Tyler Durden

Erinnern Sie sich, als die USA zugelassen haben, dass syrische »Rebellen« chemische Waffen benutzt haben?

Und schon wieder ein Déjà-vu.

Wir erinnern uns: Die USA haben eingeräumt, dass syrische »Rebellen« Chemiewaffen eingesetzt haben. Und wir erinnern uns auch noch daran, dass der damalige US-Außenminister Russland die Schuld an einem Chemiewaffenangriff in Syrien zuwies, aber gleichzeitig eingestand, er wisse nicht, wer es tatsächlich gewesen sei. Und wir erinnern uns auch daran, dass die USA schließlich einräumten, es gebe keine Beweise dafür, dass Assad den Giftstoff Sarin eingesetzt hat. Und es ist keine Woche her, dass Trump erklärte, die USA würden sich endlich aus Syrien zurückziehen, schließlich sei der IS ja besiegt (eine Aussage, die im Pentagon große Empörung auslöste – was ist jetzt mit dem zeitlich nicht begrenzten Fahrplan zum Abbau syrischer Ressourcen?).

An all das erinnern wir uns, aber ganz anders sieht das bei den Neokonservativen aus, die jetzt, wo der Falke John Bolton als Trumps Berater für nationale Sicherheit agiert, wieder volle Kontrolle über die Außenpolitik genannten Kriegsvorbereitungen der USA haben. So sehr stecken sie in ihrer Sichtweise fest, dass es Assad darauf anlegt, um jeden Preis bombardiert zu werden, dass all das, was wir noch vor Augen haben, völlig irrelevant ist. Stattdessen lautet die ach so große Geschichte wieder einmal, dass der böse Assad beschlossen hat, erneut »Rebellen« mit Gas anzugreifen, und das, obwohl er doch den Krieg gegen die von den USA unterstützten Aufständischen inzwischen immer deutlicher gewinnt und obwohl er doch sehr gut weiß, dass ein angeblicher »Chemiewaffen-Angriff« Trump vor exakt einem Jahr dazu brachte, Syrien mit Dutzenden Marschflugkörpern zu beschießen.

Das ist der Stand der Dinge und wenn Ihnen all das bekannt vorkommt, sind Sie nicht die einzigen.

Am Samstagabend fand angeblich ein Angriff mit Chemiewaffen auf die von Rebellen besetzte syrische Stadt Duma in Ost-Ghuta statt. Medizinische Dienste mit Verbindungen zu den USA meldeten Dutzende Tote und Washington antwortete umgehend, dass, sollten sich die Berichte bestätigen, eine sofortige internationale Reaktion erforderlich sei. Ach, den Teil mit »sollten sich die Berichte bestätigen« können wir genauso gut auch streichen. Als Amerika am 7. April 2017 in Syrien »intervenierte«, legte man es auch nicht groß auf Beweise an. Das einzige, was Trump benötigte, war eine geopolitische Ablenkung.

Scheint so, als benötigt er nun – wo ein Gespräch mit Sonderermittler Robert Mueller angeblich kurz bevorsteht – eine neue Ablenkung, und zwar am besten eine, die belegt, wie wütend er auf Putin ist.

49 Menschen seien bei dem Angriff am Samstag gestorben, meldeten die medizinische Hilfsorganisation Syrian American Medical Society (SAMS) und der Zivilschutz, der in von Rebellen besetzten Gebieten operiert. Andere Beobachter sprachen von 150 Toten oder noch mehr.

Die Reaktion der Assad-Seite war ähnlich vorhersehbar: Das syrische Regime, das sich im Amt hält, obwohl die USA seit sechs Jahren versuchen, die Regierung durch einen Stellvertreterkrieg zu stürzen, um anschließend leichter Erdgas aus Katar nach Europa pumpen zu können, hat bestritten, dass seine Streitkräfte einen Angriff mit chemischen Waffen durchgeführt haben. Tatsächlich würden die Stellungen der Rebellen in sich zusammenbrechen, deshalb würden die Rebellen derartige Meldungen produzieren, hieß es aus Damaskus.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, Dschaisch al-Islam fabriziere Falschmeldungen von »chemischen Angriffen in einem offenkundigen und gescheiterten Versuch, die Erfolge der syrischen Armee zunichte zu machen«.

Reuters teilte mit, man könne die Berichte nicht über unabhängige Quellen bestätigen. Ähnlich äußerten sich andere Beobachter: Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, sie könne nicht verifizieren, ob bei dem Angriff am Samstag chemische Waffen verwendet wurden.

Aber wie bereits gesagt – wer braucht schon Beweise. Schließlich war es 2013 ein »Chemiewaffen-Angriff«, der die Dinge ins Rollen brachte und sich später als Falschmeldung herausstellte. Das hat damals als Grundlage ausgereicht, warum also nicht auch jetzt? Was nicht fehlen darf: Ein Video »örtlicher Medienaktivisten«, auf dem die Körper von vermeintlichen Opfern des Chemiewaffen-Angriffs in Duma zu sehen sind, darunter auch Frauen und Kinder. Noch einmal: Bislang hat niemand tatsächlich zweifelsfrei bestätigen können, dass überhaupt jemand gestorben ist.

Unterdessen scharren die USA mit den Hufen in Erwartung des erhöhten Militärhaushalts. Und natürlich hatte man die empörte Reaktion auch schon parat. Die Berichte, wonach ein Angriff zahlreiche Opfer gekostet habe, seien »erschreckend« und würden, sofern sie bestätigt sind, »eine unmittelbare Reaktion der internationalen Gemeinschaft erfordern«. Das britische Außenministerium bezeichnete die Berichte – sofern sich ihr Wahrheitsgehalt bestätigen würde – als »sehr beunruhigend«. Weiter: »Es bedarf einer dringenden Untersuchung, und die internationale Gemeinschaft muss reagieren. Wir fordern das Assad-Regime und seine Unterstützer Russland und Iran auf, die Gewalt gegen unschuldige Zivilisten zu unterbinden.«

Auch hier gibt es zwar noch die Einschränkung, dass die Berichte nicht bestätigt seien, aber wenn man sich den Fall Skripal ansieht, kann man davon ausgehen, dass man den Verdacht nur oft genug wiederholen muss.

Trump leistete gleich am Sonntagmorgen seinen Teil, als er mehrere Tweets zu dem angeblichen Angriff absetzte und sich dabei äußerte, als sei alles bereits bestätigt – also genau so, wie man es erwarten würde, wenn die Situation rascher eskaliert werden soll:

»Viele tot, darunter Frauen und Kinder, nach sinnlosem CHEMISCHEN Angriff in Syrien. Schauplatz der Gräueltat ist mit Ausgangssperre belegt und von der syrischen Armee eingekreist, damit vom Rest der Welt völlig abgeschnitten. Präsident Putin, Russland und Iran sind verantwortlich dafür, das Tier Assad zu unterstützen. Hoher Preis wird fällig. Gebiet sofort für medizinische Hilfe und Verifizierung öffnen. Weitere humanitäre Katastrophe ohne jeglichen Grund. KRANK!«

Obendrein beschloss Trump dann, gleich noch Obama wegen dessen »roter Linie« den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen. Auch hier arbeitete er mit der Prämisse, dass der Angriff bestätigt worden sei:

»Hätte Präsident Obama reagiert, als die »rote Linie« überschritten wurde, wäre die syrische Katastrophe bereits seit Langem vorüber! Das Tier Assad wäre Geschichte!«

Heather Nauret, Sprecherin des amerikanischen Außenministeriums, erinnerte an den Angriff mit dem Nervengas Sarin, der vergangenes Jahr im Nordwesten Syriens stattfand. Für diesen Angriff machten der Westen und die Vereinten Nationen die Regierung Assads verantwortlich. Nauret: »Die Regierung Assad und ihre Unterstützer müssen zur Verantwortung gezogen werden, jegliche weiteren Angriffe müssen sofort unterbunden werden.« Und weiter: »Die Vereinigten Staaten fordern Russland auf, diese komplette Unterstützung sofort zu beenden und mit der internationalen Gemeinschaft daran zu arbeiten, weitere barbarische Angriffe mit chemischen Waffen zu verhindern.«

Erneut erklärten die USA zudem, dass Russland »letztlich die Verantwortung trägt« für alle chemischen Zwischenfälle in Syrien, unabhängig davon, wer sie verübt hat. Rebellen-Quellen werfen Damaskus vor, in Duma dutzende Menschen mit Giftgas getötet zu haben. Anders gesagt: Selbst wenn von den USA unterstützte »Rebellen« oder gleich der IS hinter dem »Chemiewaffen-Angriff« stecken, liegt die Schuld dafür bei Putin.

»Dass die Regierung in der Vergangenheit chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat, ist unbestritten«, hieß es im US-Außenministerium. Da man sich allerdings auf »Berichte« verlassen müsse, könne man den aktuellen Vorfall nicht bestätigen. »Letztlich trägt Russland die Verantwortung dafür, dass zahllose Syrer auf brutale Weise ins Visier chemischer Waffen genommen werden.«

Das russische Verteidigungsministerium wies die Berichte sofort zurück und bezeichnete sie als Falschmeldungen. Generalmajor Juri Jewtuschenko, Leiter der Versöhnungszentrums in Syrien, erklärte am Sonntag, die Information sei absolut falsch: »Wir erklären unsere Bereitschaft, nachdem Duma von den Milizionären befreit ist, sofort russische Spezialisten für Atomwaffen, biologische und chemische Kampfstoffe dorthin zu entsenden, um Daten zu sammeln. Sie werden bestätigen, dass es sich bei den Vorwürfen um erfundene Punkte handelt.«

»Eine Reihe westlicher Staaten« würde verhindern wollen, dass die militärische Operation, die die Milizionäre aus Duma vertreiben soll, wieder aufgenommen werde, sagte Jewtuschenko.

»Zu diesem Zweck wird mit dem Vorwurf gearbeitet, syrische Regierungstruppen hätten chemische Waffen eingesetzt – eine der am weitesten verbreiteten Behauptungen im Westen«, so Jewtuschenko weiter.

Und in dem Wissen, worauf das Ganze hinausläuft, erklärte das russische Außenministerium, dass Berichte, wonach in der von Rebellen besetzten Stadt Duma chemische Waffen zur Anwendung gekommen sind, komplett erlogen seien. Sollten auf der Grundlage falscher Annahmen militärische Operationen gegen Syrien stattfinden, könne dies »schwerste Konsequenzen« nach sich ziehen.

»Ziel derartiger Berichte ist es, den Terroristen zu helfen und Militärschläge von außerhalb Syriens zu rechtfertigen«, so das Ministerium weiter.

Russland hat Recht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor Trump seine nächste große Ablenkung auspackt, die den Blick weg vom Chaos zuhause und vom Handelskrieg mit China lenken soll. Er wird wohl wieder 50 Marschflugkörper auf irgendein Ziel tief im Inneren Syriens abfeuern lassen und es wird genauso sein wie ein Jahr zuvor.