Peter Orzechowski

Geheimer Deal um das syrische Öl?

Kaum hat sich die militärpolitische Lage in Syrien stabilisiert, scharren die Ölkonzerne bereits mit den Hufen: Russische Unternehmen starten mit geologischen Erkundungsarbeiten am Boden und Schelf Syriens. Und auch die amerikanischen Ölmultis wollen sich ein Stück vom Kuchen sichern. Vermutlich haben sich Trump und Putin auf einen Deal geeinigt.

Das russische Energieministerium berichtete Anfang Juli, dass sich Branchenführer des russischen Öl- und Gassektors an der Wiederherstellung der Energieinfrastruktur Syriens – Ölraffinerien, Pipelines und Heizkraftwerke – beteiligen wollen. Diese Unternehmen haben bereits Erfahrungen bei Förderprojekten in dieser Region gesammelt. »Russland hat die Infrastruktur im Nordosten Afrikas, darunter in Libyen, errichtet. Wir haben sehr große Erfahrung beim Bau von Pipelines und haben sie erfolgreich in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas eingesetzt. Falls es keine zusätzlichen militärischen Vorfälle gibt, können wir sie in zwei bis drei Jahren in Syrien wiederaufbauen«, sagte der Generaldirektor des Instituts für Energiestrategie, Vitali Buschujew.

Riesige Erdölblasen vor Syriens Küste

Nach BP-Angaben liegen die erschlossenen Ölvorräte im Land nur bei 2,5 Milliarden Barrel, die Gasvorräte bei 0,3 Billionen Kubikmeter. Zum Vergleich: Im Iran sind es 158,4 Milliarden Barrel Öl und 33,5 Billionen Kubikmeter Gas. Im Fernsehkanal des Libanon, Al Majjaddin, verlautbarte 2013 der Leiter des »center for strategic research« in Damaskus, Imad Fausi Shuaibi, dass man in den küstennahen Gewässern vor Syrien mehr als ein Dutzend große Erdölblasen in nur 250 Metern Tiefe gefunden habe.

»Die geologischen Erkundungen, die von der norwegischen Bohrgesellschaft ANCIS vor der Küste Syriens in ihren Territorialgewässern durchgeführt wurden, haben bestätigt, dass sich dort 14 Erdölvorkommen befinden«, sagte Shuaibi. Unter diesen festgestellten 14 Erdölfeldern lägen noch 4 weitere in etwas tieferen Schichten. Deren Ölvorräte würden denen des Scheichtums Kuwait entsprechen. 6 bis 7 Millionen Barrel könnte Syrien pro Tag fördern – die Ölmacht Nr. 1, Saudi-Arabien, fördert 12 Millionen Barrel/Tag. ANCIS schätzt, dass in diesem Gebiet 37 Milliarden Tonnen Erdöl lagern. Damit stiege Syrien zur viertgrößten Erdöl-Macht der Welt auf.

Natürlich haben das nicht nur die Russen, sondern auch die anderen internationalen Öl- und Gasriesen mitbekommen – allen voran die chinesischen mit ihrem immensen Investitionspotential.

Russische Exklusivrechte

Allerdings werden sich die Mitbewerber von Gazprom & Co. schwertun: Russland wurden im Rahmen eines Ende Januar 2018 mit Syrien unterzeichneten Abkommens zur Energiekooperation exklusive Rechte an der Öl- und Gasförderung zugestanden. Dazu gehört auch die Erlaubnis, beschädigte Bohranlagen und andere Infrastruktur wiederaufzubauen. 2016 hatte Baschar al-Assad bereits Übereinkommen unterzeichnet, die Teile des syrischen Energiesektors an den russischen Partner übertrugen. Das betraf auch Besitzverhältnisse bei Ölfeldern, Förderanlagen und Kraftwerken.

Diese Übereinkommen waren eine Ergänzung des Partnerschaftsabkommens von 2013, das Russland die Entwicklung der syrischen Offshore-Erdgasfelder zusagte. Der Wiederaufbau des Öl- und Gassektors ist freilich mit enormen Kosten verbunden. Bohranlagen, Pipelines und Pumpstationen müssen repariert und wieder in Betrieb genommen werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte 2015 die dafür nötigen Ausgaben mit 27 Milliarden US-Dollar beziffert, aktuelle Schätzungen gehen von 35 bis 40 Milliarden US-Dollar aus.

Der Iran bewirbt sich um Wiederaufbau

Das Ausmaß der Zerstörung wird durch den Rückgang der Ölverkäufe deutlich: Syrien war vor dem Bürgerkrieg der größte Erdölförderer im östlichen Mittelmeerraum. Die erzielten Ölverkäufe machten 2010 noch 25 Prozent der Staatseinnahmen Syriens aus. Die Ölproduktion lag bei rund 380 000 Barrel pro Tag. Die derzeitige Produktion liegt bei etwa 15 000 Barrel pro Tag. Auch beim umfangreichen Wiederaufbau haben sich neben den Russen bereits andere Bewerber zu Wort gemeldet. Der Iran verkündete im September 2017, dass er nach Beendigung des Konflikts eine Ölraffinerie in der Nähe von Homs neu bauen, zwei weitere wiederaufbauen und das Stromnetz des Landes instandsetzen wolle.

Es bleibt jedoch unklar, ob das ursprüngliche Projekt tatsächlich umgesetzt werden kann, da dessen Durchführung einem Konsortium des Iran, Venezuelas und Syriens oblag. Wegen Venezuelas momentan desolater Lage muss eine neue Lösung gefunden werden. Die Iraner haben sich in Syrien bereits den Telekommunikationssektor gesichert. So hat die Iranische Revolutionsgarde den Zuschlag für den Aufbau des syrischen Mobilfunknetzes bekommen. Für weitere massive Investitionen in die syrische Infrastruktur fehlen jedoch die Mittel. Teile des Projekts finden sich nun in den neuen Abkommen mit Russland wieder.

»Friendship Pipeline«

Die Kontrolle von Pipelines, Raffinerien, Verflüssigungsanlagen und Hafeninstallationen ist für die Russen von zentraler geopolitischer Bedeutung. Denn Syrien ist ein Knotenpunkt für den Energieträgertransport im östlichen Mittelmeerraum und nach Europa. Die »Friendship Pipeline« (bzw. »Islamic Pipeline«) soll iranisches Gas durch den Irak und Syrien in den Libanon und von dort nach Europa bringen. Man kann davon ausgehen, dass in diesem Projekt der Grund für eine Annäherung zwischen Russland und den USA zu finden ist: Sowohl für die Russen wie für die Amerikaner sind die Iraner Konkurrenten.

Die einen wollen kein iranisches Gas in Europa, die anderen wollen kein iranisches Öl auf dem Weltmarkt. Und daher könnte es durchaus sein, dass Putin und Trump in Helsinki einen geheimen Syrien-Deal geschlossen haben: Russland darf wiederaufbauen und vor der Küste nach Öl bohren; die USA behalten eines der begehrtesten Stücke des syrischen Kuchens – die bedeutenden Öl- und Gasvorkommen der östlichen Region Deir ez-Zor. Damit bestimmt Washington auch die wirtschaftliche Zukunft Syriens mit.

Denn das dortige Öl wird über Pipelines in Richtung der dicht besiedelten Gebiete im Westen Syriens und in die für den Export wichtige Küstenregion von Latakia geleitet. Die Kämpfe in der Region von Deir ez-Zor hatten dazu geführt, dass die Regierungstruppen die westlichen Ufer des Euphrat und seine Infrastruktur kontrollieren, während die von den USA geführten Rebellen der sogenannten »Freien Syrischen Armee« (Syrian Democratic Forces, SDF) die östliche Seite beherrschen, welche die meisten Kohlenwasserstoffvorkommen aufweist – zum Beispiel Syriens größtes Ölfeld al-Omar, mit einer Tagesförderung von 100 000 Barrel.

Übrigens gehörte dieses Feld zu Royal Dutch Shell, bevor es mithilfe der Rebellen an die USA ging. Sollte es den Syrien-Deal zwischen Trump und Putin geben, dann dürfte sich jeder der beiden als Sieger fühlen: Im Vergleich mit einer Ölförderung vor Ort ist die Kontrolle der Gasfelder momentan die bevorzugte Option für Russland, da Gas der dominierende Stromerzeuger in Syrien bleiben wird. Zudem bestehen ein Drittel der Ölreserven aus schweren, hochviskosen Rohölen, von denen Russland selber große Vorkommen hat, weshalb die Ausbeutung dieser Ölvorkommen vermutlich nicht die oberste Priorität haben wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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