Birgit Stöger

Hessen-Wahl 2018: Ein Hauch von Burundi

Wahlfälschungen kannte man bisher nur aus Bananenrepubliken wie Burundi. Merkwürdigkeiten gab es allerdings auch schon bei den jüngsten Wahlen in Schweden (Kopp exklusiv berichtete). Was sich nun aber in Hessen zugetragen hat, ist schier unglaublich. Hier die Chronologie einer Chaoswahl.

Der deutsche Rechtsstaat scheint gegenwärtig nicht in der Lage zu sein, den demokratischen Wahlvorgang vollumfänglich zu gewährleisten. In Hessen soll es am Wahlabend Ende Oktober zu mehreren folgenschweren »Pannen« gekommen sein, so zumindest die Lesart der linkspolitisch ausgerichteten Frankfurter Rundschau (FR). »Frankfurt korrigiert Wahlergebnisse« lautet die FR-Meldung, die darüber informiert, dass Stimmen nicht ausgezählt, sondern geschätzt, und – eigentlich unglaublich! – einfach der falschen Partei zugeordnet wurden.

Erst am 16. November gab Landeswahlleiter Wilhelm Kanther, Sohn des früheren CDU-Innenministers Manfred Kanther, das angeblich endgültige Ergebnis bekannt. Mit einem Vorsprung von atemberaubenden 66 Stimmen für die Grünen sicherte sich die schwarz-grüne Koalition das politische Überleben. Der Frankfurter Wahlvorsteher Ralf Jack-Hoang, ehemaliger Vorsitzender der Frankfurter Stadtteilgruppe der Grünen für Bockenheim und das Westend, »packte zum Frankfurter Wahl-Chaos« aus und schilderte gegenüber dem Nachrichtenportal von T-Online seine Beobachtungen am Wahlsonntag:

Nach Schließung des Wahllokals in einem Gymnasium des Stadtteils Bockenheim-Süd werden die Stimmen ausgezählt. Ergebnis: Die Grünen liegen mit 261 Stimmen deutlich vor der SPD mit 141. Die Schriftführerin hat nun die Aufgabe, per Telefonanruf im städtischen Wahlamt das Ergebnis durchzugeben. Die Mitarbeiterin am anderen Ende kann jedoch wegen EDV-Problemen die Daten nicht in das Programm WahlWeb – das zum ersten Mal landesweit eingesetzt wird und bereits wegen Sicherheitsbedenken in der Kritik steht – erfassen. Es wird alles handschriftlich aufgenommen. Ein Sprecher des zuständigen Dezernenten Jan Schneider (CDU) wird später erklären, dass anfänglich nur zwei von vierzig Rechnern funktionierten.

»Digitalisierung« live: Tohuwabohu in Hessen

Durch die EDV-Pannen können keine Plausibilitätsprüfungen vorgenommen werden. So wird aus dem gutbürgerlichen Frankfurter Stadtteil Oberrad nach der Auszählung von drei Wahlbezirken ein Ergebnis von nur 6,9 Prozent der Stimmen für die CDU (!) übermittelt. In vergleichbaren Nachbarbezirken, die sich in ihrer sozialen Zusammensetzung nicht wesentlich voneinander unterscheiden, ist das Ergebnis noch auffälliger. So entfallen lediglich 4,4 Prozent für die CDU in der Kasinoschule in Höchst. Die AfD wiederum bekommt in einer Schule im südlichen Stadtteil Sachsenhausen mit vier Wahlbezirken in einem davon nur zwei Stimmen und landet somit bei 0,3 Prozent. In den benachbarten Bezirken sind es jedoch zwischen 4,5 und 10,1 Prozent. Das Wahlamt wird später einräumen müssen, dass in einem Wahllokal 314 Wahlzettel mehr abgegeben wurden, als im vorläufigen Wahlergebnis berücksichtigt waren. Wie der Deutschlandfunk berichtet, gab es elf Wahlbezirke, von denen keine Zählergebnisse, sondern nur Schätzungen in die Ergebnisse der Wahlnacht eingingen.

Beim Verpacken der Wahlzettel habe man dann die nächste Überraschung erlebt, so der aus dem Frankfurter Stadtteil Bockenheim-Süd berichtende Wahlvorsteher Jack-Hoang. Das Wahlamt habe drei Umschläge geliefert, in die – nach Parteien sortiert – die Wahlzettel gesteckt werden sollten. Für eine Partei allein haben man jedoch zwei Umschläge gebraucht. Die überzähligen Wahlzettel seien mangels Umschlägen mit Gummibändern zusammengebunden und dann in zwei Taschen verpackt worden. Tags darauf sollten diese abgeholt werden. Das sei die erst Wahl gewesen, so Jack-Hoang, bei der die Wahlzettel nicht mit nach Hause genommen werden sollten. Diese lagerte somit die Nacht über im nicht verschlossenen Klassenraum.

Hessen ist keine Ausnahme

Der hessische FDP-Kreisvorsitzende Thorsten Lieb hat auch schon die Schuldigen ausgemacht und forderte, die Kreiswahlleiterin Regina Fehler und Wahlamts-Chef Hans-Joachim Grochocki »sofort von allen Aufgaben in diesem Bereich abzuziehen«. Inwiefern in diesem Fall technische Mängel und menschliches Ungeschick einhergingen, lässt sich im Nachhinein wohl nicht mehr feststellen. Ebenso wenig nachvollziehbar bleibt, ob es auch jenseits dieser Vorfälle zu Unstimmigkeiten gekommen ist. Vermutet muss dies werden, da Frankfurt am Main nicht der einzige Ort gewesen sein soll, an dem Klärungsbedarf mit Blick auf die hessischen Wahlergebnisse entstanden sei. Auch andernorts in Hessen wurden die Wahlergebnisse überprüft, teilweise auch neu gezählt. Viele Bürger stellen sich angesichts solch desolater Zustände zu Recht die Frage, ob die Volkssouveränität in Deutschland gefährdet ist. Tatsächlich weist die Entwicklung der vergangenen Jahre in eine klar antidemokratische Richtung, denn das »Hessen-Wahl-Chaos« ist kein einmaliger Vorgang.

Bürgerschaftswahl Hamburg 2015: Bei der letzten Hamburger Bürgerschaftswahl 2015 soll durch einen mutmaßlichen Grünen-Wahlhelfer – nach Darstellung des Hamburger Abendblatts handelt es sich um einen Wahlkampfkoordinator der Hamburger Grünen – mindestens 30 Briefwahlunterlagen gefälscht worden sein. Der Mann soll zahlreiche Bekannte angestiftet haben, ihm ihre Briefwahlunterlagen unausgefüllt zu überlassen. Diese habe er dann ausgefüllt und die Unterschriften der Wahlberechtigten gefälscht. Beim Amtsgericht St. Georg ging nun ein Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft gegen den heute 24-Jährigen ein.

Bürgerschaftswahl Bremen 2015: Das Verwaltungsgericht Bremen stellte Wahlmanipulationen bei der am 10. Mai 2015 durchgeführten Bremer Bürgerschaftswahl zu Ungunsten der AfD fest. Die AfD hatte das Wahlergebnis erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Bremen angefochten, da sie in Bremerhaven nur um wenige Stimmen an der Fünfprozenthürde gescheitert war.

Die Richter attestierten den überwiegend jugendlichen Stimmenauszählern im Bremer Landesteil Bremerhaven – es handelte sich um wahlberechtigte Gymnasialschüler im Alter zwischen 16 und 18 Jahren – unter anderem »Unstimmigkeiten bei den Zählvorgängen«, »Unstimmigkeiten bei den absoluten Zahlen der abgegebenen Stimmen«, »nicht nachvollziehbare Angaben in den Wahlniederschriften« sowie »Divergenzen bei den Unterschriften«. Bremens Landeswahlleiter Jürgen Wayand, mittlerweile im Ruhestand, sah in der nachträglichen Korrektur kein schwerwiegendes Problem.

Die Folgen: Die rot-grüne Mehrheit im Bremer Landesparlament schrumpfte von fünf auf drei Mandate. Die SPD verlor einen Sitz. Die AfD erhielt einen Sitz dazu. Vorerst. Denn: gegen die Entscheidung legten der Wahlleiter Jürgen Wayand und die SPD Einspruch ein. Der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen korrigierte die Entscheidung 2016 und ordnete eine erneute Auszählung der Stimmen im Wahlbezirk Bremerhaven an. Der Staatsgerichtshof entschied nach der Prüfung der Neuauszählung, dass das ursprüngliche Wahlergebnis Bestand habe.

Josef Stalin lässt grüßen

Landtagswahl NRW 2017: Bei der Landtagswahl NRW 2017 kam es in Dortmund, wie in vielen anderen Städten auch, zu erheblichen Unregelmäßigkeiten zuungunsten der AfD. In vier Wahlbezirken wurden für die AfD 0,0 Prozent bei den Zweitstimmen gezählt, obwohl der Erststimmenanteil bei rund 7 bis 8 Prozent lag. Wer sich nach derlei »Wahlpannen« nun an Josef Stalin erinnert fühlt, liegt mutmaßlich nicht ganz falsch. Der kommunistische Diktator und Massenmörder stellte einmal richtigerweise fest: »Die Leute, die die Stimmen abgeben, entscheiden nichts. Die Leute, die die Stimmen zählen, entscheiden alles.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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