Max Lindauer

Der Euro-Irrsinn und die dummen Deutschen

Er hält es für dumm, wie Deutschland mit seinem Geld umgeht, kritisiert »den größten Kredit der Geschichte für Griechenland«, mit dem nur die Banken gerettet worden seien, fordert endlich mehr Investitionen in Europa und geht von einem baldigen Ende der Ära Merkel aus: Yanis Varoufakis, einst Enfant terrible unter Europas Finanzministern.

Genau 162 Tage war er in der ersten Jahreshälfte 2015 im Amt. Doch diese Zeit reichte aus, um das gesamte EU-Establishment aufzuscheuchen, allen voran Angela Merkel und Wolfgang Schäuble. Yanis Varoufakis, Professor für Ökonomie an der Athener Universität und Finanzminister im ersten Kabinett des sozialistischen Regierungschefs Alexis Tsipras, stemmte sich gegen die sogenannte Rettungspolitik von EU und IWF für sein Land und die damit verbundene Austeritätspolitik. Nach stürmischen Wochen verlor Varoufakis die Rückendeckung seines Chefs, trat als Finanzminister zurück und brauste mit seinem Motorrad davon. Abends, im griechischen Sonnenuntergang, sah man ihn dann auf der Terrasse eines Restaurants genüsslich ein Bier trinken. War das der Abschied eines unkonventionellen Politikers, den die deutschen Mainstream-Medien bisweilen als »Schäuble-Schreck« bezeichneten? Falls ja, dann war es ein Abschied für nur kurze Zeit.

Denn nach mehreren Buchveröffentlichungen ist Yanis Varoufakis wieder auf die politische Bühne zurückgekehrt – als Chef seiner neuen politischen Bewegung Democracy in European Movement (DiEM). In dieser Position sucht er nun in Europa um Unterstützung. So zuletzt auch in Deutschland. Doch für Aufsehen sorgten weniger seine neuen politischen Ambitionen als vielmehr seine klaren Worte zu den Deutschen, ihrer Kanzlerin und dem EU-Establishment. In Interviews kritisiert er nun »die dummen Deutschen«, die ihr Geld verschwendeten und es in schwarzen Löchern verschwinden ließen. Griechenland sei seit 2010 bankrott, stellt der Ökonomieprofessor nüchtern fest.

Kredit für einen bankrotten Staat

Trotzdem habe man »den größten Kredit der Geschichte vergeben – an einen bankrotten Staat«. Die damit verbundene Austeritätspolitik habe sich als katastrophaler Teufelskreis erwiesen. Viel deutsches Geld sei auf diese Weise verschwendet und Ressentiments unter den Völkern Europas geschürt worden, sagt Varoufakis. Statt Geld zu verschwenden, müssten die Europäer dringend mehr investieren – nicht zuletzt auch, um im Wettbewerb mit Staaten wie China bestehen zu können.

Die besten Wissenschaftler Europas sollten zusammenkommen und gemeinsam neue Zukunftstechnologien entwickeln, um mit den gewaltigen Fortschritten in China mithalten zu können. Als Beispiel nennt Varoufakis das von ihm favorisierte Ökostrom-Projekt »Green Energy Union«.

Das Euro-System vergleicht der frühere Finanzminister mit einem Boot, das den Atlantik überqueren soll. Bei schönem Wetter könne das funktionieren, aber wehe, ein Sturm komme auf, dann drohe das Boot unversehens zu kentern. Würde Italien das Euro-System verlassen, wäre dies das Ende der gemeinsamen Währung. »Dann wären 2,6 Billionen Euro zum Teufel. Die Target-Forderungen würden auch noch ausfallen. Es wäre wie eine Kaskade. Dann würden auch Frankreich oder Spanien austreten«, ist Varoufakis überzeugt. Weil Länder wie Deutschland ihr Geld in andere Staaten investierten und die Konzernchefs das Geld für Aktienrückkäufe ausgäben, um Aktienkurse und Boni hochzuhalten, habe Deutschland rund 15 Prozent seines BIP verloren. Varoufakis: »Die Deutschen sollten nicht so dumm sein und ihr Geld für die Griechen verprassen. Wir sollten das Geld lieber in Technologien investieren, von denen ganz Europa etwas hat«, fordert der frühere Finanzminister.

Vier Krisenherde in Europa

In Europa gebe es derzeit mindestens vier Krisenherde, die es zu bekämpfen gelte, sagt Varoufakis: die öffentlichen Schulden, die privaten Schulden, niedrige Investitionen und steigende Armut. Zur Armutsbekämpfung macht Varoufakis einen ebenso interessanten wie fast schon revolutionären Vorschlag: »Warum nehmen wir nicht diese 90 Milliarden Euro, die als Gewinne der EZB übrig bleiben – durch ihre expansive Geldpolitik sowie das Target-System – und bekämpfen die Armut? In den USA bekommen arme Familien jede Woche einen Scheck für Essen, und sie können ihn im Supermarkt einlösen. Unterzeichnet sind diese Essensmarken von der Notenbank.«

Der deutschen Kanzlerin gibt Varoufakis nicht mehr lange Zeit in ihrem Amt. Er hält Merkel für schwach. Sie warte nur darauf, von ihrer Partei überrumpelt zu werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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