Torsten Groß

Fall George Floyd: Amtliche Autopsie entlastet Hauptangeklagten Chauvin

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Vor einigen Tagen hat die Hauptverhandlung gegen den früheren Polizeibeamten Derek Chauvin begonnen. Chauvin wird vorgeworfen, bei einem Einsatz am 25. Mai 2020 in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota den Tod des von ihm festgenommenen Afroamerikaners George Perry Floyd verschuldet zu haben. Die Anklagen lauten auf Mord zweiten und dritten Grades (was im deutschen Strafrecht den Tatbeständen Totschlag sowie Körperverletzung mit Todesfolge bzw. fahrlässige Tötung entspricht). Auch die deutschen Mainstream-Medien haben über den Auftakt des Prozesses berichtet, allerdings – wie gewohnt – nur selektiv und einseitig. Dem mit den Fakten nur wenig vertrauten Publikum soll der Eindruck vermittelt werden, dass Chauvin selbstverständlich schuldig ist und alles andere als eine Verurteilung des 44-Jährigen zu einer langjährigen Haftstrafe eine Überraschung und untrügliches Zeichen des »rassistischen«, von »alten weißen Männern« beherrschten amerikanischen Justizsystems wäre. Doch so einfach liegen die Dinge nicht, denn der Sachverhalt ist sehr viel komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

Zur Rekapitulation: Am 25. Mai wurde George Floyd von den Polizeibeamten James Kueng und Thomas Lane vor einem Lebensmittelgeschäft in Minneapolis festgenommen, weil er im Verdacht stand, Zigaretten mit einer gefälschten 20-Dollar-Note bezahlt zu haben. Später erreichte ein zweiter Streifenwagen mit den Polizisten Derek Chauvin und Tou Thao den Ort des Geschehens. Als dienstältester Beamter übernahm Chauvin das Kommando und fixierte Floyd, der sich seiner Festnahme widersetzt hatte, am Boden, indem er ihm sein linkes Knie auf den Hals drückte. Obwohl Floyd mehrfach sagte, er könne nicht atmen, setzte Chauvin die Fixierung bis zum Eintreffen des von einem der anderen Beamten alarmierten Krankenwagens fort. Ein Sanitäter konnte zu diesem Zeitpunkt keinen Pulsschlag bei Floyd feststellen. Knapp eine Stunde nach seinem Abtransport ins Krankenhaus wurde der damals 47-jährige Afroamerikaner von den behandelnden Ärzten für tot erklärt.

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens gegen den Hauptangeklagten Chauvin dürfte die Beantwortung der Frage sein, was den Tod von George Floyd an jenem Tag verursachte.

Für die Staatsanwaltschaft und weite Teile der veröffentlichten Meinung liegt der Fall klar: Chauvin hat Floyd brutal die Luft abgeschnürt, indem er fast acht Minuten lang auf dem Hals des Festgenommenen kniete, und so dessen Erstickungstod herbeigeführt hat. Abgesehen davon, dass die von Chauvin eingesetzte Technik Teil des Ausbildungsprogramms der Polizei im Bundesstaat Minnesota ist, um renitente Tatverdächtige ruhig zu stellen, gibt es diverse Fakten, die im Widerspruch zur Beweisführung der Anklage stehen:

Im Gespräch mit der Polizei äußerte ein Mitarbeiter des Lebensmittelgeschäftes, der die Streife wegen der mutmaßlichen Bezahlung mit Falschgeld alarmiert hatte, den Verdacht, dass Floyd »schrecklich betrunken« sei. Auch der Polizeibeamte Lane bemerkte nach seinem Eintreffen das fahrige Verhalten von Floyd und fragte ihn, ob er unter Drogeneinfluss stehe, was dieser zunächst verneinte. Später räumte Floyd den Konsum von Rauschgift aber ein.

Die amtliche Autopsie des Leichnams durch die zuständige Gerichtsmedizin von Hennepin County kommt zu dem Schluss, dass Floyd aufgrund eines Herz-Kreislauf-Stillstands zu Tode kam, während er von Polizeibeamten festgehalten wurde. Die These, Floyd sei von Derek Chauvin durch den Druck auf seinen Hals erstickt worden, wird durch die Pathologen nicht bestätigt. In der Strafanzeige des Staates Minnesota gegen Chauvin heißt es denn auch, dass die durchgeführte Obduktion »keine physischen Befunde« ergeben habe, »die die Diagnose einer traumatischen Asphyxie oder einer Strangulation stützen. Herr Floyd litt an Grunderkrankungen einschließlich einer koronaren Aterienerkrankung und einem hypertensiven Herzleiden«. Außerdem sei Floyd mit dem Coronavirus infiziert gewesen, wobei die Rechtsmediziner aber keine Verbindung zwischen der Infektion und dem Tod des Mannes herstellen.

George Floyd wies aber nicht nur erhebliche Vorerkrankungen auf. Vielmehr konnte die Gerichtsmedizin im Blut des Verstorbenen auch die Rauschgifte Cannabis, Fentanyl und Methamphetamin (auch als Chrystal Meth bekannt) nachweisen, wobei die letztgenannte Droge laut Gutachten erst kurz vor dem Tod konsumiert worden war. Außerdem wurde eine sehr hohe Konzentration von Fentanyl im Körper von Floyd festgestellt. Bei Fentanyl handelt es sich um ein synthetisches Opioid, das zur Therapie akuter und chronischer Schmerzen eingesetzt, aber auch als Droge missbraucht wird. Im toxikologischen Bericht heißt es dazu, dass etwa 3 ng/ml Fentanyl im Blut eines Menschen  zum Tod führen können. Bei Floyd wurden dagegen 11 ng/ml gefunden, eine Menge also, die fast viermal so hoch war, wie die üblicherweise legale Dosis, und das auch noch in Kombination mit anderen Rauschgiften. Andrew Baker, Chefpathologe von Hennepin County plädierte deshalb dafür, Herzstillstand infolge einer Fentanyl-Überdosierung als eigentliche Todesursache von Floyd im Autopsiebericht zu vermerken.

Zeugenaussagen zufolge soll George Floyd nach seiner Festnahme fast dreißig Mal gesagt haben, dass er nicht atmen könne. Was in der Medienberichterstattung allerdings regelmäßig verschwiegen wird: Diese Äußerung tat Floyd bereits, als er noch auf dem Rücksitz des Streifenwagens saß, in den ihn die Beamten zunächst platziert hatten und noch bevor er von Chauvin mit dem Knie auf seinem Hals zu Boden gedrückt wurde. Dass der 47-Jährige von Anfang an über Probleme beim Luftholen klagte, dürfte Folge der hohen Fentanyl-Konzentration in seinem Körper gewesen sein. Denn die Droge kann die Atmung eines Menschen verlangsamen oder sogar stoppen.

Floyds Lunge war zum Zeitpunkt seines Todes zwei- bis dreimal größer als normal und zudem mit Flüssigkeit gefüllt. Auch diese Symptome deuten auf eine Opiod-Überdosis hin.

Die Ergebnisse der amtlichen Autopsie lassen es zweifelhaft erscheinen, dass Derek Chauvin tatsächlich für den Tod von George Floyd verantwortlich ist. Das weiß auch die Staatsanwaltschaft, die deshalb die Geschworenen dazu aufgefordert hat, das Gutachten der Gerichtsmedizin zu verwerfen. Man werde beweisen, dass Floyd abweichend von den Ergebnissen der Obduktion nicht an einem Herzstillstand gestorben, sondern durch das Verschulden von Chauvin wegen Asphyxie, also Sauerstoffmangel, erstickt sei, so Sonderstaatsanwalt Jerry Blackwell in seinem Eingangsplädoyer.

Das Vorgehen der Anklagevertretung ist höchst ungewöhnlich. Normalerweise obliegt es der Verteidigung, mit Hilfe von Experten die Ergebnisse der offiziellen Autopsie in Frage zu stellen. In diesem Fall ist es die Staatsanwaltschaft, die den Befunden der eigenen Leichenbeschauer widerspricht. Und das hat einen Grund: Die Untersuchungsergebnisse der Pathologen von Hennepin County sprechen im Fall Chauvin eher für Fahrlässigkeit als für ein Tötungsdelikt, weil es der Polizeibeamte versäumt hatte, auf die gesundheitliche Notsituation von Floyd während seiner Festnahme zu reagieren. Im Falle einer Verurteilung hätte Chauvin mit einer Freiheitsstrafe zwischen 41 und 57 Monaten zu rechnen. Das ist der Staatsanwaltschaft zu wenig. Sie will dem Beschuldigten Mord zweiten Grades nachweisen, was dem Tatbestand des Totschlags im deutschen Recht entspricht. Dann drohten Chauvin bis zu 40 Jahre Haft.

Kurz vor dem Prozessauftakt gestattete es der Vorsitzende Richter Peter Cahill, die Anklage um den Vorwurf des Mordes dritten Grades (ungeplante und unbeabsichtigte Tötung eines Menschen) zu erweitern, was die Chance eines Schuldspruchs durch die Geschworenen erhöht, weil die Hürden für die Beweisführung deutlich niedriger sind. Für diese Straftat kann in Minnesota eine Freiheitsstrafe von bis zu 25 Jahren verhängt werden.

980500_jung_staatsantifaDie Verantwortlichen befürchten offenbar, dass eine milde Bestrafung von Chauvin in der aufgeheizten politischen Stimmung neue Proteste der linken Black Lives Matter-Bewegung und der mit ihr verbündeten gewalttätigen Antifa auslösen könnte, eine Gefahr, die durch die einseitige und lückenhafte Berichterstattung der Medien im Fall Chauvin noch verstärkt wird. Um das zu verhindern, will der Staat Minnesota unbedingt erreichen, dass der Ex-Polizist wegen Mordes und damit zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird. Doch die Prozesstaktik der Staatsanwaltschaft ist riskant. Dass ausgerechnet die Anklagevertretung die Ergebnisse der staatlichen Autopsie verwirft, dürfte die Jury misstrauisch machen und den Eindruck erwecken, dass die Strafverfolgungsbehörden in dem Fall überziehen, um Chauvin langjährig hinter Gitter zu bringen und so ein Exempel zu statuieren.

Das aber könnte am Ende dazu führen, dass sich die Geschworenen entweder nicht auf einen Schuldspruch einigen oder den Angeklagten sogar freisprechen.

Sollte der Prozess gegen Chauvin platzen, hätten auch die anderen drei Polizeibeamten, die an der Verhaftung von Floyd beteiligt waren und wegen Beihilfe angeklagt sind, gute Chancen, ohne Strafe davonzukommen.

Sollte dieses Szenario eintreten, wäre erst recht mit massiven Protesten und Ausschreitungen in den Vereinigten Staaten und einer erneuten Eskalation des von interessierten Seiten heraufbeschworenen »Rassenkonfliktes« zu rechnen.

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Freitag, 09.04.2021