Birgit Stöger
Der BAMF-Skandal: Aus dem Logbuch
des Narrenschiffs
des Narrenschiffs
Was soll in der Außenstelle des Bremer Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vertuscht werden? Wie groß ist der Skandal hinter der Affäre um mutmaßlichen Asylmissbrauch in Bremen wirklich? Was wusste die Behörden-Präsidentin Jutta Cordt? Welcher Schaden ist dem Steuerzahler entstanden und weshalb wurde die kommissarische Leitung, kurz nachdem diese schwere Vorwürfe gegen das BAMF erhoben hatte, versetzt? Diese Fragen könnten bald einen Untersuchungsausschuss beschäftigen.
Bereits im Juni 2017 soll nach Medieninformationen ein leitender Beamter der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bremen der Nürnberger BAMF-Zentrale Informationen zu skandalösen Vorgängen innerhalb des Amtes in einem sogenannten »Brandbrief« zugestellt haben. Darin wies der »Whistleblower« im Bremer BAMF, auf den sich der Spiegel beruft, auf Vorgänge mit »extremer Brisanz« hin und berichtete, dass es in Bremen wohl in Hunderten Asylverfahren zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Die langjährige Leiterin der Bremer Außenstelle, Ulrike B., betreibe seit Langem »Kungeleien« mit einem Rechtsanwalt namens Irfan C. Sie habe dessen Mandanten »massenhaft« zum offiziellen Status eines Flüchtlings verholfen.
Persönliche oder ideologische Motivation?
Pikant: In diesen Fällen soll es – zumindest seitens der BAMF-Leiterin – nicht um Geld oder geldwerten Vorteil in Form von Beförderungen gegangen sein. Vielmehr scheint es so, dass sich Ulrike B. in Irfan C. verliebt hatte. Um ihm zu gefallen, so die Vermutung des Informanten, habe die BAMF-Leiterin sich C. angedient, so der Informant, mutmaßlich ein Mitarbeiter von B. Der Tippgeber gab weiter an, dass die liebestrunkene B. häufig Druck gemacht habe, weil sie dem Anwalt die positiven Bescheide persönlich habe übergeben wollen. Einmal will der Beamte in B.s elektronischem Postfach zufällig eine Mail gesehen haben, in der C. schrieb, das »Hotelzimmer für das Wochenende sei schon bezahlt«.
Der Untergebene habe seine Vorgesetzte vor C. gewarnt und versucht, ihr klar zu machen, dass der Anwalt sie ausnutze. Er habe sie direkt gefragt, ob sie in den Mann verliebt sei. Das habe B. weit von sich gewiesen und beteuert, Herrn C. und ihr gehe es nur um die »armen Menschen«. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter soll die Ex-BAMF-Außenstellenleiterin fast ausschließlich Berichte und Fotos über ihre Schützlinge veröffentlicht haben. Wie es scheint, schlug B.s Herz insbesondere für Syrer mit jesidischer Zugehörigkeit.
Im Brandbrief forderte der Bremer Beamte die Behörde auf, schnell zu handeln, da Beweise, die das Treiben belegen, bereits gelöscht worden sein könnten. Die E-Mail ging an einen der wichtigsten Männer in der Nürnberger BAMF-Zentrale, an den »Leiter operativer Bereich«, Rudolf Knorr, so der Spiegel weiter. Dennoch reagierte das BAMF in Nürnberg und insbesondere der Leiter des operativen Bereiches nicht. Erst Anfang November 2017 wurde die Behörde aktiv. Nachdem ein gefälschter Asylbescheid aufgetaucht war, begann die Innenrevision des BAMF gegen Ulrike B. zu ermitteln. Am 16. November 2017 stellte das Amt schließlich Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt nun gegen B., drei Rechtsanwälte und einen Dolmetscher wegen Fällen, die bis ins Jahr 2013 zurückreichen. Warum die Behörde nach Bekanntwerden der Vorwürfe nicht umgehend gehandelt hat, das will das BAMF aktuell nicht beantworten und beruft sich auf laufende Ermittlungen.
Die untersuchten Fälle sind nur die »Spitze des Eisberges«
Am 1. Januar 2018 kam nun Josefa Schmid als kommissarische Leiterin der Bremer Außenstelle ins Amt und arbeitete dort – nach eigenen Angaben – den Korruptionsskandal um ihre inzwischen suspendierte Vorgängerin auf. Schmid – nach ihrem Facebook-Profil zu urteilen eine ebenso lebenslustige wie zielorientierte Frau – förderte dann in relativ kurzer Zeit so einiges an die Oberfläche und somit an die Öffentlichkeit.
Die Inhaberin eines Diploms in Rechtswissenschaft und eines in Politikwissenschaft, zudem Diplomverwaltungswirtin, Finanzwirtin, Fachjournalistin und Wirtschaftsmediatorin, kandidierte 2011 – erfolglos – als Landrätin im oberpfälzischen Landkreis Regen für die CSU. Die in ihrer Partei wenig geliebte Schmid wurde von der CSU bereits 2009 als Bürgermeisterkandidatin für die im Bayerischen Wald gelegene Gemeinde Kollnburg abgelehnt, was die damals 34-Jährige wenig störte. Sie trat kurzerhand für die Freien Wähler gegen den offiziellen CSU-Kandidaten an und wurde mit 55 Prozent der Stimmen in das Amt gewählt. Schmid, die heute der FDP angehört, will im Herbst nach den bayerischen Landtagswahlen für die ehemals liberale Partei in den Landtag einziehen.
Erschreckende Erkenntnisse
In ihrer Funktion als neue Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle erarbeitete Schmid auf 99 Seiten ihren internen Bericht »Unregelmäßigkeiten im Asylverfahren in der BAMF-Außenstelle Bremen« und übermittelte diesen bereits vor Wochen, nämlich im Februar, an die Nürnberger Zentrale.
Die Vorwürfe, die Josefa Schmid zusammengetragen hat, sind mannigfaltig und in ihrem Ausmaß mehr als erschreckend. In einem im April an Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) adressierten Papier heißt es laut Schmid, dass sie in ihrem Bericht nur eine »erste kursorische Voruntersuchung für die Jahre 2015 bis 2017 abliefern« könne. Es sei aber mit »großer Sicherheit« anzunehmen, dass es bereits vor 2015 zu erheblichen Verfehlungen gekommen sei. Die untersuchten Fälle seien nur die »Spitze des Eisberges«. So erfuhr Schmid, dass ihre Vorgängerin Ulrike B. offenbar mit einer Kombination aus »nibelungentreuen« Seilschaften und Druckausüben ein System etabliert hatte, das ihre Untergebenen zum Mittun bei ihren Unregelmäßigkeiten zwang. Ein Mitarbeiter, der Ulrike B. auf die »merkwürdigen Verfahrensabläufe« angesprochen hatte, sei daraufhin einfach versetzt worden. Ferner berichtet nordbayern.de, der Onlinedienst der Nürnberger Nachrichten (NN): »Ende 2017 bat der Mitarbeiter schließlich darum, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung eingeleitet werden möge – sein Name sei bei einem Bescheid missbraucht worden.«
Anfang Januar erteilte die neue Chefin Josefa Schmid ihrer Amtsvorgängerin dann Haus- und Kontaktverbot. Mutmaßlich wollte sie so verhindern, dass aussagebereite Mitarbeiter von B. eingeschüchtert oder zur Beweisvernichtung angestiftet werden. Schmid gab zudem an, dass es Hinweise darauf gebe, dass auch die Nürnberger Zentrale in diese Unregelmäßigkeiten verwickelt sei. Dort soll man die Missstände jahrelang gekannt und gebilligt haben.
Kriminelle Energie
Mindestens 3332 unzulässigerweise in Bremen bearbeitete Asylanträge habe es gegeben, hält Josefa Schmid in ihrem internen Bericht fest. Die Bremer Staatsanwaltschaft ging Medienberichten zufolge von 1200 Fällen aus. Schmid stellt im internen Bericht weiter fest, dass – »systematisch und grob fahrlässig« – weder, wie vorgeschrieben, Identitäten der Antragsteller festgestellt wurden, noch habe man mit den Antragstellern überhaupt gesprochen. Straftaten seien »in einer nicht nachvollziehbaren kriminellen Energie« gedeckt und gebilligt worden. Reihenweise seien Dokumente und elektronische Akten manipuliert und verfälscht worden. Asylbewerber habe man wissentlich nicht in andere EU-Länder abgeschoben, obwohl dies nach der Dublin-Verordnung geboten gewesen wäre. Außerdem: In fast allen Fällen war die Außenstelle Bremen eigentlich gar nicht zuständig gewesen.
Kein Interesse an Aufklärungsarbeit
Zudem sei aus den massenhaft unrechtmäßig bewilligten Asylanträgen auch zu entnehmen, dass Mitglieder krimineller Clans auf diese Weise mit den nötigen Papieren nach Deutschland kamen, hier bleiben konnten und somit – durch das Unterlassen erkennungsdienstlicher Behandlungen – ein »gewaltiges Sicherheitsrisiko« entstand. Die Hansestadt Bremen galt für diese Klientel als Schlupfloch nach Deutschland hinein, heißt es dazu.
Wahnwitzigerweise sei das Tun in der Bremer Außenstelle noch nicht einmal besonders konspirativ abgelaufen. Mit Busladungen, so BAMF-Mitarbeiter gegenüber den Nürnberger Nachrichten, sollen besonders am späten Nachmittag Männer und Frauen in Bremen angekommen sein. Umgehend seien dann deren Asylanträge angenommen worden. Ulrike B. habe die Akten – für die Leiterin einer Außenstelle eine unübliche Tätigkeit – selbst angelegt und die jeweiligen Bescheide persönlich zugestellt. Mindestens drei Jahre soll das so abgelaufen sein, obwohl es vielfältige Anzeichen für diese Unregelmäßigkeiten in Bremen gab. Die Quote der Anerkennungen war in Bremen überdurchschnittlich hoch – bundesweit fiel das sehr wohl und immer wieder auf. Josefa Schmid regte am Ende ihres Berichts an, eine neutrale Untersuchungskommission durch das Bundesinnenministerium einzusetzen – und die Sache nicht in die Hände des BAMF zu legen. Es dränge sich der Verdacht auf, so die bayerische Beamtin, »dass an einer echten Aufklärungsarbeit kein gesteigertes Interesse besteht, um nicht dem Ansehen des Bundesamts zu schaden«. Es bestehe der Verdacht, »dass die Zentrale selbst in die Angelegenheit verstrickt ist«. Die Nürnberger Zentrale dulde zumindest »Fehlverhalten zugunsten des guten Rufes nach außen«, so die vorläufige Feststellung der hartnäckigen Niederbayerin.
Vom obersten Dienstherrn kaltgestellt
Vor Kurzem erfuhr die Öffentlichkeit dann, dass Josefa Schmid in ihrem Amt und in ihrem Bemühen um Aufklärung nicht etwa nach Leibeskräften unterstützt wird. Platt gesagt, wurde die neue Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle von ihrem obersten Dienstherrn »kaltgestellt«. Noch am selben Tag, als sie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wegen des Asylskandals kritisiert hatte, wurde die 44-Jährige mit sofortiger Wirkung in das bayerische Deggendorf versetzt. Als Begründung gibt die Zentrale in Nürnberg an, dass dies – in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium – aus Fürsorge um Schmid geschehe. Dass Schmid Bremen verlasse, sei nötig, »um die Beamtin, die Gegenstand öffentlicher Berichterstattung ist, zu schützen«. Es sei nun vorgesehen, einen erfahrenen Referatsleiter aus dem BAMF vorübergehend mit der Leitung der Außenstelle zu beauftragen. Die Aufklärung des »Gesamtsachverhalts« erfolge weiterhin mit Hochdruck. Dabei würden alle relevanten Erkenntnisquellen einbezogen, »auch die Erkenntnisse der interimsweise eingesetzten Außenstellenleiterin«.
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagte zudem eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Schmid habe »in Eigeninitiative« Vorgänge dargestellt. Für ihre Behauptungen bestehe nach derzeitigem Kenntnisstand »keine substantiierte Tatsachengrundlage«. Der Bericht von Frau Schmid reiche nicht aus, um die Vorwürfe zu belegen. »Mich muss man nicht schützen«, so Josefa Schmid vor Kurzem. Nach Bekanntwerden ihrer Versetzung versuchte sich die Beamtin noch am selben Tag per Eilantrag vor dem Bremer Verwaltungsgericht gegen die Versetzung zu wehren. Vergeblich. Ob das Siegel an ihrer Bremer Bürotür auf ihre Anordnung hin dort angebracht wurde, oder die Versiegelung dazu dienen soll, Schmid von ihren Unterlagen fernzuhalten, ist bislang unklar.
Ebenso unklar sind die Gesamtkosten, die das »System Ulrike B.« allein nur in der Hansestadt Bremen dem deutschen Staat – sprich dem deutschen Steuerzahler – aufgebürdet hat: Geschätzt werden aktuell 50 Millionen Euro. Es darf getrost davon ausgegangen werden, dass Bremen exemplarisch für das staatliche Totalversagen auf der einen Seite und das ideologiegesteuerte Handeln auf der anderen Seite steht. Das gesamte Ausmaß, der Gesamtschaden, den die Politik Angela Merkels und die ihr Ergebenen angerichtet hat und noch anrichten wird, wird mit Geld nicht mehr zu beziffern sein.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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