Birgit Stöger

Die Chemnitz-Lüge:
Chronik einer ganz anderen »Hexenjagd«

Fast zwei Wochen wurden Chemnitz und Sachsen als »braune« Zentren Deutschlands diffamiert. Dann endlich widersprach Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen den Mainstream-Märchen, sprach von gezielten Falschinformationen. Kritischen Beobachtern war von Anfang an klar, dass hier Agents Provocateurs am Werk gewesen sein dürften.

Die Chemnitzer Bürger erleben seit dem Beginn der sogenannten »Flüchtlingskrise« ihre 250 0000 Einwohner zählende Stadt zunehmend als unsicheren Ort. Immer wieder Polizeieinsätze und – vor allem im Stadtzentrum von Chemnitz – immer wieder Berichte über schwere Vorfälle, an denen laut Kriminalstatistik Ausländer und Immigranten – vor allem Syrer, Afghanen und Inder – in überproportionalem Maße beteiligt sind.

Sonntag, 26. August 2018

Die Stimmung anlässlich des Stadtfests ist laut Polizeiangaben bis zum 25. August friedlich. In der Nacht zum Sonntag kommt es gegen 3 Uhr im Stadtzentrum zu einem Streit zwischen zwei Gruppen. Die Auseinandersetzung eskaliert. Drei Männer werden bei einer Messerstecherei schwer verletzt. Der 35-jährige Deutsch-Kubaner Daniel Hillig – Familienvater und Tischler von Beruf – wird mit 25 Messerstichen regelrecht abgeschlachtet und stirbt wenig später an seinen Verletzungen. Der Auseinandersetzung soll laut Bild die Belästigung einer Frau vorausgegangen sein, was die Polizei jedoch dementiert.

In den sozialen Netzwerken verbreitet sich die Nachricht vom Tod des jungen Mannes schnell. Ebenso schnell formieren sich Aufrufe durch unterschiedliche Gruppierungen zu spontanen Protestkundgebungen. Am Sonntagnachmittag finden sich rund 800 Personen, unter ihnen viele Jugendliche, aber auch Familien mit Kindern, in der Chemnitzer Stadtmitte ein. Unter den Protestierenden sind erkennbar auch einige Dutzend Rechtsextreme. Das Stadtfest wird von den Veranstaltern vorzeitig abgebrochen, angeblich aus Pietätsgründen. Bei der Pressekonferenz vom Sonntagabend erklären die Verantwortlichen jedoch, diesen Grund nur vorgeschoben zu haben, um die Bürger nicht in Panik zu versetzen. Der eigentliche Grund zur Räumung seien Sicherheitsbedenken gewesen. In so gut wie allen Mainstream-Medien wird nach der Demonstration kolportiert, dass Rechtsextremisten »Hetzjagden auf ausländisch aussehende Menschen« veranstaltet und »Übergriffe auf Migranten« stattgefunden hätten. Mutmaßlich hat der linkspolitisch orientierte Antifa-Journalist Johannes Grunert, dem es in der Nacht zum Montag gelungen ist, bei Zeit Online den Spruch »Rechte jagen Menschen in Chemnitz« unterzubringen, den Grundstein für einen der größten Medienskandale gelegt.

Die angeblichen Jagdszenen werden am Montagvormittag dann durch Kanzlerin Angela Merkel und ihren Regierungssprecher Steffen Seibert zur Tatsache erhoben. Seibert sagt wörtlich: »Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin, das hat bei uns in unseren Städten keinen Platz, und das kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir das auf das Schärfste verurteilen.«

Reflexartig und ohne Beweise wird nun diese Behauptung von führenden Landes- und Bundespolitikern aller Konsensparteien übernommen, obwohl sich noch immer keinerlei Geschädigte oder Tatverdächtige polizeilich gemeldet haben und ebenfalls keine Videos oder Zeugenaussagen vorliegen. Chemnitz und seine Bürger werden nach dem Statement aus dem Kanzleramt von nun an als »Nazihochburg«, wo der »braune Mob auf der Straße randaliert«, denunziert.

Montag, 27. August 2018

Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) gibt sich am Montagmorgen schockiert: Es sei schlimm, dass ein Mensch durch ein Tötungsdelikt ums Leben komme, doch das rechtfertige keine weitere Gewalt. Die sich empört gebende Ludwig, 2002 noch Sozialdezernentin der Stadt, hat eine wenig rühmliche Vorgeschichte: Sie übersah am Steuer ihres Wagens, mit dem sie in einer Fußgängerzone unterwegs war, einen Rollstuhlfahrer, der später an den Folgen eines durch Ludwig verursachten Zusammenstoßes verstarb. Ludwig wurde zu 90 Tagessätzen verurteilt und war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Kandidatin für das Amt der Sozialministerin vorgesehen. Dennoch konnte die SPD-Funktionärin Oberbürgermeisterin der Stadt Chemnitz werden. Über den verursachten Tod des Rollstuhlfahrers wurde 2004 in der Sächsische Zeitung berichtet. Auch auf Wikipedia war darüber zu lesen. Als im Chemnitzer Kontext durch alternative Medien nochmals an Ludwigs Todesfahrt erinnert wurde, löschte Wikipedia die betreffende Passage. Zum Ausgleich wurde das Kapitel »Ehrungen« eingefügt.

Die Bürgerbewegung »Pro Chemnitz«, die seit 2009 in Fraktionsstärke im Chemnitzer Stadtrat vertreten ist, meldet für den Montagnachmittag eine weitere Demonstration an. Im Laufe des Tages gibt die Polizei bekannt, dass Haftbefehle gegen die beiden festgenommenen mutmaßlichen Messerstecher Yousif Ibrahim A., einen 22-jährigen Iraker, und den 23-jährigen Mitbeschuldigten Alaa S. erlassen wurde.

Eine knappe Woche später wird nach einem weiteren, dringend der Mittäterschaft verdächtigen 22-jährigen irakischen Asylbewerber gefahndet. Und einmal mehr werden schwere Versäumnisse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und der Ausländerbehörde in Chemnitz publik. Der festgenommene Iraker hätte bereits im Mai 2016 nach Bulgarien abgeschoben werden können. Dort war er zuerst als Asylbewerber registriert worden. Wie so oft fand diese Maßnahme jedoch nie statt. Nach Angaben der Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), habe sich der Iraker zudem zwei gefälschte Identitäten zugelegt.

Dienstag, 28. August 2018

Am Dienstagabend kommt es zur Veröffentlichung des Haftbefehls gegen den 22-jährigen Iraker auf Facebook. Auf dem durchgestochenen Haftbefehl sind die Namen des Opfers, der vermuteten Täter, einiger Zeugen und der Richterin zu lesen. Am Mittwoch veröffentlichten – ebenfalls ungeschwärzt – unter anderem WeltOnline und der Focus das Dokument. Welt Online ersetzt im Laufe des Tages seine Veröffentlichung durch eine geschwärzte Version und entfernt diese dann schließlich, als die Staatsanwaltschaft in Dresden bekannt gibt, Ermittlungen wegen der Veröffentlichung des Haftbefehls eingeleitet zu haben.

Zu einem Zeitpunkt, als das Dokument bereits an vielen Stellen im Internet – also in Blogs, sozialen Netzwerken und wie erwähnt bei Focus und Welt Online – veröffentlich ist, hat auch Jan Timke, Vorsitzender und Bürgerschaftsabgeordneter der zuwanderungskritischen Bremer Wählervereinigung »Bürger in Wut« (BIW), den Haftbefehl auf Facebook gepostet. Die Staatsanwaltschaft Bremen leitet daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Timke ein. Da Bremer Abgeordnete nicht durch Immunität gegen Ermittlungsverfahren geschützt sind, wird am Mittwochabend mit der Durchsuchung der Privatwohnung des Politikers begonnen. Timke – ehemaliger Polizeibeamter beim Bundeskriminalamt – greift den zuständigen Bremer Justizsenator Martin Günthner (SPD) scharf an, indem er ihm vorwirft, dass die Ermittlungen gegen ihn sowie die Hausdurchsuchungen »politisch motiviert« gewesen seien. Da der Justizsenator »ein Weisungsrecht gegenüber der Bremer Staatsanwaltschaft hat«, sei nicht auszuschließen, »dass die Hausdurchsuchung den Zweck verfolgt, einen unliebsamen Politiker wenige Monate vor der Wahl in Bremen öffentlich zu diskreditieren«.

Während die von der SPD dominierte Bürgerschaft sich gegen die erhobenen Vorwürfe noch via Pressemitteilung verweigerte, gestand der mittlerweile suspendierte 39-jährige Dresdner Justizbeamte Daniel Zabel, für die Veröffentlichung des Haftbefehls verantwortlich zu sein.

Donnerstag, 30. August 2018

Seit Regierungssprecher Steffen Seibert die Aussage von der angeblichen Hetzjagd auf Migranten ungeprüft übernommen und in die Welt gesetzt hat, werden – bis auf die AfD – Politiker aller Couleur nicht müde, die angestimmte Melodie – laut und vernehmlich durch die Mainstream-Medien verbreitet –, weiterzusingen. Dies geschieht selbst dann noch, als Wolfgang Klein, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen, auf Anfrage von Alexander Wendt vom Magazin Publico die unmissverständliche Aussage trifft: »Nach allem uns vorliegenden Material hat es in Chemnitz keine Hetzjagd gegeben.«

An der Aufklärung der Sachverhalts zeigen sich mittlerweile auch die beiden Betreiber des Blogs ScienceFiles, die Soziologin Dr. habil. Heike Diefenbach und ihr Kollege, Bildungsforscher Michael Klein, sowie Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt dermaßen interessiert, dass sie einen öffentlichen Aufruf unter dem Motto: »Frau Bundeskanzlerin, bitte belegen Sie ihre Behauptungen!« auf dem Internetportal gestartet haben.

Hasstriaden mit dem Willen zum Bürgerkrieg?

Unterdessen werden ein ganzes Bundesland und seine Menschen durch Politiker der Altparteien und die ihnen angegliederten Medien pauschal verunglimpft. Alle Beispiele der politischen und medialen Ausfälle, die seither über die Chemnitzer kübelweise ausgeschüttet wurden, aufzulisten, würden den Rahmen des Artikels bei Weitem sprengen. An dieser Stelle sei exemplarisch ein Auszug aus dem Kolumnentext des Spiegel-Erben Jakob Augstein aufgeführt. Augstein schreibt: »Sachsen ist wie das Internet. Nur in echt. Der ganze niedrige Hass, der sich im Netz Bahn bricht – in Sachsen kann man ihn auf der Straße sehen. Die Videos aus Chemnitz zeigen sie ja, die dicken, stiernackigen Männer, die mit ihren Glatzen aussehen wie Pimmel mit Ohren – allerdings Pimmel mit Sonnenbrillen. Sie sind das Fleisch gewordene Rülpsen und Tölpeln, das die sozialen Medien durchflutet. Es spricht tatsächlich viel dafür, dass nicht diese Leute das Netz ruinieren – sondern dass das Netz diese Leute ruiniert.«

Frank Hannig, Dresdner Anwalt und Verteidiger des »Haftbefehl-Leakers« Daniel Zabel, war der Meinung: »Sachsen ist nicht Fußabtreter der linksgrünen Medien« und erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen den Salonlinken Augstein wegen Volksverhetzung. Für die angeblich »Anständigen« machte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) stark. Am Nachmittag des 3. September startete um 17 Uhr, also zu einer Uhrzeit, zu der Berufstätige gerade einmal ihren Arbeitsplatz verlassen, das von Steinmeier mitbeworbene linke Konzert »Wirsindmehr«. Dem unsäglichen Aufruf des eigentlich zur Neutralität verpflichteten Bundespräsidenten folgten laut Mainstreampresse rund 50 000 Menschen. Flixbus hatte die Teilnehmer gratis nach Chemnitz chauffiert, und die Mitfahrzentrale Blablacar spendierte Tankgutscheine. An jenem Ort, wo ein Mensch ermordet wurde, rockten dann vom Verfassungsschutz observierte linksextremistische Bands wie »Feine Sahne Fischfilet« oder die Punkrentner von den »Toten Hosen«. Bei der Begrüßung der Partygemeinde wurde der ermordete Daniel Hillig zum »Opfer rechter Gewalt« umgedeutet.

Der Verfassungsschutz soll’s richten

Es wird nun versucht, der politisch immer stärker werdenden Konkurrenz aus den Reihen der AfD Schaden zuzufügen, indem wieder einmal die Verfassungsschutzbeobachtung von Partei oder Parteimitgliedern diskutiert wird. Merkels und Seiberts bislang unbewiesene Hetzjagdaussagen seien »Vorspiel und der Auftakt zur Reihe von Beobachtungen der AfD durch den Verfassungsschutz«, so der mecklenburg-vorpommerische AfD-Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm. Zehn Tage waren seit der Ermordung von Daniel Hillig vergangen, bis die »Chemnitz-Lüge« von der sächsischen Politik zurückgenommen wurde. Am 5. September gab Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Sächsischen Landtag seine Regierungserklärung ab. Er sagte wörtlich: »Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, es gab keinen Pogrom.« Ende vergangener Woche zeigte Bundesinnenminister Seehofer Verständnis für die Empörten in Chemnitz.

Freitag, 7. September 2018

Verfassungsschutzpräsident Maaßen äußert Zweifel an der Echtheit von Informationen über mögliche Hetzjagden in der sächsischen Stadt. Offensichtlich soll die Öffentlichkeit vom Mord in Chemnitz abgelenkt werden. Wer so etwas offen ausspricht, lebt gefährlich im Deutschland Angela Merkels. Schon wenige Stunden später wurden Forderungen nach Maaßens Rücktritt laut.

Donnerstag, 13.09.2018

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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