Tyler Durden
Nach Hackerangriff auf »Bank of England«: Hedgefonds vertrauliche Daten zugespielt
In den vergangenen Jahren erhoben zahlreiche Trader wie auch diverse Medien immer wieder den Vorwurf, brisante Informationen zur britischen Wirtschaft seien auf geheimnisvolle Weise vorzeitig publik geworden.
Im Jahre 2017 meldete Reuters, »oftmals gehen der Veröffentlichung britischer Daten ungewöhnliche Bewegungen des Pfund voraus«. Die Nachrichtenagentur weiter: »Während der vergangenen zwölf Monate hat sich das Pfund acht Mal wenige Minuten vor Veröffentlichung der Einzelhandelszahlen gegenüber dem Dollar bewegt und korrekt vorweggenommen, wohin sich der Wechselkurs nach Veröffentlichung der Zahlen bewegen würde.« Und weiter: »Das traf sogar dann zu, wenn die Einzelhandelszahlen anders als der von Reuters erhobene Marktkonsens ausfielen. Das löste bei Tradern Spekulationen aus, ob die Informationen nicht vor der offiziellen Bekanntgabe durchgesickert sein könnten.«
Einer dieser Vorfälle trug sich am 17. Februar 2017 zu, als das Pfund Sterling rund drei Minuten vor Bekanntgabe der Januar-Zahlen innerhalb von 15 Sekunden um rund 20 Ticks auf 1,244 Dollar fiel. Die vom britischen Statistikamt ONS vorgelegten Zahlen zeigten, dass der Umsatz noch deutlich schwächer als von den Ökonomen erwartet ausgefallen war, woraufhin der Pfund-Kurs weiter nachgab. In sieben der anderen zwölf Monate, für die Reuters Handelsdaten analysierte, fand sich ein ähnliches Muster. Am auffälligsten waren die Bewegungen des Pfund in den Monaten Januar, Februar, April, Juli, Oktober und November. In fünf dieser Monate fielen die offiziellen Zahlen deutlich schlechter oder besser aus, als es die Ökonomen prognostiziert hatten.
Auf Twitter taten Devisenhändler ihre Meinung kund, dass jemand die Daten durchgestochen haben müsse – eine Klage, die sich nach Bekanntgabe der monatlichen Umsatzzahlen immer wieder wiederholte.
David Woolcock leitet den Ausschuss für Professionalität des Dachverbands der Devisen- und Geldmarkthändler ACI-FMA. Er sagte, seine Prüfung der Daten zeige, dass einige Investoren entweder sehr gut erahnen könnten, wie die Zahlen ausfallen würden, oder man habe ihnen die Zahlen zugespielt.
»Anhand der Tabellen, die Thomson Reuters mir gezeigt hat, scheint es offenkundig so zu sein, dass entweder eine sehr enge Korrelation zwischen privaten/öffentlichen Daten entdeckt wurde, die es Händlern erlaubt, sich vor der Veröffentlichung in Position zu bringen, oder die Zahlen werden durchgestochen«, so Woolcock.
Das Wall Street Journal hat 207 Bekanntgaben öffentlicher Zahlen zu Großbritanniens Inflation, Industrieproduktion und dem Arbeitsmarkt unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich: Bewegten sich die Futures auf britische Staatsanleihen im Vorfeld der Bekanntgabe, war das in 59,5 Prozent der Fälle in die Richtung, die sich als die richtige erweisen sollte. Das bestätigt, dass tatsächlich jemand marktrelevante Informationen vor dem vorgesehenen Veröffentlichungszeitpunkt durchstach oder auf Grundlage der Informationen Handel betrieb. Es sei »sehr unwahrscheinlich, dass wir es hier mit einem zufälligen Muster zu tun haben«, erklärte Professor Alexander Kurov von der West Virginia University, der die Analyse für das Wall Street Journal durchgeführt hatte.
Aber wo sollte man nach der undichten Stelle suchen? Das Wall Street Journal schreibt, vor Veröffentlichung der Einzelhandelszahlen gibt das ONS 41 Personen Einblick. Diese Personen sitzen in der Bank of England, im Wirtschaftsministerium, dem Kabinett, der Downing Street und im Finanzministerium. Diese Personen erhalten 24 Stunden vor Veröffentlichung Zugriff auf die Daten.
Inzwischen haben auch rund ein Dutzend Journalisten von Nachrichtenagenturen wie Reuters 40 Minuten vor der Veröffentlichung Zugriff auf die Daten. Das soll ihnen helfen, Artikel vorzubereiten, die unmittelbar nach Bekanntgabe der Zahlen publiziert werden können. Allerdings erhalten sie diese Informationen in einem verschlossenen Raum ohne Internet- und Telefonzugang und unter Beaufsichtigung von ONS-Personal.
Es scheint, wir wissen inzwischen, wo der Schuldige zu suchen ist.
Die Bank of England teilte am späten Mittwoch mit:
»Eine Audioverbindung, die bei bestimmten Pressekonferenzen der Bank als Reserve für den Fall dienen sollte, dass die Videoverbindung ausfällt, wurde von einem externen Zulieferer der Bank seit diesem Jahr dazu genutzt, anderen externen Klienten Informationen zukommen zu lassen.«
Diese »völlig inakzeptable Nutzung der Audioverbindung erfolgte ohne das Wissen oder die Zustimmung der Bank«, teilte die Zentralbank mit und sprach von laufenden Untersuchungen.
Mit diesem schockierenden Eingeständnis reagierte die Bank of England auf einen Bericht der Times. Die Zeitung hatte gemeldet, dass die internen Systeme der Bank gekapert worden seien und Hedgefonds die Pressekonferenzen der Bank vor der offiziellen Ausstrahlung belauschen konnten.
Die Times schrieb, einer der Zulieferer habe eine Tonübertragung der Pressekonferenzen an Hochgeschwindigkeitstrader übermittelt, die hofften, Profite machen zu können, indem sie eher als der Rest der Welt auf die Äußerungen des Chefs der Zentralbank reagierten. Die Bank of England hat das mittlerweile bestätigt.
Namentlich genannt wurde das Unternehmen nicht, das hinter den zweckentfremdeten Audiofeeds steckte, aber der Zulieferer soll mit einer Finanznachrichtenorganisation verbunden sein, die ihren Kunden einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Tradern verspricht – in einem Feld, in dem es gewaltige Gewinne mit sich bringen kann, Sekundenbruchteile vor der Konkurrenz über eine Information zu verfügen.
Für die offiziellen Videoaufnahmen der Pressekonferenz ist Bloomberg zuständig, aber die Bank beauftragte vor Jahren ein Subunternehmen damit, einen separaten Audiofeed für den Fall zu installieren, dass es Probleme mit der Videoverbindung gibt.
Die Tonverbindung war niemals dafür gedacht, von Außenstehenden genutzt zu werden, doch für eine unbekannte Zahl von Hochfrequenzhändlern wurde sie zur Hauptinformationsquelle und zum Quell enormer Profite.
Die Insidergeschäfte hätten dieses Jahr begonnen, hieß es bei der Bank of England, laut Times hat sich der Zulieferer »mindestens« zu Beginn des Jahres in die Leitung gehackt. Das bedeutet, theoretisch könnte die Abhöraktion seit Jahren dazu genutzt werden, eines der anderen Unternehmen des Zulieferers zu versorgen. Dieses verkaufte seine Informationen an Hochgeschwindigkeitshändler, die auf diese Weise über einen unschätzbaren Vorteil verfügten, wenn es um große marktbewegende Ereignisse ging.
Audiodaten seien leichter zu komprimieren als Videodaten, dadurch hätten die Kunden einen Vorsprung von fünf bis acht Sekunden gegenüber dem restlichen Markt gehabt, schreibt die Times – anders formuliert: Sie hatten eine Lizenz zum Gelddrucken, auch wenn sie damit gegen jede bekannte Regel gegen Insiderhandel verstießen.
Sie habe den Zugang des Zulieferers mittlerweile blockiert, teilte die Bank of England mit und ein Sprecher ergänzte:
»Diese völlig inakzeptable Nutzung der Audioverbindung erfolgte ohne das Wissen oder die Zustimmung der Bank und wird gründlich untersucht.«
Datenlecks in Großbritannien sind seit nahezu drei Jahren bekannt und es ist an der Zeit, dass die Bank of England endlich erkennt, dass sie selbst die Quelle der Lecks war. Was das Unternehmen angeht, das hier die Mauscheleien betrieb, so sind wir uns sicher, dass es sein Geld längst in ein Land verschoben hat, das nicht ausliefert. Der namentlich nicht genannte Anbieter von Finanzmarktinformationen verkaufte diese Audiofeeds für 2.500 bis 5.000 Pfund pro Pressekonferenz und berechnete den Kunden zusätzlich eine Abonnementgebühr.
Dass Systeme der Bank of England missbraucht wurden, damit sich Hochfrequenzhändler einen Wettbewerbsvorteil verschaffen konnten, ist für die Bank of England hochgradig peinlich, denn eine ihrer Aufgaben besteht darin, gerechte und effiziente Märkte zu unterstützen. Zentralbankchef Mark Carney verlässt die Bank am 31. Januar 2020 und wird dann Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Klimaschutz. Er erhält in dieser Rolle einen symbolischen Lohn von 1 Dollar im Jahr.
Die Meldungen erklären möglicherweise, warum vor dem jüngsten Bericht der Bank of England keine Klagen über Informationslecks laut wurden, andererseits zeigen sie auch, warum es wiederholt Fälle gab, in denen augenscheinlich mit Insiderinformationen gearbeitet wurde.
Auch wenn die Bank of England endlich gegen Insiderhandel vorzugehen scheint, nachdem eine unbekannte Zahl von Kunden auf illegale Weise Millionen, wenn nicht gar Milliarden an Gewinnen einstrich, sei daran erinnert, dass auch für Pressekonferenzen bei der Europäischen Zentralbank, der Fed und der Bank of Canada Hochgeschwindigkeits-Audiodienste angeboten werden. Wie viel Geld mögen die Hedgefonds eingesackt haben, die einen Weg fanden, sich in die Audioverbindungen all dieser Zentralbanken zu hacken!
Ob wir das je herausfinden werden?
Vermutlich nicht, erst recht nicht, wenn die fraglichen Zentralbanker beabsichtigen, nach ihrer Zeit bei der Zentralbank zu eben diesen Hedgefonds zu wechseln. Da fragt man sich doch fast, welches Quid pro quo dem ehemaligen Fed-Chef Ben Bernanke geholfen hat, die Rolle als Chefberater bei Ken Griffins Citadel zu ergattern, dem weltweit führenden Hochfrequenzhändler.
Bestellinformationen:
» Eberhard und Eike Hamer: Der große Crash-Ratgeber, 269 Seiten, 22,99 Euro – hier bestellen!
» Dimitri Speck: Geheime Goldpolitik, 329 Seiten, 24,99 Euro – hier bestellen!
» Max Otte: Weltsystemcrash, 639 Seiten, 24,99 Euro – hier bestellen!
» Wisnewski: verheimlicht – vertuscht – vergessen 2020, 284 Seiten, 14,99 Euro – hier bestellen!
Donnerstag, 26.12.2019
Quelle: ZeroHedge