Torsten Groß
Digitale Goldgräberstimmung: Bitcoin-Kurs geht durch die Decke
Vor wenigen Tagen durchbrach der Kurs der Kryptowährung Bitcoin erstmals die magische Schwelle von 60.000 US-Dollar, die als eine wichtige psychologische Marke gilt. Zum Börsenschluss am vergangenen Freitag wurden sogar mehr als 61.000 Dollar erreicht. Kurzfristig rechnen Analysten mit einem weiteren Preisanstieg auf 75.000 Dollar. Auf lange Sicht werden sogar Kurse von bis zu 600.000 US-Dollar prognostiziert, ein Ziel, das Experten aus dem Vergleich mit Gold als klassischem Wertspeicher und Inflationsschutz ableiten.
Der erste, im Jahr 2009 festgestellte Kurs des Bitcoin lag bei gerade einmal 0,07 Dollar. Seit 2012 geht es – unter starken Schwankungen – aufwärts. Seit Ende letzten Jahres ist der Preis der Kryptowährung regelrecht explodiert, nachdem der bisherige Höchststand bei rund 20 000 US-Dollar im November nachhaltig überwunden werden konnte. Im Februar erreichte die Marktkapitalisierung des Bitcoin erstmals über eine Billion Dollar. Damit ist dieses zuvor von vielen Finanzprofis als exotisch belächelte Asset auch für institutionelle Großinvestoren als Anlageinstrument interessant geworden.
Ein prominentes Beispiel ist der Elektroautohersteller Tesla unter Führung des Visionärs Elon Musk, der Mitte Februar meldete, für 1,5 Milliarden Dollar Bitcoin gekauft zu haben, was etwa 8 Prozent der Bargeldreserven des Konzerns entspricht. Am Tag des Bekanntwerdens dieser Transaktion schoss der Kurs der Kryptowährung um 15 Prozent nach oben. Doch Musk ist mit seinem Unternehmen Tesla keineswegs der einzige Prominente, der den Bitcoin und andere Digitalwährungen als Anlagealternative entdeckt hat.
Auch die Familie Rockefeller und der umstrittene Finanzspekulant George Soros haben angekündigt, in den Bitcoin investieren zu wollen.
Darüber hinaus sorgten die Einstiege der Zahlungsdienstleister Paypal und Square sowie des Softwareentwicklers MicoStrategy für öffentliches Aufsehen.
Einer aktuellen Umfrage des renommierten Forschungsinstituts Gartner zufolge wollen noch in diesem Jahr fünf Prozent der Unternehmen aus der Finanzbranche in Bitcoin investieren. Weitere 11 Prozent der befragten Firmen halten sich diese Option bis 2024 offen. Sollten diese Pläne Realität werden, würde das die Nachfrage auf dem Markt der Kryptowährungen anheizen und so die Kurse für Bitcoin & Co. weiter in die Höhe treiben. Die Investmentgesellschaft AKR hat errechnet, dass der Bitcoin-Preis von heute 60 000 Dollar auf 90 000 Dollar stiege, wenn alle im US-amerikanischen Aktien-Index S&P 500 gelisteten Firmen nur ein Prozent ihrer verfügbaren Liquidität in die Kryptowährung investierten. Würden die Unternehmen zehn Prozent ihrer Barreserven für diesen Zweck verwenden, ließe allein diese zusätzliche Nachfrage den Bitcoin-Kurs auf 400.000 Dollar explodieren, was rund einer Versiebenfachung des Preises ausgehend vom heutigen Niveau entspräche!
Ein weiterer großer Player auf der Käuferseite ist der israelische Pensionsfonds Altshuler Shaham, der bereits im vergangenen Jahr 100 Millionen US-Dollar in den Grayscale Bitcoin Trust (BTC) investiert haben soll, eine Transaktion, die allerdings erst vor einigen Tagen bekannt wurde. Beim BTC handelt es sich um einen Fonds, dessen Anteile in Form von Aktien an der Börse erworben werden können und der es Anlegern so ermöglicht, an der Kursentwicklung des Bitcoin zu partizipieren, ohne die Kryptowährung selbst kaufen zu müssen, was nicht unkompliziert ist. Der Einstieg von Altshuler Shaham in den Bitcoin-Markt ist deshalb so bedeutsam, weil es sich hier nicht um einen Hedgefonds handelt, der durch zumeist kurzfristig orientierte Spekulation den Reichtum seiner Kunden mehren will, sondern einen Vermögensverwalter, der sein Geld langfristig investiert, um die Altersvorsorge seiner Mitglieder zu sichern. Die Entscheidung von Altshuler Shaham könnte Signalwirkung in der Branche entfalten und weitere Pensionsgesellschaften veranlassen, einen Teil des von ihnen verwalteten Kapitals in Bitcoins und andere Kryptowährungen fließen zu lassen. Das würde einen zusätzlichen Nachfrageschub auslösen. Denn Pensionsfonds verwalten enorme Vermögen, die sich einer Studie zufolge allein in den 22 größten Staaten der Welt bereits 2017 auf mehr als 41 Billionen Euro beliefen. Sollte nur ein kleiner Teil davon für den Kauf von Bitcoins verwendet werden, ist allein aus diesem Grund mit einem kräftigen Anstieg des Kurses zu rechnen.
Das Engagement einer immer größer werdenden Zahl von Unternehmen, Vermögensverwaltern und privaten Großinvestoren auf dem Bitcoinmarkt stärkt das Vertrauen der Kleinanleger in Kryptowährungen, was auch von dieser Seite zu steigender Nachfrage führt. Diese Nachfrage könnte zumindest in den USA schon bald einen erheblichen Schub erfahren. Denn das vom US-Kongress gerade verabschiedete Konjunkturpaket mit einem Volumen 1,9 Billionen Dollar beinhaltet auch Direktzahlungen an jeden Bürger in Höhe von 1.400 Dollar (sog. »Helikoptergeld«). Wegen der großzügig bemessenen Einkommensgrenzen – von der Teilnahme an dem Hilfspaket ausgeschlossen sind lediglich Einzelpersonen mit einem Jahreseinkommen von mehr als 80.000 Dollar sowie Paare mit über 160.000 Dollar – dürften viele Haushalte das staatliche Geldgeschenk nicht benötigen, um ihre Konsumausgaben zu decken. Ein Teil der insgesamt 400 Milliarden Dollar umfassenden Unterstützung dürfte deshalb an die Kapitalmärkte und damit auch in den Kauf von Kryptogeld fließen.
Sollten andere Staaten dem Beispiel der USA folgen und ebenfalls »Helikoptergeld« verteilen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, könnte das ebenfalls Bitcoin & Co. zugute kommen. Das gilt umso mehr, als die Ausweitung der Geldmenge einen spürbaren Anstieg der Inflation zur Folge haben dürfte, was viele Menschen schon heute veranlasst, Alternativen zum Fiat-Geld zu suchen. Kryptowährungen sind nach Meinung zahlreicher Experten eine solche Alternative. Denn anders traditionelle Währungen wie Euro und Dollar unterliegen sie nicht der Kontrolle durch die Notenbanken. Ihr Volumen kann – anders als bei Fiat-Geld – nicht beliebig ausgeweitet werden, sondern ist streng begrenzt. Vom Bitcoin etwa sind maximal 21 Millionen digitale Einheiten im Umlauf, wobei die tatsächlich Menge geringer ist, weil es immer wieder zum Verlusten von Passwörtern (Schlüsseln) kommt, die ein Besitzer benötigt, um Zugriff auf seine digitale Geldbörse nehmen zu können. Diese Verluste werden im System nicht ersetzt.
Doch nicht nur in den Industriestaaten, sondern auch in vielen aufstrebenden Schwellenländern wächst das Interesse der Bevölkerung am Kryptogeld, was durch intensive Werbung auf vielen Online-Plattformen noch verstärkt wird. Den Menschen wird in Aussicht gestellt, durch den Kauf von Bitcoins schon in kurzer Zeit Reichtum und Wohlstand zu erwerben.
Ein Beispiel ist die Türkei, wo gerade besonders intensiv für den Kauf von Bitcoins getrommelt wird. Die Regierung in Ankara steht dem dezentralen privaten Kryptogeld allerdings misstrauisch gegenübersteht und arbeitet deshalb an der Einführung einer eigenen digitalen Zentralbankwährung.
Solche Planungen gibt es auch bei der Europäischen Zentralbank. In Russlands Parlament, der Duma, wird gerade über ein Gesetz beraten, das den privaten Besitz von Kryptowährungen rechtlich absichern soll. Die politisch Verantwortlichen in China betrachten Bitcoin & Co. nicht als Währung, sondern als eine Ware, die legal besessen und gehandelt werden darf. Gleichzeitig treibt Peking die Digitalisierung der Landeswährung Yuan voran.
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Montag, 15.03.2021