufs Butterbrot geschmiert, würde besser schmecken. Nur so ’n Tipp von mir. Und auch gern die alte Preußenweisheit: Man feuert nicht auf die eigenen Grenadiere, wenn man siegreich fechten will. Nichts für ungut.
Bernd Zeller: Tageschauderblogger
Über Bernd Zeller habe ich schon mehrfach berichtet. Er erscheint mir irgendwie wie ein publizistisches Chamäleon. Nicht in seinen Ansichten, bewahre, aber in der Art und Weise, wie er seine Botschaften an den Mann bringt. Neben der Zellerzeitung (satirische Blog-Zeitung und aus meiner Sicht sein Flaggschiff), dem Senioren-Akrützel (regionale Papierausgabe), dem Jenaer Stadtzeichner (gezeichnete Einzelblätter), dem Senior-Influenzer (Youtube-Kurzkommentare) ist es dieser Tag-für-Tag-Blog mit dem ironischen Namen Tagesschauder. Hier wird einem aktuellen Ereignis oder einem Trend auf den Grund gegangen. Im Zentrum steht die Analyse. Sie ist in aller Regel kurz, unfreundlich und zutreffend. Von der sonst bei Zeller geübten Form von Distanz, Verfremdung und Satire keine Spur. Der Tagesschauder erscheint täglich gegen 11 Uhr am Vormittag.
Sina Lorenz (Ps.): Willkommen in Dunkeldeutschland
Die Bloggerin mit dem Pseudonym Sina Lorenz stellte einige Zeit lang Kommentare ins Netz, deren boshafte Klarsicht bemerkenswert war. Sie wurden nicht fortgeführt. Übrig geblieben ist die am Sonntagabend erscheinende wöchentliche Übersicht über Demos und sonstige Veranstaltungen in Deutschland, die für Mainstream unerquicklich sind und deswegen, wo es geht, niemals erwähnt werden.
Daneben ist eine Fundstellenübersicht über Publikationen in zahlreichen alternativen Medien abrufbar, die man, je nach Bedarf, überfliegen oder anklicken kann. Sie sind tagesgenau und geben einen Überblick über einen Teil der alternativen Medien und was in ihnen publiziert wird.
Zur Einschätzung der Autorin mag hilfreich sein, wie sie ihr Kontaktformular eingeleitet hat:
»Hass-Mails, von vornherein zum Scheitern verurteilte Flirtversuche oder Werbung für Penisprothesen können über nachfolgendes Formular eingereicht werden«.
Ich gestehe, wenn auch nur zögernd, dass ich bislang an solche Adressen nicht gedacht hatte. Was hat mich bloß gehindert?
Zum Schluss eine Zwischenbilanz
Die in diesem Beitrag erwähnten sieben Blogs sind nur ein schmaler Ausschnitt der Wirklichkeit inmitten der digitalen Scheinwirklichkeit. Ich nutze diese Blogs hier und da, und meine Absicht ist es, den einen oder andern anzuregen, es da und dort auch mal zu versuchen. Meine von mir gefürchteten, militant aufmerksamen Buch-Leser wissen, dass ich eine Menge anderer Blogs ebenso (be)nutze, wie … und und und … Davon auf Wunsch ein andermal mehr.
Bisherige Beiträge von Helmut Roewer:
» USA-Update Mai 2020: Herkulische Worte, minimalistische Taten
» USA-Update Februar 2020: $$$$$ – Dollars aus dem Nichts – $$$$$
Bestellinformationen:
» T. Petrowski: Sicherheit und Anonymität im Internet, 254 Seiten, 19,99 Euro – hier bestellen!
» Egon W. Kreutzer: Wo bleibt die Revolution, 248 Seiten, 18,80 Euro – hier bestellen!
» Michael Klonovsky: Der fehlende Hoden des Führers, 240 Seiten, 23,00 Euro – hier bestellen!
» Helmut Roewer: Spygate, 176 Seiten, 19,99 Euro – hier bestellen!
Mittwoch, 27.05.2020