Peter Orzechowski
Enthüllt: Schon bald neue US-Atombomben
für Deutschland
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Bald ist es so weit: Die neue Atombombe B61-12 befindet sich in der Endphase ihrer Realisierung. Die USA bereiten deren Lieferung nach Deutschland und in andere europäische Länder vor. Dann kann von Europa aus ein Nuklearkrieg geführt werden – präventiv, versteht sich.
General Jack Weinstein strahlte. Der stellvertretende Stabschef der US-Luftwaffe, verantwortlich für atomare Operationen, gab am 1. Mai auf einem Symposium der Air Force Association in Washington vor einem ausgewählten Publikum von leitenden Offizieren und Führungskräften der Rüstungsindustrie bekannt: »Das Programm läuft sehr gut. Wir haben bereits 26 Technik-, Entwicklungs- und Flugtests der B61-12 durchgeführt.« Das Programm sieht die Produktion von 500 B61-12 vor, beginnend im Jahre 2020, mit Kosten von rund 10 Milliarden Dollar (dabei kostet jede Bombe das Doppelte von dem, was sie kosten würde, wenn sie komplett aus Gold gefertigt wäre).
Die vielen Komponenten der B61-12 werden in den Sandia National Laboratories von Los Alamos, Albuquerque und Livermore (in New Mexico und Kalifornien) entwickelt und in einer Reihe von Werken in Missouri, Texas, South Carolina und Tennessee gefertigt. Die Bombe wird (ohne atomare Ladung) in Nevada getestet.
Atomsprengkopf mit vier Optionen
Die B61-12 hat im Vergleich zur derzeitigen B61, die in Deutschland und anderen europäischen Ländern stationiert ist, völlig neue »Qualitäten«: einen Atomsprengkopf mit vier wählbaren Leistungsoptionen; ein Flugsystem, das sie mit Präzision zum Ziel führt; die Fähigkeit, sogar durch Stahlbeton in den Untergrund einzudringen und in der Tiefe zu explodieren. Durch die größere Präzision und Durchschlagskraft ist die Bombe zum Angriff auf Bunker der Kommandozentralen geeignet, um somit die feindlichen Länder zu »enthaupten«. Eine 50 kt B61-12 (entspricht 50 000 Tonnen TNT, das Dreifache der Hiroshimabombe), die unterirdisch explodiert, hat dieselbe zerstörerische Kraft wie eine Atombombe von einer Megatonne (eine Million Tonnen TNT), die an der Oberfläche explodiert.
Die »deutschen« A-Bomben
Auf deutschem Boden befinden sich etwa 20 B61-Atomsprengköpfe. Sie werden von der US-Armee überwacht und können nur auf Befehl des amerikanischen Präsidenten oder des für den jeweiligen Kriegsschauplatz kommandierenden US-Generals eingesetzt werden. Die Waffen lagern auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz.
Im Kriegsfall sollen deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der NATO-Strategie der sogenannten »Nuklearen Teilhabe« Angriffe mit den US-Bomben fliegen. »Mit den neuen Bomben verwischen die Grenzen zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen«, kritisiert Atomwissenschaftler Hans Kristensen vom »Nuclear Information Project« in Washington. Noch im März 2010 hatte der Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossen, die Bundesregierung solle sich »gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einsetzen«. Auch im Koalitionsvertrag von Union und FDP hatte die Bundesregierung 2009 den Abzug der Atomwaffen aus Büchel zugesagt. Doch statt der Abrüstung erfolgt nun die Stationierung von rund 20 neuen Nuklearwaffen, die zusammen die Sprengkraft von 80 Hiroshima-Bomben haben und von Kampfjets abgeworfen werden können.
Der SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler bestätigt, dass die Bundesregierung seit 2016 rund 120 Millionen Euro in den Bundeswehrstandort Büchel investierte. Mit diesem Geld wurde unter anderem die Landebahn des Flugplatzes mit einem modernen Instrumentenanflugsystem ausgestattet.
180 Atomwaffen einsatzbereit
Laut der Zeit vom 26. Mai 2012 sind neben diesen 20 Atombomben in Büchel in weiteren vier europäischen Ländern etwa 180 taktische Atomwaffen einsatzbereit. An den Standorten in den Niederlanden und in Belgien vermuten Experten zusammengenommen 20 bis 40 Sprengköpfe. Ähnlich viele lagern auf den zwei italienischen Stützpunkten in Aviano und in Ghedi. Der türkische Stützpunkt Incirlik hat das größte Arsenal an NATO-Atomwaffen. Bis zu 90 Sprengköpfe werden dort vermutet. Incirlik und Aviano werden derzeit modernisiert. Auch dort soll mit neuen Nuklearbomben vom Typ B61-12 nachgerüstet werden.
Pentagon erwägt atomaren Erstschlag
Der kanadische Professor Michel Chossudovsky, Direktor des Zentrums für Globalisierungsforschung in Montreal, warnt, die USA zögen einen atomaren Erstschlag gegen Russland in Erwägung – was zwangsläufig zum Dritten Weltkrieg führen müsse. In einem Interview mit dem iranischen Sender Press TV, das auch auf der Internetseite seines Forschungszentrums veröffentlicht ist, sagt Chossudovsky: »Die USA haben einen sehr gefährlichen Pfad eingeschlagen, weil sie die Doktrin des Präventivkriegs eingeführt haben – tatsächlich sagen sie auch, dass sie Nuklearwaffen gegen Russland als Präventivschlag einsetzen könnten.« Der Professor aus Kanada ist davon überzeugt, dass ein nuklearer Erstschlag gegen Russland für die US-Regierung eine ernsthafte Option darstellt. »Jetzt bedrohen sie Russland mit Atomwaffen, und es ist sonnenklar, dass die nukleare Option im US-amerikanischen Kongress diskutiert worden ist«, sagt er.
Chossudovsky steht mit seinen Befürchtungen keineswegs allein da. Der Ökonom und frühere Staatssekretär im US-Finanzministerium Paul Craig Roberts hatte bereits 2014 behauptet, es gebe Pläne für einen präventiven Nuklearschlag gegen Russland. Und er versichert, dass in Washington eine Reihe von Leuten »für einen Atomkrieg plädiere«: »Wir haben hier Leute, die durch Washington laufen und sagen: ›Was ist das Gute an Nuklearwaffen, wenn wir sie nicht einsetzen?‹«, berichtet Roberts. Schalte man mit einem Erstschlag die russischen Atomwaffen aus – so die Denke der Neokonservativen in Washington –, dann gehe von Russland keine größere Gefahr mehr aus. Fallout und Verstrahlung würden hauptsächlich Europa und Eurasien treffen, aber nicht die USA.
Auch die britische Tageszeitung Guardian bestätigte im Juli 2015 die neue, aggressivere Nuklearstrategie der USA. NATO-Quellen hätten der Zeitung gegenüber versichert, dass die Änderungen die stärkere Einbeziehung von Einheiten für nukleare Kriegsführung in laufende Manöver an den Grenzen Russlands sowie neue Richtlinien für eine nukleare Eskalation gegen Russland betreffen sollen. Dazu passt das im Sommer 2015 verabschiedete ukrainische Gesetz mit der Bezeichnung »Gesetz über die Bedingungen der Streitkräfte anderer Staaten auf dem Territorium der Ukraine«. Darin heißt es, dass eine Stationierung von Nuklear- und Massenvernichtungswaffen auf dem Boden der Ukraine »bis zum Erreichen des Stationierungsziels« legal ist. Vorher war dies per Gesetz ausgeschlossen. Passend zur neuen NATO-Nuklearstrategie sind so längerfristige Stationierungen direkt an der Grenze zu Russland möglich.
»Kontrollierte nukleare Angriffe«
Was genau sich die NATO und die USA unter der neuen Strategie vorstellen, wird in einem Bericht der amerikanischen Militär-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) mehr als deutlich. Darin heißt es, dass die USA ihr Atomarsenal »für einen Krieg gegen Russland, China oder eine andere Macht« leichter einsetzbar machen sollen. Hochentwickelte taktische Atomwaffen würden es Washington ermöglichen, kleinere Atomkriege anzudrohen und zu führen, ohne sich von der Gefahr eines nuklearen Holocausts abschrecken zu lassen. Dies würde die Sicherheitslage der USA und der Welt verbessern und für Abschreckung sorgen.
»Die Vereinigten Staaten müssen vielseitig einsetzbare Atomwaffen entwickeln«, schreibt das CSIS in dem Bericht – unter anderem für »geringe Kollateralschäden, verbesserte Bestrahlung, ein Eindringen in die Erde, elektromagnetische Impulse und andere Dinge je nach Entwicklungsstand der Technologie«. Solche Fortschritte, heißt es, seien die einzige Antwort auf die Erosion der amerikanischen technologischen Überlegenheit durch das Wachstum der chinesischen und russischen Atomarsenale. Nach der Theorie der »angemessenen Reaktion«, die das CSIS vertritt, würden hochmobile atomschlagfähige Einheiten »kontrollierte nukleare Angriffe« führen und Bomben »mit geringen Nebenwirkungen, genauer Zielführung und Spezialeffekten« auf feindliche Ziele abfeuern, ohne dass dies zwangsläufig zu einem umfassenden Nuklearkrieg führen müsste.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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