Tyler Durden

Für alle, die bislang nicht besorgt waren …

Sie gehörten bislang zu den Menschen, die nicht besorgt waren? Das sollte sich jetzt ändern.

Nicht China war der Grund für die plötzliche Eskalation. Nicht der Iran. Nicht Nordkorea. Auch nicht die Türkei, obwohl die Türken in dieser Hinsicht gute Arbeit geleistet haben mit ihrer Ankündigung, russische Boden-Luft-Systeme vom Typ S-400 in einer Ecke des Mittelmeers stationieren zu wollen, wo sie nach Energie suchen, obwohl doch das EU-Mitglied Zypern protestiert, dass es sich hierbei um seine Hoheitsgewässer handelt. Es war noch nicht einmal Italien, wo Vizepremier Salvini mit Neuwahlen droht, die ihm vermutlich mehr Rückhalt verschaffen dürften, während er sich auf einen Kampf mit Brüssel vorbereitet. Nein, es war Mexiko (oder genauer gesagt Amerikas Präsident Trump, was nun wieder weniger überraschend ist).

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Bis vor wenigen Tagen hätte ich mit Blick auf den ISM-Einkaufsmanagerindex, der im Mai auf 49,4 wegsackte, noch erklärt, die meisten Sorgen sollten einem China bereiten, zumal die Juni-Zahlen für den Renminbi schon jetzt übel aussehen. Hört man sich darüber hinaus aktuelle Äußerungen aus dem Weißen Haus an und liest die Tweets einiger wichtiger amerikanischer Marktteilnehmer, könnte man durchaus davon ausgehen, dass die Vereinigten Staaten schon bald Sanktionen gegen China verhängen, weil das Land in Xinjiang angeblich Konzentrationslager betreibt. (Leser, die sich privat mit mir unterhalten haben, werden sich erinnern, dass ich bereits seit Langem erkläre, die USA sollten als Nächstes diese logische – und extrem zerstörerische ‒ »moralische« Waffe einsetzen.) Und dennoch bereitet uns nun Mexiko die größten Sorgen, denn Trump hat Folgendes getwittert:

»Am 10. Juni werden die Vereinigten Staaten sämtliche Güter, die aus Mexiko in unser Land kommen, mit 5 Prozent Zoll belegen. Dies gilt, bis es AUFHÖRT, dass illegale Migranten durch Mexiko in unser Land kommen. Der Zoll wird schrittweise ansteigen, bis das Problem der illegalen Einwanderung aus der Welt ist. Dann fallen die Zölle weg. Einzelheiten folgen aus dem Weißen Haus.«

Besagten Einzelheiten zufolge werden die Zölle am 1. Juli auf 10 Prozent steigen, am 1. August auf 15 Prozent, am 1. September auf 20 Prozent und am 1. Oktober auf 25 Prozent. Auf diesem Niveau werden sie eingefroren, wenn die illegale Einwanderung über Mexiko nicht aufhört. Einige Beobachter werden zweifelsohne nun davon sprechen, dass es sich hier um ein »mexikanisches Patt« handelt, eine Situation, aus der niemand als Sieger hervorgehen wird. Doch ganz so ist es nicht, es wirkt vielmehr wie Sumo-Ringen, wobei sich die USA mit ihrem vollen Körpergewicht auf Mexiko werfen.

Folgen und Auswirkungen? Beginnen wir mit den Märkten. Mexiko hat vergangenes Jahr Waren im Wert von 347 Milliarden US-Dollar an die Vereinigten Staaten verkauft und ist zwar ein kleinerer Akteur als China, aber genauso tief in die US-Wirtschaft integriert. Das gilt insbesondere für die Automobilbranche und die Landwirtschaft. Erstens: Der mexikanische Peso verlor nach der Ankündigung 2 Prozent, was ich für ein gewaltiges Understatement halte. Zweitens: Amerikanischen und mexikanischen Wertpapieren wird diese Entwicklung nicht schmecken. Drittens: Die Anleiherenditen in den USA und Mexiko – und weltweit – werden deutlich weiter sinken, das können Sie mir glauben. Wie lange noch, bis die 10-jährigen Schatzbriefe aus den USA unter 2 Prozent fallen? (Clarida von der Fed erklärte, man sei zu einer Lockerung bereit, wenn sich Trendrisiken abzeichnen, und das selbst dann, wenn die Konjunktur »in einer sehr guten Position« ist. Wird dadurch deutlich, mit welchen Trendrisiken zu rechnen ist?)

Auch politisch ist die ganze Sache verfahren. Die Beziehungen zwischen USA und Mexiko werden wieder einmal leiden – und wir erinnern uns, dass »Nafta 2.0«, das Abkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko (USMCA), noch nicht abgeschlossen, geschweige denn ratifiziert ist. Den Mexikanern wird das viel eher wie Nafta 0.0 vorkommen. Innenpolitisch könnte es sich für Trump allerdings als Riesenerfolg erweisen – wer braucht eine Mauer, wenn Zölle die Arbeit erledigen können?! International hingegen soll die Botschaft China vermitteln: »Wir spielen nach ultraharten Regeln.« Was aber bei China ankommt, dürfte eher »Ich bin völlig unberechenbar und nicht vertrauenswürdig« sein. Klingt das nach einem Handelsdeal zwischen den USA und China, dessen Bedingungen Peking zustimmen wird? (Für alle Ökonomen, die noch immer glauben, hier gehe es einzig um die Wirtschaft und die Antwort laute deshalb automatisch »Ja«: Die Antwort ist »Nein«!)

Und was ist mit den Unternehmen, die wegen der 25-Prozent-Zölle ihre Lieferketten bereits aus China abgezogen hatten und nun dachten, die USA würden sich freuen, wenn diese Produktion in das benachbarte Billiglohnland Mexiko umzieht? Da zieht man schon um und dann folgen einem auch noch die Zölle! Wo soll man denn jetzt noch hin? Nach Vietnam? Wie lange wird es wohl dauern, bis auch die in die Schusslinie geraten? In die USA? Ernsthaft? Und wird man in Europa gut schlafen, wenn man sieht, wie die USA mit einem engen Verbündeten und Handelspartner umzuspringen imstande sind? Wie werden sich wohl in Deutschland die Arbeitslosenzahlen entwickeln, wenn die Autobranche mit Strafzöllen belegt wird oder Deutschland als Vergeltung für die NATO aus dem Mittelpunkt der EU gekickt wird? Was das wohl für den Populismus in der EU bedeuten würde …

Selbst wenn Mexiko einfach im Norden und Süden sämtliche Grenzen dichtmacht, wird auf Jahre hinaus auf allen Seiten ein bitterer Nachgeschmack bleiben. Es ist schon ironisch: FALLS die Langzeitstrategie der USA darin bestehen sollte, Arbeitsplätze aus China nach Mexiko zu verlagern, dort auf höheren Gehältern zu bestehen und dann eine Festung gegen China rund um das USMCA-Gebiet zu ziehen, würde das die Gehälter in Mexiko so stark anheben, dass deutlich weniger Menschen zum Arbeiten über die Grenze in die USA würden gehen wollen. Diese Dynamik mag vielleicht dabei helfen, einen Kalten Krieg gegen China zu gewinnen und inzwischen stimmen auch einige Marktteilnehmer mit mir darin überein, dass dies »für den Rest unserer beruflichen Laufbahn Bestand haben könnte«, aber 2020 wird einem das nicht viele Stimmen bringen. Das erklärt die heutigen Nachrichten.

Quelle: Zerohedge

Mittwoch, 05.06.2019