Torsten Groß
Briefwahlen: Ist Trumps Betrugswarnung eine »irreführende Information«?
Am letzten Dienstag hat der Kurznachrichtendienst Twitter erstmals einen Tweet von US-Präsident Donald Trump mit einem Warnhinweis versehen und die Mitteilung einem sogenannten »Faktencheck« unterzogen. Trump hatte davor gewarnt, dass bei Briefwahlen ein erhöhtes Manipulationsrisiko bestehe. Wörtlich twitterte der Präsident: »There is no way that Mail-In Ballots will be anything less than substantially fraudulent. Mail boxes will be robbed, ballots will be forged and even illegally printed out and fraudulently signed. The Governor of California is sending Ballots to millions of people, anyone.« (Übersetzung: »Es führt kein Weg daran vorbei, dass Briefwahlen wenig mehr als substanziell betrügerisch sein werden. Briefkästen werden ausgeraubt, Stimmzettel gefälscht und sogar illegal ausgedruckt und in betrügerischer Absicht unterschrieben. Der Gouverneur von Kalifornien verschickt Wahlzettel an Millionen von Menschen, an jedermann.«).
Twitter versah diese Mitteilung mit dem verlinkten Hinweis: »Erfahren Sie die Fakten über Briefwahl«. Dort wird der Leser darüber informiert, dass die Behauptung Trumps, Briefwahlen würden zu Wahlbetrug führen, »unbelegt« sei. Weiter heißt es: »Trump hat fälschlicherweise behauptet, Briefwahl-Stimmzettel würden zu einer manipulierten Wahl führen.« Der US-Präsident, der 80 Millionen Follower in dem sozialen Netzwerk hat, reagierte auf diesen »Faktencheck« empört und warf Twitter vor, die freie Rede »vollkommen« zu unterdrücken. Im Übrigen bleibt Trump bei seiner Darstellung. Wer hat recht?
Um die Antwort vorwegzunehmen: Donald Trump, auch wenn deutsche Mainstream-Medien bis hin zur früher bürgerlich-konservativen Welt das Gegenteil behaupten – in der immer gleichen Absicht, den unliebsamen Mann im Weißen Haus zu diskreditieren. In Wahrheit besteht bei Briefwahlen tatsächlich ein hohes Manipulationsrisiko, weshalb diese Form der Stimmabgabe international stark umstritten ist. Schon vor Jahren berichtete der britische Sender BBC über »politische Aktivisten«, die Bürger genötigt haben sollen, die »richtigen« Kandidaten auf ihrem Briefwahlzettel anzukreuzen. Aus welcher politischen Ecke diese im Beitrag nicht näher bezeichneten »Aktivisten« mutmaßlich gekommen sind, kann sich jeder selbst ausmalen.
Richard Mawrey, Rechtsanwalt und stellvertretender Richter am High Court Großbritanniens, der als ein versierter Kritiker des Briefwahlsystems in seinem Land gilt, hat bereits wiederholt davor gewarnt, dass Briefwahlen offen für Wahlbetrug seien. Mawrey, der sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit seit vielen Jahren mit Wahlrechtsfällen befasst, konnte nach eigener Aussage bislang 14 Formen der Manipulation von Briefwahlzetteln feststellen. Auch in Deutschland üben Experten Kritik. Manfred Güllner, Leiter des Meinungsforschungsinstituts Forsa, sagte 2017: »Die Briefwahl bietet vielfältigste Betrugsmöglichkeiten«. Konkreter wird die ebenfalls unverdächtige ARD Tagesschau, die auf ihrer Internetseite schreibt: »Jedoch ist bei der Briefwahl nicht nachvollziehbar, ob der Wähler seine Stimme selbst abgegeben hat und dabei unbeobachtet und unbeeinflusst war – ob er also möglicherweise eingeschüchtert oder bestochen wurde.« Bei der Briefwahl ist also ein wichtiger Wahlrechtsgrundsatz in Frage gestellt, nämlich die Geheimheit der Wahl.
Dass diese Bedenken auch im überbürokratisierten Deutschland nicht nur theoretischer Natur sind, zeigen Beispiele aus der Praxis. Bei der niedersächsischen Landtagswahl im Jahre 2016 brachten Politiker der Linkspartei Wahlberechtigte mit geringen Deutschkenntnissen dazu, Briefwahlunterlagen anzufordern, die sie dann teilweise selbst ausfüllten und dabei sogar Unterschriften fälschten. Einen ähnlichen Fall gab es 2014 bei der Kommunalwahl in Stendal, einer 40.000-Einwohner-Stadt in Sachsen-Anhalt. Auch dort wurden Briefwahlunterlagen manipuliert und Wahlzettel von Dritten ausgefüllt. Ein Stadtrat der CDU wurde dafür später zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Ein weiteres Beispiel: Nach der Hamburger Bürgerschaftswahl 2015 kam bei einer Überprüfung von zwei Briefwahlbezirken heraus, dass die Unterschriften auf rund 50 Wahlscheinen nicht mit denen der Briefwahlanträge übereinstimmten, also von unterschiedlichen Personen geleistet worden sein mussten.
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, das Ergebnis der Briefwahl gezielt zu verfälschen, die allerdings nur selten thematisiert wird. Jeder Wahlberechtigte, der seine Stimme nicht im Wahllokal abgeben möchte, kann einen Wahlschein bei seiner Gemeindebehörde beantragen, den er etwa vier Wochen vor dem Wahltag zusammen mit den Briefwahlunterlagen übersandt bekommt. Der ausgefüllte Stimmzettel ist an das Amt zurückzuschicken, wo er bis zur Stimmenauszählung am Wahltag gelagert wird, und das unbeaufsichtigt von der Öffentlichkeit. In dieser Zeit wären illegale Eingriffe in den Wahlprozess möglich. Wahlbriefe könnten geöffnet und Stimmzettel, auf denen missliebige Parteien bzw. Kandidaten angekreuzt sind, vernichtet, ungültig gemacht oder ausgetauscht werden.
Ein Nachweis solcher Wahlbetrügereien ist praktisch nicht möglich, eben weil in dieser Phase keine öffentliche Kontrolle stattfindet, die erst mit der Stimmenauszählung am Wahltag einsetzt, die von jedermann beobachtet werden kann. Auffallend ist, dass rechte Parteien hierzulande bei der Briefwahl oftmals schlechter abschneiden als bei der Urnenwahl. Liegt das tatsächlich nur daran, dass Briefwähler andere sozio-demographische Merkmale als Urnenwähler aufweisen und deshalb auch ein anderes Wahlverhalten an den Tag legen, wie uns Wahlforscher erklären? Oder steckt doch mehr dahinter?
In den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Gefahr, dass Briefwahlen das Abstimmungsergebnis verfälschen, sogar noch größer als in Deutschland.
Das liegt nicht zuletzt an formalen Hürden. So kommt es Presseberichten zufolge durchaus häufig vor, dass Briefwahlzettel als ungültig gewertet werden, weil der Wahlberechtigte vergessen hatte, auf der Vorderseite die von ihm gewählte Partei anzukreuzen. Bei der Urnenwahl kann dieses Problem nicht auftreten, weil die Bürger im Wahllokal je nach Parteipräferenz unterschiedliche Stimmzettel erhalten und deshalb von den Wahlhelfern gefragt werden. Die Tatsache, dass Briefwahlen nicht wirklich geheim sind und ein Wahlberechtigter von seinem persönlichen Umfeld mit welchen Mitteln auch immer unter Druck gesetzt werden kann, sein Kreuz an einer bestimmten Stelle zu setzen, ist in den USA ebenfalls ein bekanntes, öffentlich diskutiertes Problem. Auch der Postweg der Briefwahlunterlagen ist mit Gefahren gepflastert. In dieser Woche gab das US-Justizministerium bekannt, Anklage gegen einen Postboten aus West Virginia zu erheben, der im Verdacht steht, ihm anvertraute Briefwahlanträge von Bürgern manipuliert zu haben.
Vor dem Hintergrund dieser Risiken und der unzureichenden Geheimhaltung der Stimmabgabe war die Briefwahl ursprünglich nur als eine eng definierte Ausnahme für Wahlberechtigte vorgesehen, die aus triftigen Gründen nicht an der Urnenwahl teilnehmen konnten. Doch die Ausnahme ist durch Gesetzesänderungen immer mehr zur Regel geworden, auch in Deutschland.
Seit 2008 muss bei Beantragung der Briefwahl hierzulande nicht mehr angegeben werden, warum man daran gehindert ist, ins Wahllokal zu gehen. Kein Wunder also, dass der Anteil der Briefwähler an der Gesamtwählerschaft hierzulande steigt: Nutzten bei der Bundestagswahl 1957 gerade einmal 4,9 Prozent der Wahlberechtigten diese Option, waren es 2017 bereits 28,6 Prozent, Tendenz weiter steigend. Auch in den USA könnte die Zahl der Briefwähler bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl deutlich steigen, erzwungen durch die Corona-Pandemie und das Infektionsrisiko beim Gang ins Wahllokal. Briefwahlen aber dürften den Demokraten und ihrem Kandidaten Joe Biden nützen. Im US-Bundesstaat Oregon beispielsweise sind seit 2004 nur noch Briefwahlen möglich. Seitdem haben die Demokraten bei allen Wahlen in diesem Bundesstaat deutlich besser abgeschnitten als die Republikaner. Sollte das Coronavirus zu flächendeckenden Briefwahlen in den USA zwingen, könnte das die Chancen von Trump auf einen erneuten Einzug ins Weiße Haus im November schmälern.
Das dürfte ein Grund für den Tweet von Trump sein. Und die zum Teil harschen Reaktionen seiner Wähler erklären. Inhaltlich hat Trump aber recht: Briefwahlen bergen tatsächlich ein hohes Risiko der Manipulation und sogar des Wahlbetrugs, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Es war deshalb nicht gerechtfertigt, diese Mitteilung mit einem Warnhinweis zu versehen und so als »irreführend« zu brandmarken.
Die »Faktenchecker«, auf die sich Twitter beruft, kommen übrigens vom Fernsehsender CNN und der Tageszeitung Washington Post. Diese Medien bilden zusammen mit der New York Times die publizistische Sperrspitze im Kampf des linken Establishments gegen Donald Trump. Die negative Einordnung des Trump-Tweets durch Twitter ist also politisch motiviert und ist Teil des allmählich anlaufenden Präsidentschaftswahlkampfs in den USA!
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Sonntag, 31.05.2020