Peter Orzechowski

Syrien: Merkels Kriegslüge

Deutschland werde sich nicht an militärischen Aktionen gegen Syrien beteiligen, verkündet Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sogar Oliver Welke ist in der heute-Show von dieser Entscheidung begeistert. Das Problem ist nur: Merkels Ankündigung ist eine Lüge. Deutsche Soldaten sind rund um Syrien längst im Einsatz.

»Wir sehen und unterstützen, dass alles getan wird, um ein Zeichen zu setzen, dass der Einsatz von Chemiewaffen nicht akzeptabel ist«, fuhr Merkel unmittelbar vor dem Einsatz amerikanischer, britischer und französischer Cruise Missiles gegen Ziele in Syrien fort. Die in den frühen Morgenstunden des 14. April erfolgten Angriffe mit mehr als 100 Marschflugkörpern galten drei Einrichtungen in Syrien, die dem Chemiewaffenprogramm des Landes zugerechnet werden – einem Forschungszentrum in Damaskus und zwei vermuteten Lagerstätten für chemische Waffen.

Wie passt das aber zur Vernichtung der chemischen Kampfstoffe Syriens unter Aufsicht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (englisch: Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, OPCW) und unter Beihilfe der USA und Deutschlands vor zwei Jahren? Die OPCW hatte damals vermeldet: »Mission accomplished«. Vorbehalte gab es nur, weil die OPCW keinen Zugang zu den Rebellengebieten hatte, und einige wenige der relevanten Einrichtungen auf diesem Gebiet lagen. Die Ziele des jüngsten Militärschlags lagen aber nicht auf ehemaligem Rebellengebiet. So dass die Behauptung, da gäbe es Chemiewaffen, die Aussagen der OPCW konterkariert, oder aber darauf hindeutet, dass bekannt war, dass kein Risiko besteht.

Nach Merkel soll Deutschland »unterstützen«, dass ein »Zeichen gesetzt« werde. Wie sah diese Unterstützung vor dem Angriff aus? Klar ist: Deutschland ist das Nachschubzentrum der NATO. Ob im Osten Europas oder im Nahen Osten – ohne Ramstein, Leipzig und andere Stützpunkte gäbe es keine NATO-Militäreinsätze. Ist das etwa keine Beteiligung?

Offene Kritik übte Merkel in diesem Zusammenhang an Moskau: Es sei »umso bedauerlicher«, dass es wegen Russland im UN-Sicherheitsrat keine Einigung zu dem US-Vorschlag gegeben habe, »gemeinsam zu untersuchen, wo solche Giftstoffe herkommen… Ich finde, das wirft kein gutes Licht auf das Verhalten von Russland«, sagte Merkel.

Beweise schuldig geblieben

Trotz gegenteiliger Beteuerungen der syrischen Regierung verfügt Damaskus nach Einschätzung Merkels weiter über Chemiewaffen. »Wir haben uns damals mit daran beteiligt, dass die syrischen Chemiewaffen vernichtet wurden […] und müssen jetzt erkennen, dass ganz offensichtlich diese Vernichtung nicht vollständig erfolgt ist«, so Merkel. Beweise für diese Behauptung legt die Kanzlerin natürlich nicht vor. Bei dem angeblichen Chemiewaffeneinsatz der syrischen Truppen sollen in Duma in der Region Ost-Ghuta Dutzende von Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt worden sein.

Militärische Tatsachen

Entgegen diesen Aussagen der deutschen Kanzlerin beteiligt sich die Bundeswehr sehr wohl an militärischen Aktionen gegen Syrien. So ist vor wenigen Tagen die deutsche Fregatte Hessen nach Informationen der US-Marine mit dem US-Flugzeugträger Harry S. Truman in Richtung Mittelmeer aufgebrochen. Die Hessen lag zuletzt im Marinehafen von Norfolk und begleitet nun den US Kampfverbund mit gut einem Dutzend Kriegsschiffen um die USS Harry S. Truman auf der ersten Wegstrecke.

»Derzeit ist geplant, dass die Fregatte nach Ankunft im Mittelmeer beim Verband verbleibt und mit diesem an verschiedenen Übungen teilnehmen wird«, teilt das Marinekommando mit. Genaue Planungen würden nach Ankunft des Verbandes im Mittelmeer erfolgen, heißt es offiziell.

Der Verband um die USS Harry S. Truman mit gut 6500 Besatzungsmitgliedern wird im Einsatzgebiet der 5. Flotte (Mittelmeer, Kommandostandort: Neapel) und der 6. Flotte (Persischer Golf, Rotes Meer, Arabisches Meer, Teile des Indischen Ozeans, Standort: Bahrain) aktiv sein. »Die Entsendung ist Teil einer regulären Kräfterotation, um die Krisenreaktionsfähigkeit zu bewahren und Sicherheitskooperationen im Einsatzgebiet zu verstärken sowie die Marinepräsenz im Gebiet der 5. und 6. Flotte zu erhöhen«, heißt es bei der US-Marine.

Zweites Beispiel für Deutschlands militärisches Engagement in Syrien ist die Verlegung von deutschen Flugzeugen vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik auf die jordanische Luftwaffenbasis Al Azraq. Von dort aus operieren amerikanische und britische Spezialkräfte.

Zunächst wurde ein Airbus A310 MRTT (Multirole Transport Tanker) zur Einsatzunterstützung durch Luftbetankung in Al-Azraq stationiert, dann folgten vier Aufklärungs-Tornados, die regelmäßig zu Aufklärungsflügen über Syrien und dem Irak starten. Das war im Übrigen keine einfache Verlegung, denn die Aufklärer sind auf eine umfangreiche technische Infrastruktur insbesondere zur Auswertung der Luftaufnahmen angewiesen. Diese Technik, wie zum Beispiel die Ground Exploitation Station, die Auswerteeinheit für die Aufklärungsergebnisse, wurde über Monate in Jordanien aufgebaut. Die deutschen Tornados waren vor einem Jahr in die Kritik geraten, weil sie Gebäude, in denen später Zivilisten ums Lebens kamen, zwei Tage vor dem US-Angriff überflogen.

Drittes Beispiel: Beteiligt ist die Bundeswehr auch an den Besatzungen der AWACS Luftraumüberwachungsflugzeuge der NATO. Ohne diese riesigen Maschinen ist keine moderne Kriegsführung möglich. Schließlich ist zu vermuten, dass deutsche Spezialkräfte ebenfalls – geheim und ohne Mandat – in Syrien im Einsatz sind. Das waren sie schon im Irak-Krieg 2003 – wie mir damals ein Insider aus der Truppe versicherte – obwohl der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder publikumswirksam eine deutsche Beteiligung am Krieg ausschloss.

Warum kann eine deutsche Regierung diese Beteiligungen nicht einfach zugeben? Der mitdenkende Bürger hat die Wahrheit ohnehin längst erkannt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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