Birgit Stöger
So funktioniert die »Anti-Abschiebe-Industrie«
Die Vorgänge im baden-württembergischen Ellwangen sind ein weiterer Beleg für ein totales Staatsversagen. Und sie zeigen exemplarisch, dass es in der Tat eine »Anti-Abschiebe-Industrie« gibt.
Der abzuschiebende Afrikaner Yussif O., an dem sich die Flüchtlingskrawalle in Ellwangen entzündeten, wurde nach massiven Drohungen durch einen afrikanischen Mob von der Polizei wieder freigelassen und tauchte zunächst unter. Wenige Tage später konnte der Abzuschiebende bei einem Großeinsatz dann doch noch in Gewahrsam genommen werden. Kurz nach der Festnahme ließ das Polizeipräsidium Aalen durch einen Sprecher verlautbaren, es sei nicht geplant, den abgelehnten Asylbewerber aus Afrika in Abschiebehaft zu nehmen. Er und weitere Unruhestifter aus der Asylunterkunft sollten zeitnah verlegt werden. Später erklärte dann das baden-württembergische Innenministerium, dass Abschiebehaft für den abgelehnten westafrikanischen Asylbewerber beantragt worden sei und er nach Italien zurückgeschickt werden solle.
»Seine Abschiebung und die Verhaftung sind rechtswidrig, weil jetzt Deutschland für sein Asylverfahren zuständig ist. Italien ist kein zumutbares Land für meinen Mandanten«, erklärte fast zeitgleich der Rechtsanwalt des Togolesen, Engin Sanli, gegenüber den Medien. Nach Darstellung des Anwalts – Engin Sanli ist Mitglied im SPD-Ortsvorstand Stuttgart-Rot und kandidierte mehrmals in Stuttgart für den Landtag und Gemeinderat – habe sein Mandant bereits Mitte September 2017 einen Bescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommen, wonach er nach Italien zurückgeführt werden solle. Dagegen war laut Sanli eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht worden.
»Bislang haben wir dazu aber noch keine Entscheidung erhalten«, so die rechtliche Vertretung des Abzuschiebenden. Seit Einreichung der Klage genieße sein Mandant vorläufigen Rechtsschutz. Was Rechtsanwalt Sanli nicht erwähnte: Schon Ende Februar 2018 hatte die Bundespolizei versucht, Yussif O. nach Italien zurückzubringen. Doch auch der erste Versuch scheiterte, weil sich der Togolese der Zurückschiebung verweigerte.
Vor wenigen Tagen lehnte das zuständige Verwaltungsgericht Stuttgart den durch Salin eingereichten Eilantrag ab und erklärte die Zurückschiebung des Togolesen nach Italien für zulässig. Der Anwalt gab bekannt, zeitnah auch gegen diese gerichtliche Entscheidung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegen zu wollen.
Anti-Abschiebe-Industrie sabotiert die Bemühungen des Rechtsstaates
Alexander Dobrindt, Landesgruppenchef der CSU im Deutschen Bundestag, hatte nach dem Vorfall in Ellwangen und mutmaßlich in Anbetracht der näher rückenden bayerischen Landtagswahlen gleichsam ein AfD-Plagiat öffentlichkeitswirksam platziert. Der ehemalige Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur beklagte eine »aggressive Anti-Abschiebe-Industrie«, welche die Bemühungen des Rechtsstaates sabotiere. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.
Dobrindt kritisiert zudem, dass Anwälte oft Klagen übernehmen, die kaum Aussicht auf Erfolg haben. Der CSU-Funktionär wird in seinen Aussagen von seinem Parteivorsitzenden, Innenminister Horst Seehofer, unterstützt. »Niemand will den Rechtsstaat infrage stellen«, sagte Seehofer vor einer CSU-Präsidiumssitzung in München. Man müsse jedoch »schon auf die Tatsache hinweisen, dass die Asylbescheide in ungewöhnlich hoher Zahl beklagt werden. Fast jeder zweite Asylbescheid landet vor Gericht. Das kostet Zeit, bindet Ressourcen, oft in absolut vergleichbaren Sachverhalten«, so die seit langem bekannte Tatsache. Bei Asylverfahren wird seit 1995 generell zwischen Erst- und Folgeanträgen unterschieden: Beantragt ein Asylsuchender das erste Mal Asyl, liegt ein Erstantrag vor. Wird ein Asylantrag zurückgenommen oder vom BAMF abgelehnt, hat der Asylsuchende die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen.
Im Jahr 2016 erreichte die Anzahl der Asylanträge einen Höchststand: Zwischen Januar und Dezember 2016 zählte das BAMF 745 545 Erst- und Folgeanträge auf Asyl und damit mehr als im Vorjahr. 2015 hatten 476 649 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Zwischen Januar und Dezember 2017 nahm das Bundesamt insgesamt 222 683 Asylanträge entgegen. In diesem Jahr sind es bisher 46 826 Anträge. Die meisten der Asylsuchenden stammen aus Syrien, Irak und Nigeria.
Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, müssen Deutschland innerhalb kurzer Zeit verlassen und sind somit ausreisepflichtig. Reisen sie nicht innerhalb einer festgelegten Frist freiwillig aus und liegen weder Hinderungsgründe, wie zum Beispiel eine Krankheit, noch eine Duldung vor, muss die Ausländerbehörde sie abschieben. Jedoch bedeutet ein abgelehnter Asylantrag noch lange nicht, dass es für den Betreffenden tatsächlich nach Hause oder, wie im Fall des Togolesen, in das für seinen Asylantrag zuständige Land Italien geht. Denn: Wird ein Asylantrag abgelehnt, besteht immer die Möglichkeit, die behördliche Entscheidung durch das zuständige Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen. Für den Ausreisepflichtigen gilt es unter allen Umständen, Zeit zu gewinnen. Je länger es einem abgelehnten Asylbewerber gelingt, in Deutschland zu bleiben, desto unwahrscheinlicher wird seine Abschiebung.
Es gibt sie doch, die »Anti-Abschiebe-Industrie«
Von diesem uneingeschränkten Klagerecht – das Erheben von Klagen steht jedem im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze zu – wird in einem ungeheuerlichen Ausmaß Gebrauch gemacht. Die deutschen Gerichte wurden und werden mit Klagen gegen abgelehnte Asylgesuche geradezu überzogen und sind hoffnungslos überlastet. Mehr als 320 000 Verfahren sind allein dazu anhängig.
Dem abgelehnten, aber klagewilligen Asylbewerber steht hier eine Armada von Hilfs-und Flüchtlingsorganisationen zur Seite. An vorderster Front die sogenannten, in jedem Bundesland vertretenen »Flüchtlingsräte«. Die eingetragenen Vereine, allesamt durch Steuergeld unterstützt und – wie im Fall des Bayerischen Flüchtlingsrates – fest im linksextremistischen Milieu vernetzt, zeigen dem ambitionierten Helfer auf, was genau zu tun ist, wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg bietet auf seiner Internetseite unter dem Motto »Aktiv für Flüchtlinge« Fortbildung und Materialien für die Unterstützung von Flüchtlingen an.
Dort werden Antworten auf die Fragen »Wie werden Klage bzw. Eilantrag eingereicht?« ebenso beantwortet wie die Frage nach den Anwaltskosten. Das Helfernetzwerk spannt sich weiter über die katholische Caritas, ihr Gegenstück, die evangelische Diakonie, hin zu Vereinen wie »Pro Asyl«, »Berlin hilft« oder DRK. Diese und zahlreiche weitere Organisationen und Verbände, die sich darauf spezialisiert haben, den Weg durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu popularisieren, stellen das Bindeglied zwischen dem abgelehnten Asylbewerber und seiner rechtlichen Vertretung dar.
So preist die Caritas bereits seit Jahren die Dienste von rund 60 Anwälten an, die sich bundesweit zu einer »Rechtsberaterkonferenz« zusammengeschlossen haben. Das geschäftstüchtige Konglomerat hat mit der Caritas, dem Deutschen Roten Kreuz und der Diakonie Beratungsverträge abgeschlossen. Diese beinhalten die kostenlose Beratung von Flüchtlingen und anderen angeblich schutzbedürftigen Ausländern. Beraten werden die Ratsuchenden in aller Regel direkt in den Asylunterkünften bei Fragen rund um das Asylverfahren. Zur Sprache kommen aber auch Strafverfahren wegen illegaler Einreise und/oder Urkundenfälschung. Allein in Berlin listet der dortige linkspolitische Flüchtlingsrat 124 Anwälte auf, die sich mit Ausländer- und Asylrecht befassen.
Wer trägt die Kosten?
Laut Auskunft einer Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten belaufen sich die Anwaltskosten für ein Asylklageverfahren bei einer dreiköpfigen Familie auf rund 1600 Euro. Der Gegenstandswert beträgt 5000 Euro für die erste Person plus jeweils 1000 Euro für jede weitere Person im selben Verfahren. Insofern darf durchaus behauptet werden, dass die Klagewelle vor Verwaltungsgerichten für manche Rechtsvertreter ein sehr gutes Geschäft darstellt. Die Frage, wer die Kosten für die Verfahren trägt, kann grob umrissen wie folgt beantwortet werden: in den seltensten Fällen der Asylbewerber. Verwaltungsgerichte sind in Asylverfahren für den Kläger umsonst. Die Beklagten sind öffentliche Institutionen, die Richter öffentliche Bedienstete, und deshalb tragen die Steuerzahler sowohl die Anwaltskosten der Beklagten wie auch die Gerichtskosten.
Die mit Steuergeldern unterstützten Vereine wie »Berlin hilft« bieten Asylbewerbern Rat und Tat, wenn es gilt, Klage gegen abgelehnte Asylanträge einzureichen. Die Betroffenen werden umfassend aufgeklärt. Ein Beispiel: »Wird ein/e Rechtsanwalt/anwältin beauftragt, trägt die Kosten hierfür (zunächst) der Flüchtling. Grundlage ist der zwischen Anwalt/Anwältin und Flüchtling (= AuftraggeberIn) geschlossene ›Beratungsvertrag‹, der unterschiedlich ausgestaltet sein kann. In der Regel werden eine Vorschusszahlung und hinsichtlich des Restbetrags ›Ratenzahlung‹ vereinbart. Hat die Klage (vollständig) Erfolg, werden dem Flüchtling die Verfahrenskosten, wozu auch die Rechtsanwaltskosten zählen, von der Gegenseite, also dem BAMF, genauer: der Bundesrepublik Deutschland, erstattet. Es gilt der Grundsatz ›Die/Der VerliererIn zahlt‹. Zudem gibt es die Möglichkeit, beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen. Neben der finanziellen Bedürftigkeit der Klägerin/des Klägers ist Voraussetzung, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Unter Umständen kann der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg auch einen Antrag auf Bezuschussung der Rechtsanwaltskosten beim Rechtshilfefonds von Pro Asyl einreichen.«
Ein großer Teil der Asylsuchenden hat mit den Klagen Erfolg. Rund 44 Prozent aller Verfahren, die vor den Verwaltungsgerichten inhaltlich entschieden werden, gehen demnach für die Asylsuchenden erfolgreich aus. Sie gelten dann als asylberechtigt oder als schutzbedürftig gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention. Für all jene Immigranten, bei denen das zuständige Gericht oder das BAMF feststellt, dass kein Schutzgrund besteht, gibt es dann noch die Härtefallkommission, vertreten in allen Bundesländern. So ist dieses Gremium in Berlin vor allem mit Personal der Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen besetzt. Im Jahr 2017 entschied die Kommission 70 Prozent der beratenen Fälle positiv. Vorher hatte diese Quote unter dem CDU-Innensenator Frank Henkel noch bei 38 und 58 Prozent gelegen.
Klagen und wieder klagen
Die Überlastung der Gerichte durch Asylverfahren hat für den deutschen Staatsbürger neben den zu tragenden Kosten sehr direkte Auswirkungen: Ganz alltägliche Verfahren, die ebenfalls nur von ordentlichen Gerichten zu klären sind, bleiben völlig auf der Strecke. Hinzu kommt, dass seit geraumer Zeit im großen Umfang Verwaltungsbeamte zur Bearbeitung von Asylverfahren herangezogen wurden, die nun bei allgemeinen Verwaltungsdienstleitungen fehlen. Und so wartet der Bürger auf Geburtsurkunden oder Hochzeitsaufgebote Wochen oder gar Monate. Die Funktionsfähigkeit elementarer staatlicher Aufgabenbereiche droht langsam, aber sicher zusammenzubrechen.
Das deutsche Asylrecht weist einen Konstruktionsfehler auf, wenn gegen gerichtliche Entscheidungen langwierige Einspruchsverfahren geführt werden können. Darüber hinaus wird klar, dass der ausdefinierte Rechtsweg, den unsere Gesetze vorsehen, in ihrer Entstehungsphase noch keine Masseneinwanderung und berufsmäßigen Asylmissbrauch kannte. Die Institutionalisierung von Asylklagen legt zudem nicht nur unsere Justiz und Verwaltung lahm, sie ist auch Teil des Anreizsystems, dem immer mehr illegale Migranten nach Deutschland folgen. Diese wissen, spätestens wenn sie in Deutschland durch die erwähnten Organisationen vollumfänglich unterrichtet werden, dass – auch wenn ihr Asylantrag aussichtslos ist – sie dennoch jahrelang bei vollen Sozialbezügen in Deutschland verbleiben können. Der Weg zum Ziel: Klagen und wieder klagen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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