Tyler Durden
Über dem Southern Gas Corridor
braut sich ein Sturm zusammen
braut sich ein Sturm zusammen
Was für eine illustre Runde kam da am 12. Juni in der Zentral-Türkei zusammen: Neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan waren der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew, der serbische Präsident Aleksandar Vucic, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Mustafa Akinci, Präsident des türkisch besetzten Teils von Zypern, anwesend. Die große Zahl der Teilnehmer und die sehr heterogene Zusammensetzung belegen ein gemeinsames Interesse an einem wichtigen Feld geopolitischer Entwicklungen – Energie. Genauer gesagt: Erdgas.
Die Eröffnungszeremonie für die 1.850 Kilometer lange Transanatolische Pipeline (TANAP) stellte den letzten Schritt dar, bevor die Gas-Pipeline in Griechenland und Italien an das europäische Netz angeschlossen wird. Die TANAP beginnt im Erdgasfeld Schah Denis in Aserbaidschan und endet in der Türkei. Die Pipeline ist Teil des Southern Gas Corridors, der Traum vieler europäischer Politiker, eine Alternative zu russischem Erdgas aufzubauen.
Dass diverse ranghohe Würdenträger an der Zeremonie teilnahmen, zeigt das Interesse an der Pipeline und den geopolitischen Entwicklungen in der Region. Russlands Dominanz auf dem südosteuropäischen Erdgasmarkt lässt viele Parteien nach Alternativen suchen oder zumindest nach Möglichkeiten, für mehr Wettbewerb zu sorgen.
Das angespannte Verhältnis zwischen Russland und Ukraine hat diese beiden Länder auf Kollisionskurs gebracht. Historisch bedingt sind die Energieunternehmen von Moskau und Kiew allerdings sehr eng miteinander verbunden. Russland selbst verfolgt mittlerweile ein ehrgeiziges Programm, das dazu führen soll, dass die russischen Gas-Exporte nach Europa nicht länger vor allem über die Ukraine laufen. Die Pipelines Turk Stream und Nord Stream 2 befinden sich entweder in der Planung oder bereits im Bau. Sie sollen ab 2019, wenn ein neuer Transitvertrag mit Kiew vereinbart werden muss, einen Großteil des von Europa benötigten Gases liefern.
Unterdessen sucht die Ukraine ihrerseits nach neuen Anbietern und will sich letztlich völlig vom russischen Gas abnabeln. Insofern stellt der Southern Gas Corridor eine dringend erwartete Alternative dar. Wie wichtig das Thema für Kiew ist, zeigt allein schon die Anwesenheit von Petro Poroschenko bei der Eröffnungszeremonie. Aktuell importiert die Ukraine bereits Gas aus benachbarten europäischen Staaten, parallel dazu soll die eigene Produktion hochgefahren werden.
Die neue Regierung in Italien hat Bewegung in die strategische Energie-Landkarte gebracht, die seit einem Jahrzehnt erstarrt wirkte. Die 40 Milliarden Euro teure Pipeline Southern Gas Corridor sollte Gas aus Aserbaidschan an die Trans-Adria-Pipeline (TAP) übergeben, die erst noch gebaut werden muss. Die neue Koalitionsregierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord hat in diesem Punkt allerdings für reichlich Unsicherheit gesorgt.
Italiens neuer Umweltminister Sergio Costa nämlich erklärte, TAP sei »nutzlos«, und leitete eine förmliche Überprüfung des Projekts ein. Die Koalitionspartner haben sich im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben, die Korruption zu bekämpfen. Als weiteres Argument gegen den Bau einer weiteren Pipeline wird angeführt, dass der Gasverbrauch grundsätzlich sinkt. Zwar ist in den letzten Jahren die Nachfrage wieder angestiegen, aber sie liegt weiterhin deutlich unter dem Spitzenwert von vor zehn Jahren. Italien deckt 90 Prozent seines Bedarfs mit Erdgas aus Russland, Libyen, Algerien und den Niederlanden, während es gleichzeitig über nicht genutzte Kapazitäten verfügt.
Auch umweltpolitische Bedenken werden gegen TAP angeführt, unter anderem von der Fünf-Sterne-Bewegung, die ein grünes Politikprogramm verfolgt. Die neue Süditalien-Ministerin Barbara Lezzi erklärte, die Regierung halte die Pipeline für eine unnötige Gefährdung der Umwelt, wenn man Italiens überschüssige Kapazitäten berücksichtige. Der Gouverneur von Puglia wiederum lehnt zwar den Bau der Trans-Adria-Pipeline nicht ab, hat aber vorgeschlagen, dass sie entfernt von einem Tourismusgebiet verlaufen soll.
Am TAP-Konsortium sind BP, Snam aus Italien und Enagas aus Spanien beteiligt. Sie haben erklärt, eine Verlegung der Pipeline weg von Italien sei keine Option. Schon eine Verlegung innerhalb des Landes könne die Fertigstellung des Projekts um vier, fünf Jahre verzögern. Analysten hingegen verweisen auf eine mögliche Alternative: Bestehende Transitleitungen auf dem Balkan könnten die Aufgabe übernehmen, zusätzliche Übergabestellen könnten den Gastransport nach Südost- und Osteuropa erleichtern.
Momentan erscheint dies nicht als gangbarer Weg, denn es würden Jahre des Planens nötig, es müssten neue Finanzierungsquellen aufgetan werden und um politische Unterstützung in einer stark zersplitterten Region mit unterschiedlichen Interessen geworben werden. Der Southern Gas Corridor besaß die politische und finanzielle Rückendeckung Brüssels und der örtlich involvierten Entscheider. Alles sah nach einer reibungslosen Umsetzung aus, aber nun könnte sich das ganze Projekt zu einer Krise auswachsen. Jüngste Entwicklungen werfen die europäische Energie-Landkarte durcheinander. Mehrere große Pipelines sind in der Planung, im Bau oder stehen vor einer ungewissen Zukunft.
Quelle: ZeroHedge