Peter Orzechowski
Bald Big Deals in Nordkorea?
Die Gefahr eines Atomkriegs ist gebannt. Trump hat den Weltfrieden gesichert. Man sollte ihm den Friedensnobelpreis verleihen. So oder so ähnlich jubilierte die Weltpresse nach dem Versöhnungsgipfel zwischen Trump und Nordkoreas Kim Jong-un. Aber ging es dem US-Präsidenten wirklich um die Bedrohung durch die nordkoreanische Atombombe? Wenn man sich die Fakten ansieht, ging es – wieder einmal – um etwas ganz anderes: Deals und das Zurückdrängen des großen Konkurrenten China.
Die nördliche Seite der koreanischen Halbinsel ist bekannt für ihr felsiges Gelände. 85 Prozent des Landes bestehen aus Bergen. 200 verschiedene Rohstoffe wie Kohle, Eisenerz, Golderz, Zinkerz, Kupfererz, Kalkstein, Molybdän und Grafit sollen in riesigen Mengen dort auf die Förderung warten. Die zweitgrößten Magnesit-Vorkommen sollen dort lagern, und die sechstgrößte Menge an Wolfram. Auch die sogenannten Seltenen Erden, die für die Herstellung von Technikprodukten wie Windturbinen, Solarzellen, Hybridmotoren, Smartphones, Flachbildfernsehern, Notebooks, Autos, Computern, Panzern, Flugzeugen, Raketen, Lasern usw. unerlässlich sind, befinden sich im Boden innerhalb der Grenzen Nordkoreas. Die südkoreanische Regierung schätzt den Gesamtwert der Vorkommen auf mehr als sechs Billionen US-Dollar. Die gigantischen Gold- und Minerallagerstätten in Nordkorea sind in dieser Schätzung noch gar nicht eingerechnet.
»Es gibt in Nordkorea jede Menge an Bodenschätzen, darunter Gold, Silber, Eisenerz, Molybdän, Magnesit, Steinkohle in höchster Qualität – das Ganze in durchaus reichlich verfügbaren Mengen. Die Firma SRE Minerals hat in Nordkorea Seltene Erden entdeckt, und zwar in doppeltem Umfang dessen, was bisher weltweit bekannt gewesen ist. Allein die Bodenschätze sind ein enormes Potenzial – wir reden hier von Billionen von Dollar.« Der Nordkorea-Experte Rüdiger Frank gab diese Einschätzung im Jahr 2013 gegenüber 3sat.
Das unerschlossene Eldorado
Aber die nordkoreanische Bergbauindustrie – einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Nordkoreas – ist aufgrund des Mangels an Elektrizität, Material und Ausrüstung sowie wegen veralteter Anlagen und mangelhafter Wartung begrenzt. Die durchschnittliche Förderung der bestehenden Minenanlagen liegt unter 30 Prozent ihrer Kapazität. Ausschlaggebend dafür sind eine eingeschränkte finanzielle Unterstützung und ein Mangel an Produktionstechnologie sowie eine schlechte Infrastruktur. Und genau da setzt Trumps Kalkül ein.
Bisher nämlich sind es die beiden Nachbarn, die das Geschäft der Zukunft machen wollen: China als wichtigster Handelspartner Pjöngjangs und Südkorea. Zwei südkoreanische Unternehmen haben bereits im Jahr 2010 angekündigt, in Nordkorea investieren zu wollen, um die dortigen Bodenschätze zu erschließen. Die SM Group zum Beispiel hat eine Task Force eingerichtet, um die Bodenschätze des Landes, insbesondere Eisenerz, zu überprüfen. Die Gruppe schätzt Nordkoreas Eisenerzvorkommen auf 50 Milliarden Tonnen im Wert von rund 213 Billionen Won (197,7 Milliarden US-Dollar).
Neben den Ressourcen haben Unternehmen wie Keangnam Enterprises Co. und Dong Ah Construction Industrial angekündigt, dass sie im Baugeschäft Nordkoreas Fuß fassen wollen, sobald alle Sanktionen aufgehoben sind. Neben mittelständischen Unternehmen hat der große Mischkonzern Lotte ein Team gegründet, das die Geschäftsbeziehungen nicht nur mit Nordkorea, sondern auch mit Russland und China ausbauen kann. Baugeschäft heißt in diesem Fall vor allem der Bau von neuen Kraftwerken zur Stromerzeugung. Die Stromproduktion in Nordkorea läuft bisher über den Betrieb von vier Staudämmen (dem Supung-Damm, dem Taipingwan-Damm, dem Weiyuan-Damm und dem Yunfeng-Damm). Hinzu kommen weitere neun Dämme mit einem geringeren Leistungsniveau. Das Wasserkraftwerk Sodusu 1-3 ist in Betrieb, und das Wasserkraftwerk Anbyon wurde noch nicht komplett fertiggestellt.
Trump wittert das große Geschäft
Zu den thermischen Kraftwerken, die in Betrieb sind, gehören Pukchang (betrieben mit Anthrazit), Chongjin (betrieben mit Braunkohle), Pjöngjang (betrieben mit Kohle), Sunchon (betrieben mit Kohle), Ungi (betrieben mit Erdöl) und Chonchonang (betrieben mit Kohle). In Teilbetrieb befindet sich das thermische Kraftwerk Pjöngjang Ost (betrieben mit Kohle), so das Nautilus Institute in einer Studie.
Schon lange vor dem Gipfel in Singapur war Amerikas neue Zielsetzung klar: US-Außenminister Mike Pompeo hatte im Mai gesagt, dass die US-Regierung es amerikanischen Unternehmen erlauben würde, Investitionen in Nordkorea vorzunehmen, wenn Nordkorea sein Atomwaffenprogramm annulliert. »Wir freuen uns, mit ihnen (den Nordkoreanern, Anm. d. Red.) Technologie, Wissen, Unternehmertum, Bemühungen zu teilen, um Systeme aufzubauen.« Die britische Tageszeitung Guardian berichtet: »Privatwirtschaftliche Amerikaner, nicht die US-Steuerzahler, könnten dazu beitragen, das Energienetz aufzubauen. Die USA könnten auch mit Investitionen in Infrastruktur und Landwirtschaft helfen, um die nordkoreanische Bevölkerung zu ernähren.«
Ebenfalls im Mai sagte Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton dem Sender ABC News: »Ich denke, wir sind bereit, uns so schnell wie möglich für Handel und Investitionen mit Nordkorea zu öffnen.« Allerdings müsse Nordkorea zeigen, dass das Land es mit der »Denuklearisierung« ernst meine. CNBC berichtet: »Jede mögliche US-Investition in Nordkorea hätte eine legitimierende Wirkung und könnte die technologische und unternehmerische Beratung durch das Silicon Valley umfassen.«
Partnerschaft mit dem Iran brechen
Hintergrund für die Annäherung an Nordkorea sind aber nicht nur gute Geschäfte. Die Regierung Trump versucht auch, das kommunistische Regime vom Iran loszueisen. Denn Nordkorea ist der wichtigste Partner des Iran, wenn es um ballistische Raketen und Atomdeals geht, berichtet das Begin-Sadat-Center. Seit Jahrzehnten, also seit der islamischen Revolution 1979, helfen die Nordkoreaner den Iranern beim Bau von Raketen und transferieren das Know-how.
Nach einem Bericht von Reuters sollen nordkoreanische Experten den Iranern dabei geholfen haben, ballistische Raketen zu entwickeln. Der Iran weist diesen Vorwurf zurück. Allerdings enthüllte auch Wikileaks im Jahr 2010 Informationen, wonach Nordkorea Teile für den Bau von ballistischen Raketen in den Iran liefert. »Der Iran ist einer der wichtigsten Raketenkunden Nordkoreas. Seit den späten 1980er-Jahren exportiert Nordkorea Scud-B- und Scud-C-Raketen – sowie deren Produktionstechnologie – in den Iran«, heißt es in einer Depesche. Ein südkoreanischer Geheimdienstmitarbeiter sagte der Nachrichtenagentur Yonhap, dass das »Hauptquartier des nordkoreanischen Waffenhandels« im Nahen Osten Kairo sei. Dies sei der einzige Weg, um an Devisen zu kommen.
Schlag gegen China
Aber Trumps Annäherung an Kim Jong-un ist vor allem – neben den verhängten Strafzöllen gegen chinesische Produkte – gegen China gerichtet. Und es ist nicht nur die Verlockung, Big Deals mit Nordkorea zu machen. Es ist auch die Chance, dem größten globalen Konkurrenten direkt vor seiner Haustür in die Parade zu fahren: Südkorea ist schon lange einer der größten Investoren in China. Käme es zur koreanischen Wiedervereinigung, würde das für China wichtige südkoreanische Investitionskapital auf Jahrzehnte im Norden der koreanischen Halbinsel gebunden. Und dieses wiedervereinigte Korea wäre ein mächtiger Eckpfeiler im asiatischen Raum, der eine wirtschaftliche Ausdehnung Chinas stoppen könnte.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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