Torsten Groß

Sekundärmigration: Anerkannte Flüchtlinge wandern nach Deutschland weiter

dpa222738515_migranten_griechenland

Die Welt am Sonntag berichtet heute, dass Monat für Monat 1.000 in Griechenland als schutzberechtigt anerkannte Flüchtlinge nach Deutschland weitereisen, um hier erneut einen Asylantrag zu stellen. Sekundärmigration nennt man dieses schon seit Jahren bekannte Phänomen. Und obwohl ein Flüchtling nach den Bestimmungen der Dublin III-Verordnung in dem Land verbleiben muss, in dem er erstmals den Boden des sogenannten Schengen-Raums betreten hat, die Wanderung in ein anderes EU-Land also illegal ist, werden nur wenige der Migranten wieder zurückgeschickt.

Von den 7.100 Personen, die laut BAMF 2020 im Rahmen der Sekundärmigration unerlaubt von Griechenland nach Deutschland kamen, wurden gerade einmal VIER (!) dorthin abgeschoben. Oftmals stimmen die griechischen Behörden der amtlich so bezeichneten Rücküberstellung nicht zu. Oder deutsche Gerichte verbieten die Abschiebung, weil die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Griechenland »menschenunwürdig« und damit unzumutbar seien. Im Januar sorgte eine entsprechende Entscheidung des OLG Münster für Aufsehen. Experten befürchten aufgrund dieses Urteils einen »Pull Effekt«, weil es noch mehr in Griechenland gestrandete Asylberechtigte veranlassen könnte, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen.

Alexander Throm, CDU-Bundestagsabgeordneter und Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss, mutmaßt:

»Ich befürchte, dass im Verhalten der Griechen eine neue Strategie steckt: Flüchtlinge anerkennen, Mindestversorgung nicht gewährleisten und schnell weiterreisen lassen. Das muss unterbunden werden.«

Richtig erkannt, Herr Throm, dahinter steckt eine Strategie, die übrigens nicht nur von Griechenland, sondern auch von anderen EU-Ländern sowohl in Süd- als auch in Osteuropa verfolgt wird, und das nicht erst seit gestern. Man will die Migranten, egal ob schutzberechtigt oder nicht, rasch wieder loswerden und gestaltet deshalb die Aufenthaltsbedingungen möglichst unkomfortabel, um die ungebetenen Gäste zur Weiterreise in Richtung Mitteleuropa zu animieren, wo sie überwiegend im Schoss des deutschen Sozialstaats Aufnahme finden.

Aus diesem Grund ist auch die in der EU diskutierte Verteilquote für Flüchtlinge, die dem deutschen Publikum von den Mainstream-Medien als Königsweg für die Lösung des Migrationsproblems verkauft wird, in Wahrheit eine Schimäre. Denn es ist absehbar, dass sich Asylsuchende, die im Rahmen eines solchen Mechanismus Mitgliedsstaaten zugeteilt werden, in denen die Lebensbedingungen vergleichsweise schlecht sind – oder die man speziell für diese Personengruppe absichtsvoll so gestaltet –  über die offenen Grenzen Europas auf kurz oder lang nach Deutschland weiterziehen würden. Und es wäre wohl nur eine Frage der Zeit, bis deutsche Gerichte auch in solchen Fällen die Rückführung der Betroffenen in den eigentlich zuständigen EU-Staat unter Hinweis auf die dort herrschenden »menschenunwürdigen Verhältnisse« verböten.

Die migrationspolitische Sprecherin der FDP, Linda Teuteberg, bezeichnet die Sekundärmigration deshalb zutreffend als »Achillesferse des gemeinsamen europäischen Asylsystems«.

Der Vorschlag aus Brüssel, diesem Problem durch eine Vereinheitlichung der Sozialstandards in der Europäischen Union beizukommen, ist verfehlt. Wirtschaftlich schwache Staaten wie die EU-Armenhäuser Rumänien und Bulgarien könnten es sich nämlich gar nicht leisten, Flüchtlingen dieselbe generöse Unterstützung zu gewähren, wie es etwa das reiche Deutschland tut. Umgekehrt ist es nicht möglich, die Leistungen hierzulande auf das EU-Durchschnittsniveau abzusenken.

Denn das Bundesverfassungsgericht hat in einem fragwürdigen Urteil 2012 ein »menschenwürdiges Existenzminimum« für Asylsuchende verbindlich festgeschrieben, dessen Höhe sich natürlich an der deutschen Wirtschaftskraft und damit den finanziellen Möglichkeiten unseres gut gepolsterten Sozialstaats orientiert.

Ärmere Mitgliedsländer können da nicht mithalten, zumal man der eigenen Bevölkerung dieselben Vergünstigungen gewähren müsste, um keine Revolte zu riskieren. Eine Verteilquote für Flüchtlinge in der EU wäre aus deutscher Sicht sogar kontraproduktiv, denn sie würde Armuts- und Wirtschaftsmigranten in aller Welt die grundsätzliche Aufnahmebereitschaft Europas signalisieren.

Es entstünde ein Pull-Effekt, der die illegale Zuwanderung aus Afrika und Asien förderte, die am Ende – auch wegen der Sekundärmigration – größtenteils im dicht besiedelten Deutschland ankommen würde.

Anstatt jahrelang nutzlose politische Debatten über Scheinlösungen zu führen, sollten Deutschland und die EU alles daran setzen, endlich das Kernproblem der Flüchtlings- und Migrationspolitik zu lösen: Die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus Europa in ihre Heimatländer. Doch hier tut sich seit Jahren praktisch nichts, weshalb die Zahl der ausreisepflichtigen Ausländer in Deutschland kontinuierlich wächst. Mittlerweile sind es – laut offiziellen Zahlen – knapp 300 000. Die meisten werden wohl dauerhaft bleiben. Und jeden Tag kommen neue hinzu, auch aus Griechenland!

» Texte vom Autor und viele weitere Nachrichten jetzt auch auf Telegram: KOPP Report.

Bestellinformationen:

» H.-H. Mitterer: Bevölkerungsaustausch in Europa, 205 Seiten, 16,99 Euro – hier bestellen!

» Ralph Knispel: Rechtsstaat am Ende, 240 Seiten, 22,99 Euro – hier bestellen!

Neu eingetroffen: Ausgeklügelte wie hilfreiche Produkte zur Krisenvorsorge

Sonntag, 07.03.2021