Torsten Groß

Erst das Fressen, dann die Moral: CDU Thüringen macht Weg für Ramelow frei

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In der vergangenen Woche hat sich die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag bereit erklärt, die Wiederwahl des Linken-Politikers Ramelow zum Ministerpräsidenten des Freistaates zu ermöglichen und eine dunkelrot-rot-grüne Minderheitsregierung vorübergehend zu tolerieren. Das Einlenken der Union ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht politisch motiviert. Es geht um Mandate und fette Pfründe!

Die Mainstream-Medien jubilierten, als am Freitag vergangener Woche die Meldung über die Ticker lief, in Thüringen hätten sich Linkspartei, SPD und Grünen mit der CDU auf eine Lösung der seit Wochen schwelenden Regierungskrise im Freistaat verständigt. Die »historische Vereinbarung« sieht vor, dass Bodo Ramelow, Politiker der SED-Fortsetzungspartei DIE LINKE, vom Landtag am 4. März 2020 erneut zum Ministerpräsidenten des Freistaates gewählt wird, auch mit Unterstützung einzelner Abgeordneten der Union. Denn der dunkelrot-rot-grünen Koalition fehlen vier Stimmen im Parlament, um Ramelow bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit ins Amt zu hieven und zu verhindern, dass die AfD im dritten Wahlgang, in dem eine einfache Mehrheit ausreichte, ebenfalls für Ramelow votiert, was ihm die Annahme der Wahl nach eigenem Bekunden »verunmöglichen« würde.

Außerdem einigten sich die Parteien auf einen sogenannten »Stabilitätsmechanimus«, eine schönfärberische Umschreibung für die vorübergehende Tolerierung der Linksregierung unter Ramelow durch die Union. Danach soll die CDU alle von ihr im Landtag eingereichten Anträge zuvor mit Linken, SPD und Grünen in den Ausschüssen abstimmen, um eine gemeinsamen Linie zu verabreden.

So soll ausgeschossen werden, dass die bürgerlichen Fraktionen die Arbeit der Regierung mit den Stimmen der AfD blockiert. Das Ziel ist es also, die größte Oppositionsfraktion im Thüringer Landtag, die knapp ein Viertel aller Wähler des Bundeslandes repräsentiert, kaltzustellen und in der parlamentarischen Entscheidungsfindung zu neutralisieren.

Im Gegenzug sind die linken Parteien neben einigen inhaltlichen Zugeständnissen an die CDU etwa in der Bildungspolitik vor allem von ihrer Forderung nach schnellen Neuwahlen abgerückt, die man ursprünglich noch vor den Sommerferien abhalten wollte. Stattdessen soll der Urnengang nun am 25. April 2021 stattfinden. Im Kern lautet der Kompromiss also: Der Salonkommunist Ramelow wird wieder Ministerpräsident, wie es die Linken wollen, dafür finden die nächsten Wahlen in Thüringen erst in über einem Jahr statt, was vor allem der CDU nützt. Denn die erreicht nach dem »Debakel« um die Kür des FDP-Politikers Kemmerich zum Ministerpräsidenten Anfang Februar in aktuellen Umfragen nur noch 12-14 Prozent. Bei der Landtagswahl im vergangenen Oktober waren es knapp 22 Prozent. Und bei der Wahl in Hamburg ist die Partei auf 11,2 Prozent abgestürzt. Würden die Thüringer Bürger schon in wenigen Monaten erneut an die Wahlurnen gerufen, müsste die Union also mit empfindlichen Einbußen und damit dem Verlust zahlreicher Parlamentsmandate rechnen. Und die sind auch in Thüringen gut dotiert.

Dazu ein paar Zahlen: Ein Landtagsabgeordneter im Freistaat kassiert monatliche Diäten in Höhe von 5.802,86 Euro, in § 5 des Thüringer Abgeordnetengesetzes (ThürAbgG) als »Grundentschädigung« bezeichnet. Darüber hinaus wird eine üppige Aufwandsentschädigung für »allgemeine Kosten« insbesondere im Zusammenhang mit der Betreuung des eigenen Wahlkreises sowie für Fahrten zwischen der Landeshauptstadt Erfurt und dem Wohnort oder dem Abgeordnetenbüro gewährt. In Summe sind das bis zu 2.800 Euro zusätzlich im Monat, die jeder Parlamentarier einstreicht (die genannten Beträge gelten seit 1. Januar 2019, siehe hier) Darüber hinaus werden die nachgewiesenen Aufwendungen für die Beschäftigung persönlicher Mitarbeiter erstattet, die den Mandatsträger bei seiner Tätigkeit unterstützen. Außerdem können Abgeordnete die Deutsche Bahn innerhalb Thüringens kostenfrei nutzen. Alternativ bezahlt die Landtagsverwaltung anfallende Reise- und Übernachtungskosten, wenn Mitglieder des Landtags an Sitzungen oder parlamentarischen Veranstaltungen außerhalb Erfurts teilnehmen.

Neben den vorgenannten Geldleistungen besteht Anspruch auf Sachleistungen, namentlich Übernachtungsmöglichkeiten im Haus der Abgeordneten sowie die kostenlose Nutzung aller Einrichtungen, die im Landtagsgebäude vorhanden sind (§ 6 Abs. 1 ThürAbgG).

Finden Neuwahlen nicht, wie im Plan der Linken-Fraktion ursprünglich vorgesehen, bereits im Juni dieses Jahres, sondern – wie jetzt vereinbart – erst im April 2021 statt, würde sich die laufende Legislaturperiode um knapp 10 Monate verlängern. Für jeden Parlamentarier, der im kommenden Landtag nicht mehr vertreten sein wird, ergibt sich somit allein bei den laufenden Geld- und Sachleistungen ein finanzieller Vorteil von rund 90.000 Euro!

Doch damit nicht genug. Nach § 12 Abs. 1 ThürAbgG hat jeder Abgeordnete nach seinem Ausscheiden aus dem Thüringer Landgtag Anspruch auf ein Übergangsgeld, das in Höhe der monatlichen Grundentschädigung gewährt wird, die sich wie gesagt auf knapp 5.800 Euro beläuft. Dieser Anspruch kann allerdings nur von solchen Abgeordneten geltend gemacht werden, die dem Landtag mindestens ein volles Jahr angehört haben. Die letzte Wahl fand in Thüringen am 27. Oktober 2019 statt. Würde sich der Landtag bereits im Herbst dieses Jahres neu konstituieren, gingen solche scheidenden Abgeordneten beim Übergangsgeld leer aus, die 2019 erstmals ins Thüringer Parlament eingezogen sind. Bei der CDU, die wie gesagt mit deutlichen Stimmen- und damit Sitzverlusten rechnen müsste, könnten 6 der 21 Abgeordneten betroffen sein. Fände die Wahl dagegen erst im April 2021 statt, erhielten auch diese Parlamentsneulinge bei einem Mandatsverlust Übergangsgeld für die Dauer von immerhin drei Monaten, was einem Gegenwert von 17.400 Euro entspricht (siehe § 11 ThürAbgG). Doch auch viele der altgedienten CDU-Abgeordneten, die den Wiedereinzug verpassen, könnten sich über mehr Übergangsgeld freuen. Denn das steigt bei jedem vollen Jahr der Parlamentszugehörigkeit um einen weiteren Bezugsmonat, also um 5.800 Euro!

Neben dem Übergangsgeld geht es aber um auch die Altersentschädigung. Die bekommen nach § 13 ThürAbgG nämlich nur solche Abgeordneten, die dem Landtag mindestens sechs Jahre angehört haben. Politiker, die erst nach der Wahl am 14. September 2014 ins Thüringer Parlament eingezogen sind, hätten keinen Anspruch auf Altersentschädigung, wenn es bereits im Sommer dieses Jahres Neuwahlen gäbe und sie ihr Mandat wieder verlören, weil sie zu diesem Zeitpunkt erst fünf volle Jahre Mitglied im Parlament gewesen wären. In der CDU-Fraktion laufen sechs Politiker Gefahr, dieses »Schicksal« zu erleiden. Die Altersentschädigung beträgt nach § 14 ThüAbgG übrigens 26 Prozent der Grundentschädigung (das sind über 1.500 Euro im Monat) und steigt mit jedem weiteren Jahr der Mitgliedschaft im Landtag um weitere 3 Prozent, bis zur Höchstgrenze von 71,75 Prozent (was nach heutigem Stand 4.161,50 Euro entspricht).

Abschließend noch der Hinweis, dass die Zuwendungen an die Fraktionen im Thüringer Landtag auch von der Zahl ihrer Mitglieder abhängig sind. Denn neben einem monatlichen Grundbetrag von 29.348,15 Euro wird für jeden Abgeordneten ein Zuschlag in Höhe von 1.073,71 Euro gewährt (§ 59 Abs. 2 ThürAbgG). Weil die CDU bei frühen Neuwahlen damit rechnen müsste, knapp die Hälfte ihrer heutigen Mandate zu verlieren, stünde der Partei deutlich weniger Geld für ihre parlamentarische Arbeit zur Verfügung.

Wie geht es in Thüringen weiter? – Bodo Ramelow und die ihn stützenden Parteien geben sich zuversichtlich, dass es Anfang März mit der Wahl des »richtigen« Politikers zum Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen klappen wird.

Man rechnet im linken Lager also damit, die benötigten vier Stimmen aus den Reihen von CDU und FDP zu erhalten, um den eigenen Kandidaten bereits im ersten Wahlgang durchzubekommen. Die Hoffnung ist berechtigt. Denn es gibt zahlreiche CDU-Abgeordnete, die bei Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt befürchten müssten, aus dem Landtag zu fliegen und dadurch erhebliche finanzielle Einbußen zu erleiden. Dasselbe gilt übrigens auch für die fünf Vertreter der FDP, die allesamt erst seit November letzten Jahres der Thüringer Volksvertretung angehören. Denn im Zweifel kommt erst das Fressen und dann die (politische) Moral.

Daran werden auch die empörten Stimmen aus der Bundespolitik und hier vor allem von CDU-Granden ebenso wenig etwas ändern wie hehre Parteitagsbeschlüsse, die jede koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit den SED-Fortsetzern verbieten. Denn die für den 4. März anberaumte Wahl des Ministerpräsidenten im Thüringer Landtag ist geheim. Abweichler bei CDU oder FDP, die für Ramelow votieren, könnten also nicht identifiziert und damit auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Vor allem für die Bundes-CDU wäre die Wahl Ramelows mutmaßlich mit Stimmen aus den eigenen Reihen eine politische Katastrophe, weil dieser Tabubruch gerade im Westen der Republik die letzten noch verbliebenen konservativen Mitglieder und Wähler der Partei verschrecken würde. Das aber könnte die Union bei der Bundestagswahl 2021 im ohnehin engen Wettlauf mit den ökopopulistischen Grünen um die Spitzenposition (und damit das Recht, den Kanzler zu stellen) wertvolle Prozentpunkte kosten.

Ein Kanzler Robert Habeck, möglicherweise sogar als Chef einer Bundesregierung aus Grünen, SPD und Linken, würde dann wahrscheinlicher werden!

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Montag, 24.02.2020