Torsten Groß

Angst vor China: EU-Mitgliedsländer sollen Unternehmen verstaatlichen

dpa53097230_china_eu_fahne_flagge

Margrethe Vestager, geschäftsführende EU-Vizepräsidentin und Kommissarin für Wettbewerb, hat die Mitgliedsländer dazu aufgefordert, Anteile von wichtigen nationalen Unternehmen aufzukaufen, um deren Übernahme durch chinesische Staatskonzerne zu verhindern. Der europäische Verordnungsgeber arbeite bereits an Vorschlägen mit dem Ziel, den Nationalstaaten weitreichende Befugnisse einzuräumen, die es ihnen erlauben, gegen den unlauteren Wettbewerb von Firmen aus Nicht-EU-Ländern vorzugehen, die in Europa geschäftlich aktiv sind und mit Staatskapital finanziert werden.

»Wir haben kein Problem damit, dass Staaten erforderlichenfalls als Marktteilnehmer auftreten – wenn sie Anteile an einem Unternehmen abgeben, wenn sie Übernahmen dieser Art verhindern wollen«, erläuterte Vestager das Gesetzesvorhaben gegenüber der Financial Times.

Schneider_Bahnbrechende-Energietechnologien_Inlaycard.inddEuropäische Spitzenunternehmen stehen als potenzielle Übernahmekandidaten schon seit langem im Fokus von Wettbewerbern insbesondere aus der Volksrepublik China. Besonders spektakulär war der Fall des Augsburger Maschinenbauers Kuka, der 2016 mehrheitlich vom chinesischen Haushaltsgeräte- und Klimaanlagenhersteller Midea Group erworben wurde. Kuka ist einer der führenden Anbieter von Robotik in Europa, die als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gilt.

Die Bundesregierung hatte sich intensiv bemüht, die Übernahme von Kuka zu verhindern, um einen Know-how-Transfer nach China zu unterbinden, jedoch vergeblich.

Aufgrund dieser Erfahrung forderte der damalige EU-Kommissar für Digitales, Günther Oettinger, ein gemeinsames europäisches Außenwirtschaftsgesetz. Außerdem müsse geprüft werden, so Oettinger, was sowohl national als auch auf EU-Ebene getan werden könne, um Wertschöpfung und Forschung strategisch wichtiger Wirtschaftsbereiche in Europa zu halten.

EU-Kommissarin Vestager will nun offenbar rasch Nägel mit Köpfen machen, und das aus gutem Grund. Denn die Corona-Krise hat auch Europas Wirtschaft schwer getroffen und die Aktienkurse europäischer Spitzenunternehmen abstürzen lassen. Der Euro Stoxx 50, der sich aus den 50 größten börsennotierten Firmen des Euro-Währungsraums zusammensetzt, ist seit seinem Hoch Mitte Februar um knapp ein Drittel gefallen. Europäische Unternehmen haben sich also stark im Wert verbilligt, was sie anfällig für Übernahmen durch ausländische Investoren macht. Die gegenwärtige Situation unterstreiche deshalb die Notwendigkeit, intensiv an Lösungen zum Schutz europäischer Firmen zu arbeiten.

»Das ist eine unserer wichtigsten Prioritäten«,

erklärte Vestager, die aus Dänemark kommt und der linksliberalen Partei Radikale Venstre (RV) angehört.

Die EU-Kommissarin warnte allerdings vor übereilten Maßnahmen. Es müsse darum gehen, wirksame Vorschriften zu konzipieren, die eine abschreckende Wirkung zum Schutz der heimischen Wirtschaft entfalteten.

»Jedermann ist herzlich willkommen, in Europa Geschäfte zu machen, aber nicht mit Mitteln des unfairen Wettbewerbs«, verdeutlicht Vestager die Haltung der Kommission und reagiert damit auf Forderungen Deutschlands und Frankreichs an die Adresse der EU, unlautere Methoden chinesischer Firmen zu unterbinden, die in Europa aktiv sind. Die von Brüssel geplanten Maßnahmen zielen deshalb auf Unternehmen, die sich im öffentlichen Besitz von Drittstaaten befinden und deshalb dank des Zugriffs auf öffentliche Mittel über finanzielle Möglichkeiten verfügen, die ihnen einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den Wettbewerbern verschaffen. Sie sollen daran gehindert werden, europäische Konkurrenzunternehmen zu überhöhten Preisen aufzukaufen oder sie mit nicht kostendeckenden Dumpingpreisen für ihre Produkte aus dem Markt zu drängen.

Außerdem wird die EU-Kommission befugt sein, von ausländischen Unternehmen mehr Transparenz im Hinblick auf ihre Finanzdaten zu fordern. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll bereits im Juni vorgelegt, dann beraten und schließlich vom EU-Parlament verabschiedet werden. Trotz dieses strammen Zeitplans ist es fraglich, ob die neuen Regelungen rechtzeitig kommen werden, um in der aktuellen Krise den Ausverkauf weiterer europäischer Unternehmen durch die Chinesen und staatlich gelenkte Investoren anderer Länder zu verhindern.

Die Pläne der EU zum Schutz heimischer Unternehmen vor der feindlichen Übernahme durch chinesische Konzerne zeigen einmal mehr, wie es der kommunistischen Führung in Peking mit zweifelhaften Praktiken gelingt, dem Westen die Regeln eines staatsgelenkten Kapitalismus aufzuoktroyieren und so die liberale Marktwirtschaft zu untergraben. Mit enormen Summen subventioniert die chinesische Führung Produzenten in ausgewählten Industriesektoren mit dem Ziel, sie zu globalen Marktführern aufsteigen zu lassen und den Wettbewerb zu Lasten ausländischer Anbieter ausschalten. Dabei schrecken die Kommunisten auch vor der Verletzung von Urheber-, Marken- und Patentrechten nicht zurück.

Einer Schätzung zufolge soll China allein den USA geistiges Eigentum im Wert von 600 Milliarden Dollar gestohlen haben. US-Präsident Donald Trump reagiert auf den chinesischen Wirtschaftsimperialismus mit Schutzzöllen und Protektionismus, um Peking zu fairen Handelsbeziehungen zu zwingen. Auch die Europäer haben die Gefahr erkannt und versuchen, die eigenen Unternehmen vor dem Zugriff durch Chinas Staatskonzerne zu schützen. Die laufende Gesetzesinitiative der EU-Kommission ist ein Teil dieser Bemühungen.

Gleichzeitig wird darüber diskutiert, im Rahmen einer »strategischen Industriepolitik«, wie sie etwa der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier propagiert, europäische Technologie-Unternehmen mit Milliarden an Steuergeldern zu Weltmarktführern hochzurüsten.

Damit würde man den Weg Chinas kopieren, unter Inkaufnahme von Monopolen und Oligopolen, was zu Lasten des Wettbewerbs und damit der Verbraucher ginge. Der Ökonom Markus Krall kritisiert die Vorstellungen von Altmaier denn auch als »planwirtschaftlich« und »sozialistisch«.

Es wird immer offensichtlicher, dass der neue, kommunistisch geprägte Wirtschaftsnationalismus Chinas die Regeln der globalisierten Ökonomie radikal zu verändern droht – und zumindest in der EU starke Kräfte gewillt sind – sich diesen neuen Regeln anzupassen und dafür die eigenen, liberalen Prinzipien über Bord zu werfen.

Bestellinformationen:

» Schneider: Bahnbrechende Energietechnologien, 3 DVDs, 528 Min., 24,99 Euro – hier bestellen!

» T. Petrowski: Sicherheit und Anonymität im Internet, 254 Seiten, 19,99 Euro – hier bestellen!

Freitag, 17.04.2020