Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider
Nachruf auf Jost Bauch
Professor Dr. Soz. Wiss. Jost Bauch wurde am 1. Mai 1949 als Sohn des Diplomingenieurs Friedrich Kurt Bauch und dessen Ehefrau Katharina Bauch, geb. Vehring, in Osnabrück geboren. Er ist in Münster aufgewachsen und hat dort nach der Martin-Luther-Schule ab 1960 das Johann Conrad Schlaun Gymnasium besucht. Nach dem Abitur 1971 hat er in Bielefeld Soziologie studiert, das Studium als Diplom-Soziologe 1976 abgeschlossen und mit der Promotion begonnen. Seine prägenden Professoren waren die Soziologen Helmut Schelsky und Niklas Luhmann. Schelsky war ihm als unbestechlicher Akademiker, Luhmann, von Haus aus Jurist, als Schule bildender Theoretiker Vorbild. 1980 hat die Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld Jost Bauch den akademischen Grad des Doktors der Sozialwissenschaften verliehen. Die Dissertation Motiv und Zweck. Studien zum Verhältnis von Individuum und bürgerlicher Gesellschaft, hat Niklas Luhmann betreut und begutachtet. Sie wurde 1981 im Verlag Böhlau publiziert.
1994 hat die Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Konstanz Dr. Soz. Wiss. Bauch habilitiert. Damit war das Recht verbunden, der Bezeichnung Privatdozent und dem Doktorgrad die Abkürzung „habil.“ hinzuzufügen. Professor Horst Baier hatte Jost Bauch 1991 wegen seiner medizinsoziologischen Veröffentlichungen und seiner Tätigkeiten im Gesundheitswesen geraten, in diesem Forschungsbereich zu habilitieren. Er hatte die Betreuung und Begutachtung der Habilitationsschrift übernommen. Die venia legendi war die Soziologie der Medizin und des Gesundheitswesens. Die Habilitationsschrift Gesundheit als sozialer Code: von der Geschichte zum System der Medizin. Von der Vergesellschaftung des Gesundheitswesens zur Medikalisierung der Gesellschaft, wurde 1996 unter dem Titel Gesundheit als sozialer Code: von der Vergesellschaftung des Gesundheitswesens zur Medikalisierung der Gesellschaft, vom Juventa Verlag veröffentlicht.
Jost Bauch wurde 2001 zum außerplanmäßigen Professor in der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Konstanz ernannt und hat dort, aber auch an anderen Hochschulen, Soziologie, vor allem Gesundheitssoziologie, gelehrt. Jost Bauch blieb ausweislich seiner stetigen Publikationen sein Leben lang der soziologischen Forschung und Lehre verpflichtet. Er hat zwölf Bücher und mehr als hundert Aufsätze in renommierten Zeitschriften veröffentlicht, gut fünfzig Forumsbeiträge in der Jungen Freiheit geschrieben und viele Vorträge gehalten, immer zur soziologischen Analyse aktueller Ereignisse in Gesellschaft und Politik.
Jost Bauch hat zwölf medizinsoziologische Monographien zum Teil mit Koautoren veröffentlicht. Er war 1998 zusammen mit Gerd Hörnemann Herausgeber des Buches Freiheit und Solidarität im Sozialstaat: Festschrift für Horst Baier. Mit der Politik hat er sich in den folgenden vier Büchern auseinandergesetzt: Der Niedergang. Deutschland in der globalisierten Welt. Schriften wider den Zeitgeist, 2010; Mythos und Entzauberung. Politische Mythen der Moderne, 2014; mit Karl Albrecht Schachtschneider, Einwanderung oder Souveränität. Deutschland am Scheideweg. Nachwort von Harald Seubert, 2015; Abschied von Deutschland: Eine politische Grabschrift. Nachwort K. A. Schachtschneider, 2018. Er hat vier Bände der Neuen Folge der Weikersheimer Dokumentationen mit Harald Seubert (Bände 1, 3 und 4) und Karl Albrecht Schachtschneider (Doppelband 5 und 6) herausgegeben, nämlich Band 1: 35. Jahrestagung 2013, Deutschland und Europa in einer veränderten Welt, 2013; Band 3: 37. Jahrestagung 2014, Wirtschaftsstandort Deutschland. Philosophische, rechtliche, ökonomische und politische Perspektiven, 2015; Band 4: 38. Jahrestagung 2015, In welcher Gesellschaft leben wir, 2016; Band 5: 39. Jahrestagung 2016, Wanderungsbewegung nach Europa – Zwischen Seßhaftigkeit und Migration; Frühjahrstagung März 2017, Demographie und Einwanderung. Wie die Politik versagt; 40. Jahrestagung 2017: 500 Jahre Reformation, 2018.
In mehr als hundert meist grundlegenden Aufsätzen hat sich Jost Bauch mit medizinsoziologischen, gesundheitswissenschaftlichen und sozialpolitischen Fragen der allgemeinen Soziologie, mit oralepidemiologischen Fragen, mit Fragen der oralen Prävention und der zahnmedizinischen Versorgung auseinandergesetzt. Er hat mehr als zwanzig Buchbesprechungen geschrieben. Jost Bauch hat mehrere Jahre lang die Zeitschrift Prävention herausgegeben.
Von 1978 bis 1979 war Jost Bauch als Wissenschaftlicher Angestellter der Pädagogischen Hochschule, Dortmund, von 1979 bis 1997 als wissenschaftlicher Referatsleiter des Referates „Gesundheits- und Gesellschaftspolitik“ bei der Bundeszahnärztekammer in Köln tätig. Von 1981 bis 1989 hatte er einen Lehrauftrag im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Köln für Medizinsoziologie und Gesundheitserziehung. Neben der Tätigkeit bei der Bundeszahnärztekammer hat Jost Bauch seine Habilitationsschrift verfasst. Von 1997 bis 1999 war er freiberuflicher Dozent, u.a. für das mibeg – Institut Medizin in Köln, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege in Bonn, das DAJ, und für die Sozial- und Arbeits- medizinische Akademie Baden-Württemberg. Ab 2000 war er Geschäftsführer der „Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung“ in Marburg. 2002 hat er als freiberuflicher Dozent für Gesundheitsmanagement an der Kolping – Akademie gelehrt. 2004 war Jost Bauch Laienrichter und Schöffe am Landgericht Bonn. 2000 hat er die Vertretung der Professur für Soziologie an der Hochschule Neubrandenburg übernommen. 2007 hatte er in Luzern einen Lehrauftrag an der Hochschule für Soziale Arbeit. 2008 war er wissenschaftlicher Angestellter bei der Gerl GmbH in Köln.
Wissenschaft prägt die Persönlichkeit. Wenn sie den Gesetzen der Wissenschaft gemäß betrieben wird, der Wahrheit und Richtigkeit verpflichtet, lehrt das die Sachlichkeit in allen Dingen des Lebens. Sie erfordert Unabhängigkeit, schult diese aber auch. Jost Bauch hat das unter Beweis gestellt. Er hat sich trotz scharfer Angriffe irregeleiteter Studenten in Konstanz nicht von seinen Erkenntnissen vor allen in der Demographie abbringen lassen und das trotz existentieller Nachteile für seine universitäre Karriere. Die Kollegenschaft hat ihn nicht geschützt. Aber Jost Bauch hat sich als Wissenschaftler und Charakter bewährt. Er hat sich auch durch die „politisch korrekten“ Schmähungen, die ihm die Vorlesungen in seiner Konstanzer Fakultät fast unmöglich gemacht haben, nicht nötigen lassen, Beiträge in der Jungen Freiheit zu unterlassen. Diese Standhaftigkeit hat dem durch seine Lehrer Helmut Schelsky und Niklas Luhmann geprägten aufrechten Westfalen bleibendes Ansehen verschafft. Die Opportunisten verschwinden ohne Ansehen, die wirklichen Professoren bleiben im Gedächtnis des Volkes.
Max Weber und Arnold Gehlen haben ihn beeinflusst. Er kannte sein Fach umfassend. Sein unabhängiger Geist war auf Schulweisheiten oder Modelle nicht angewiesen. Seine historischen Analogien und seine Ironie haben neben den gesellschaftswissenschaftlichen Aussagen in seinen Beiträgen Würze gegeben. Seine stets wohl vorbereiteten, aber frei gesprochenen Vorträge waren kleine Kunstwerke der Wissenschaft, durch seinen Humor mit großem Unterhaltungswert, den ihm seine Hörer mit großem Beifall gedankt haben.
Jost Bauchs Einsichten waren von seinen Erfahrungen der Praxis im Gesundheitswesen genährt. Er konnte diese in vielfach den neuen Lagen gerecht werdenden Theorien umsetzen. Als Akademiker war er ein einflussreicher Praktiker, homo contemplativus und homo politicus. Jost Bauch war eine sittliche Persönlichkeit im besten Sinne der Aufklärung, nicht ohne Religiosität, aber nicht sehr kirchlich, dem Ritus jedoch nicht abgeneigt, immer heiter, dem Leben zugewandt, souverän. Nach Vorträgen hat er gern bei einem guten Tropfen das Gespräch fortgesetzt und mit Frohsinn, Humor und Witzen gewürzt, niemals verletzend, immer verbindend, aber auch niemals anbiederisch oder gar opportunistisch.
Er hat nach seinen universitären Tätigkeiten noch viele Jahre mit voller Tatkraft gewirkt, als Schriftsteller, als Kolumnist, als Redner, hat angeregt und aufgeregt, kritisiert und konzipiert, bis in die letzten Tage. In den letzten sieben Jahren waren wir beide Vizepräsidenten und Präsidenten des Studienzentrums Weikersheim.
Jost Bauch war ein Bürger, im klassischen athenischen Sinne des Politikers. Als Mann der praktischen Vernunft hat Jost Bauch sich nie seiner Pflicht als Bürger entzogen. Er wusste sich dem Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt verantwortlich. Er war überzeugt, dass dieses nur auf der Grundlage von Wahrheit und Richtigkeit, auf der Grundlage der Wissenschaft, aufklärerischer und säkularer Humanität, verwirklicht werden kann. Ideologien und visionäre Utopien lagen Jost Bauch fern. Darum hat er die Europäische Union und die Politik globaler Herrschaft abgelehnt. Von der Notwendigkeit des nationalen Prinzips für Freiheit und Recht, für Demokratie und Sozialität war er auf Grund seiner gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse überzeugt. Er war der Wirklichkeit verbunden, hat diese betrachtet und zu verstehen gelehrt. Er hat viel beigetragen. Jost Buch hatte noch viele Jahre der Schaffenskraft, der geistigen und politischen Wirkung vor sich. Es war noch Vieles und Grundlegendes von Jost Bauch zu erwarten. Deutschland hat das bitter nötig, gerade in den Gesellschaftswissenschaften.
Der unerwartete frühe Tod von Jost Bauch am 2. Dezember 2018, dem ersten Advent diesen Jahres, ist ein unermesslicher Verlust. Er hat alle seine Freunde getroffen, tief in der Seele seine geliebte Frau Kerstin, geborene Koch, aus dem Vogtland, seine Tochter Katja und seinen Schwiegersohn Hans Opper, seine Enkelkinder Sarah und Eric, aber auch seine erste Frau Pam.
Jost Bauch war ein liebender Mensch. Vor allem galt seine Liebe seiner Familie, aber auch seinen Freunden und Mitmenschen. Er hat keinen zurückgewiesen, ist auf alle zugegangen, ohne Unterwerfung, ohne Anbiederung, immer in innerer Souveränität, mit heiterer Würde. Jost Bauch war ein gebildeter Deutscher, ein guter Europäer. Bis in seine letzten Tage hat Jost Bauch der res publica gedient, gedacht, geschrieben, vorgetragen. Wir sind durch die fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit gute Freunde geworden.
Das Leben ist Sein zum Tode. Das memento mori ist in uns. Aber Jost Bauch lebt weiter, in seinen Werken, in seinen Taten, in unserer Liebe.
Berlin, den 11. Dezember 2018
Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider