Michael Brückner

Neuer Schlag Brüssels gegen das Bargeld

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Brüssel neue Restriktionen gegen das Bargeld beschlossen. Gleichzeitig planen große Zentralbanken, eigenes E-Money auf den Markt zu bringen – als Alternative zu den von interessierter Seite zunehmend diskreditierten Kryptowährungen.

Vor dem Hintergrund wichtiger Parlamentswahlen – nicht zuletzt in Deutschland im vergangenen Jahr – waren die Bargeldrestriktionen mit der finalen Absicht der Bargeldabschaffung für einige Monate in den Hintergrund geraten. Wird wohl doch alles nicht so heiß gegessen, wie es von Verschwörungstheoretikern gekocht wird, mag da mancher gedacht haben. Doch jetzt kehrte der »War on Cash«, wie der Kampf gegen das Bargeld bisweilen reichlich martialisch genannt wird, auf die politische Agenda zurück. Aber die von BAMF-Skandal, Iran-Abkommen sowie der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft abgelenkte Öffentlichkeit nimmt es kaum zur Kenntnis.

Ende Mai einigten sich nach Angaben der EU-Kommission die Vertreter der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf weitere gravierende Maßnahmen gegen die Bargeldnutzung. Natürlich geschehe dies angeblich alles nur zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, heißt es wieder einmal offiziell.

Anmeldeschwelle wird aufgeweicht

So soll künftig zum Beispiel die sogenannte Anmeldeschwelle von 10 000 Euro bei der Ein- und Ausreise in beziehungsweise aus der Europäischen Union aufgeweicht werden. Bisher galt die Regelung, dass beim Grenzübertritt Barmittel, bestimmte Wertpapiere und Wertgegenstände (zum Beispiel Goldbarren) ab einem Gesamtwert von 10 000 Euro beim Zoll angemeldet werden müssen. Wer also etwa mit 11 000 Euro im Gepäck aus den Nicht-EU-Staaten Norwegen oder der Schweiz in die EU einreiste und diesen Betrag nicht deklarierte, machte sich strafbar.

Künftig dürfen die Behörden bei entsprechenden Verdachtsmomenten schon bei Beträgen unterhalb der 10 000-Euro Schwelle tätig werden. Darüber hinaus sollen Zollkontrollen auf Bargeld in Postpaketen, auf Prepaid Kreditkarten sowie auf wertvolle Güter wie Gold ausgeweitet werden, hieß es jetzt in Brüssel.

Kommission bleibt Erklärung schuldig

Zur Begründung wurde angeführt, Terroristen hätten angeblich Mittel und Wege gefunden, die Vorschriften zum Barmitteltransfer zu umgehen. Eine detailliertere Erläuterung blieb die Kommission schuldig. Im Klartext bedeutet dies wohl: Mit dem abstrakten Hinweis auf eine angebliche Terrorfinanzierung können die Staaten gegen den Willen der Mehrheit ihrer Bürger immer weitere Schritte bis hin zur Abschaffung des Bargelds beschließen.

Darüber hinaus sollten »kriminelle Gruppen«, die große Mengen Bargeld erwirtschaften, nicht durch Schlupflöcher die Möglichkeit haben, Geld zu verschieben. Von Untersuchungen, die bezweifeln, dass durch die Abschaffung oder Einschränkung des Bargelds auch die Kriminalität eingedämmt werden könnte, lassen sich die Cash Gegner nicht beeindrucken. Schon vor gut eineinhalb Jahren veröffentlichte die Deutsche Bank eine Studie mit dem Titel Bargeld, Freiheit und Verbrechen – Bargeld in der digitalen Welt. Darin heißt es unter anderem, eine Abschaffung von Bargeld werde die gewinnorientierte Kriminalität nicht beseitigen, sondern allenfalls verlagern. Für illegale Transaktionen gäbe es zahlreiche Alternativen zum Bargeld. Die Autoren der Studie hoben gleichzeitig die Vorteile des Bargelds hinsichtlich Datenschutz und Bürgerrechten hervor.

Ähnlich äußerte sich auch das langjährige Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, Carl-Ludwig Thiele, im Buch Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend, herausgegeben vom Deutschen Historischen Museum. Bargeld schütze nicht nur die Privatsphäre der Menschen, es ermögliche ferner eine gute Kontrolle der Ausgaben sowie den Zugang von Kindern zur Welt des Bezahlens, weil der Nachwuchs mit hinterlegten Werten auf Plastikkarten noch nichts anfangen könne, schreibt der Bundesbanker. Schade nur, dass Carl-Ludwig Thiele vor wenigen Wochen aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank ausschied.

Immer wieder ist zu hören, nach der 500-Euro-Banknote solle bald auch der 200-Euro-Schein abgeschafft werden. Von dieser Banknote sind nur rund 207 Millionen im Umlauf (zum Vergleich: Von den 50-Euro-Noten gibt es rund 8 Milliarden Scheine). Es werde bei einer »Beerdigung« dieses großen Scheins vermutlich weniger Kritik geben, als bei der EZB-Entscheidung, die Ausgabe des 500 Euro-Scheins bis Ende 2018 einzustellen, heißt es in Frankfurt hinter vorgehaltener Hand.

Unterdessen wird auch in Staaten außerhalb Europas zum Kampf gegen das Bargeld geblasen. Die australische Regierung hat unlängst beschlossen, dass alle geschäftlichen Zahlungen über 10 000 Australische Dollar (ca. 6300 Euro) nur noch per Scheck, Kartenzahlung oder Überweisung erfolgen dürfen. Die Regelung gilt ab Juli 2019.

Norwegen denkt über E-Money nach

Die norwegische Zentralbank Norges Bank erklärte nun, sie werde Bargeld ausgeben, »solange dafür eine Nachfrage besteht«. Wenn aber die Nutzung von Bargeld abnehme, könne eine digitale Zentralbankwährung eine Alternative sein, um Geld zu transferieren. Die Einführung von E-Money scheint aktuell ganz im Trend zu liegen. Ähnliche Überlegungen gibt es zum Beispiel in Schweden, China, Russland und Venezuela. Im Gegensatz zu den bekannten Kryptowährungen wie etwa dem Bitcoin würde digitales Zentralbankgeld von einer Notenbank ausgegeben und entsprechend eine Forderung an die Zentralbank darstellen. Die Anonymität und Unabhängigkeit gegenüber den Noten- und Geschäftsbanken, wie sie von Anhängern der Kryptowährungen geschätzt werden, wären mithin nicht mehr gegeben. Das Heft des Handelns läge wieder in den Händen der Zentralbanken.

Jetzt wird auch deutlich, weshalb Anfang des Jahres plötzlich rund um den Globus eine Art konzertierte Aktion seitens vieler Notenbanken und Geschäftsbanken sowie mehrerer Regierungen gegen die Kryptowährungen losgetreten wurde: Wenn es schon digitale Währungen geben soll, dann nicht weitgehend anonym und unabhängig vom klassischen Finanzsystem, sondern herausgegeben von den Notenbanken. Auf diesen Zusammenhang haben wir bereits in Kopp Exklusiv 7/2018 (»Die Krypto-Verschwörung«) hingewiesen. In der nächsten Ausgabe gehen wir der Frage nach, was von dem sogenannten E-Money als alternativem Zentralbankgeld zu halten ist und welche Notenbanken darüber nachdenken.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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