Torsten Groß

US-Wahlkampf: Kriegstreiber John Bolton schießt gegen Präsident Trump

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John R. Bolton, zwischen April 2018 und September 2019 nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, hat ein Buch geschrieben, das bereits vor seiner für den 23. Juni geplanten Veröffentlichung weltweit für Schlagzeilen in den Mainstream-Medien sorgt. In seinem »Enthüllungsbuch« mit dem Titel The Room Where It Happened (deutsch »Der Raum, in dem es geschah«), von dem erste Auszüge in der Presse abgedruckt worden sind, erhebt Bolton schwere Vorwürfe gegen seinen früheren Dienstherrn. Der sei von Anfang an nur auf seine Wiederwahl und eine zweite Amtszeit im Weißen Haus fixiert gewesen, weshalb er seine eigentlichen politischen Ziele aus dem Blick verloren habe.

In den Gesprächen über ein neues Handelsabkommen habe Trump die chinesische Seite »angefleht», ihn zu unterstützen und Agrarprodukte aus solchen US-Bundesstaaten zu importieren, die für den Ausgang der Präsidentschaftswahl im November entscheidend sind. Dies soll bei einem Treffen zwischen Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping hinter verschlossenen Türen im Juni 2019 geschehen sein. Die chinesische Führung hat diese Darstellung allerdings zurückgewiesen und betont, dass man nicht beabsichtige, sich in die US-Wahl einzumischen. Außerdem, so Bolton, habe Trump chinesische Umerziehungslagern für Angehörige der uigurischen Minderheit befürwortet. Dem steht allerdings entgegen, dass der US-Präsident in der vergangenen Woche ein Gesetz unterzeichnet hat, dass Sanktionen gegen chinesische Staatsbeamte vorsieht, die an der massenhaften Inhaftierung von Uiguren beteiligt sind.

Weiter behauptet Bolton, das Anfang Februar dieses Jahres gescheiterte Amtsenthebungsverfahren gegen Trump sei gerechtfertigt gewesen, nicht nur wegen der Vorwürfe gegen den Präsidenten in der sog. Ukraine-Affäre, sondern auch, weil der Präsident mehrfach strafrechtliche Ermittlungen im Interesse diktatorischer Regime unterbunden habe, wobei namentlich China und die Türkei genannt werden. Bolton spricht von »Behinderung der Justiz« als einem »Alltagsgeschäft« im Weißen Haus, weshalb er sich veranlasst sah, seine Bedenken Justizminister William Barr schriftlich mitzuteilen. Eigenartig nur, dass sich Bolton Anfang des Jahres geweigert hatte, im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump vor dem Untersuchungsausschuss des Senats auszusagen, was er nach eigenem Bekunden nur getan hätte, wenn er unter Strafandrohung vorgeladen worden wäre.

Seine wenig überzeugende Begründung im Buch: Die Untersuchung gegen Trump sei aus politischen Gründen auf die Ukraine-Affäre beschränkt gewesen, um den Vorgang schnell abzuschließen. Hätte man sie breiter angelegt, wäre er zur Aussage bereit gewesen und das Impeachment möglicherweise erfolgreich verlaufen. Diese Rechtfertigung Boltons nehmen ihm aber nicht einmal die oppositionellen Demokraten ab. Der Abgeordnete Adam Schiff, der das Verfahren gegen Trump federführend betreute, wirft Bolton auf Twitter vor, die Informationen zurückgehalten zu haben, um sie für sein Buch verwenden zu können und damit Geld zu verdienen. »Er ist vielleicht ein Autor, aber kein Patriot«, so Schiff.

Bolton wirft Trump zudem vor, Außenpolitik nach Bauchgefühl und mit erheblichen Wissenslücken zu betreiben. Ein Austritt aus der NATO sei von ihm ebenso ernsthaft erwogen worden wie eine Invasion des sozialistisch regierten Venezuela. Zu den von Trump initiierten Friedensgesprächen mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un schreibt Bolton, es sei klar gewesen, dass die diplomatischen Bemühungen des Präsidenten zu keinem befriedigenden Ergebnis führen würden. Als Bolton noch Nationaler Sicherheitsberater war, hörte sich das ganz anders an. Damals äußerte er sich positiv zu Trumps Verhandlungen mit Kim und sagte, er sei »optimistisch, aber realistisch«, dass es zu der vom Präsidenten angestrebten Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel kommen werde.

Trump sei unfähig, legt Bolton in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC nach, das außenpolitische Gesamtbild zu sehen und eine langfristige Strategie zu entwerfen, die den Vereinigten Staaten nützten. 2018 hatte Bolton Trumps Außenpolitik noch über den grünen Klee gelobt und mitgeteilt: »Ich glaube, der Präsident glaubt an den Ansatz von Ronald Reagan, Frieden durch Stärke zu erreichen. Das ist es, was er umsetzt.« Mit Blick auf das Verhältnis zu Russland meint Bolton, dass der russische Präsident Putin Trump nicht als einen ernsthaften Gegner betrachte und glaube, ihn beliebig manipulieren zu können. Noch im Weißen Haus hatte Bolton in einem Interview dagegen geäußert: »Der Präsident wird dafür kritisiert, zu sanft mit Russland umzugehen. Ich warte noch immer auf einen Beleg für diese Behauptung.«

Boltons 600 Seiten starkes Buch sollte eigentlich schon im März erscheinen. Seine Veröffentlichung war aber vom Weißen Haus juristisch unterbunden worden. Auch gegen die geplante Veröffentlichung am kommenden Dienstag (23. Juni) hatte Trump eine einstweilige Verfügung beantragt, die aber am Samstag von einem Bundesgericht in Washington zurückgewiesen wurde, weil es für einen Auslieferungsstopp zu spät sei. Trumps Vorwurf: Das Buch seines früheren Sicherheitsberaters enthalte zahlreiche vertrauliche Informationen und würde u. a. Gespräche wiedergeben, die er als Präsident mit Bolton und anderen Regierungsmitgliedern geführt hatte. Diese Unterredungen unterlägen der strengsten Geheimhaltung. Ihre Inhalte publik zu machen gefährde die nationale Sicherheit und sei deshalb eine strafbare Handlung, so die Rechtsauffassung des Weißen Hauses. Justizminister Baar kritisierte, dass Bolton nicht das vorgeschriebene Prozedere durchlaufen habe, um die fraglichen Passagen durch das Weiße Haus freigeben zu lassen. Auf Twitter schrieb Trump, Boltons Buch sei eine »Zusammenstellung von Lügen und erfundenen Geschichten«. Sein früherer Sicherheitsberater sei ein »übellauniger, langweiliger Depp, der immer nur in den Krieg ziehen wollte«.

Ähnlich kritisch äußerten sich andere Mitglieder der Regierung Trump. Außenminister Mike Pompeo, dem Bolton unterstellt, sich hinter vorgehaltener Hand abfällig über den Präsidenten geäußert zu haben, nennt den Autor in einem Beitrag unter der Überschrift Ich war auch im Raum einen »Verräter« und wirft ihm vor, »völlige Unwahrheiten zu verbreiten«. Peter Navarro, seit 2016 Leiter des von Trump neu geschaffenen Nationalen Handelsrats der USA, spricht von »Big Lie Bolton«, der sein Buch wegen des Geldes geschrieben habe. Angeblich soll Bolton für sein Werk 2 Millionen Dollar erhalten. Navarro widerspricht der Darstellung Boltons, Trump habe die Chinesen um Wahlkampfhilfe gebeten oder Lager für Uiguren gutgeheißen. Navarro erinnert daran, dass Bolton ein ähnliches Verhaltensmuster an den Tag legte, nachdem er seine Mitarbeit in der Bush-Administration (2001-2008) beendet hatte, für die er zunächst als Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit und später als UNO- Botschafter fungierte. Das bestehe darin, sich in den Dienst einer Regierung zu stellen, dort seine eigene politische Agenda zu verfolgen und wenn er deshalb gefeuert wird oder selbst geht, seinen Arbeitgeber bzw. seine früheren Kollegen öffentlich durch den Dreck zu ziehen. Bolton habe dazu beigetragen, die USA 2003 in den dritten Golfkrieg gegen den Irak zu treiben, indem er die Lüge verbreitete, das Regime von Saddam Hussein würde über Massenvernichtungswaffen verfügen, so Navarro.

Auch als Sicherheitsberater von Präsident Trump wurde John Bolton seinem Ruf als aggressiver »Falke« gerecht und betätigte sich als Kriegstreiber. So drang Bolton auf einen Militärschlag gegen das Atomprogramm des Iran und favorisierte auch im Verhältnis zu Nordkorea und Russland eine harte Linie. Diese Haltung und weitere politische Meinungsverschiedenheit waren es, die Trump dazu bewogen, Bolton im September 2019 aufzufordern, sein Amt niederzulegen, was der auch tat. Ein dreiviertel Jahr später nun erscheint sein Buch. Ein durchsichtiges Rachemanöver, das von der politischen Linken im Wahljahr 2020 natürlich gerne aufgegriffen wird. Bei Boltons Buch handele es sich um den ersten »Insiderbericht« einer Person aus Trump engstem Führungskreis, dessen Autor im Gegensatz zu ähnlichen Büchern der Vergangenheit nicht anonym sei und der keine Informationen aus zweiter oder dritter Hand heranziehen müsse, so der Tenor. Diese Feststellungen scheinen für viele Medienschaffende ausreichend zu sein, um journalistische Grundprinzipien über Bord zu werfen. Sie stellen die Behauptungen von Bolton in ihren Berichten als Tatsachen dar, obwohl ihre Richtigkeit – wie beschrieben – nicht nur von Trump selbst, sondern auch von Mitgliedern seiner Regierung vehement bestritten wird.

Das Buch von John Bolton und seine jüngsten Äußerungen in den Medien sind Teil einer breit angelegten Kampagne, die darauf abzielt, eine zweite Amtszeit von Donald Trump im Weißen Haus zu verhindern. Diese Kampagne wird nicht nur von den oppositionellen Demokraten, ihnen nahe stehenden Medien und weiteren zum Teil prominenten Unterstützern aus dem linken Spektrum, sondern auch von radikalen Gegnern des Präsidenten in den Reihen der republikanischen Partei getragen, die größtenteils den sog. Neokonservativen (»Neocons«) zuzurechnen sind. Die Neocons befürworten die Regulierung internationaler Konflikte durch den Einsatz militärischer Gewalt seitens der USA und gelten deshalb als Hardliner (»Falken«). Dahinter steht das außenpolitische Konzept des interventionistischen Unilateralismus, das die Vereinigten Staaten in der Rolle eines »Weltpolizisten« sieht, der als Garant für den internationalen Frieden nach dem Gusto Washingtons fungieren und so eine hegemoniale Stellung der USA auf dem Globus sichern soll.

Diese Denkrichtung erlebte seine Blütezeit in der Ära von Präsident George W. Bush. Anders Donald Trump, der im Rahmen seiner »America-First«-Politik zwar ebenfalls einen unilateralistischen Kurs fährt, dabei aber keine internationalistische Linie verfolgt, sondern auf Isolationismus setzt. Trump, einer der wenigen Präsidenten in der amerikanischen Geschichte, der in seiner bisherigen Amtszeit keinen Krieg geführt hat, zieht deshalb US-Truppen aus allen Teilen der Welt ab und bringt die Soldaten wieder in die Heimat zurück – so, wie er es den Bürgern vor seiner Wahl im November 2016 versprochen hatte. Diese Politik läuft dem Programm der Neocons zuwider und erklärt, warum Ex-Präsident Bush, dessen Außenminister Colin Powell, einige frühere US-Generäle und eben auch John Bolton zu den lautstärksten Kritikern vom Trump gehören. Derselbe Bolton, der vor seiner Abkehr von Trump einer der bestgehassten Republikaner in Washington war und von dem der einflussreiche demokratische Senator Ben Cardin sagte, er sei ein extremistischer und rücksichtsloser Politiker, der wenig Rücksicht auf der Werte der USA nehme. Und genau dieser Bolton wird von den Medien sowohl in den USA als auch in Deutschland jetzt als glaubwürdiger Kronzeuge gegen Trump hochgejazzt.

Der amerikanische Präsident sieht sich also einer unheilvollen Allianz aus linker Opposition und radikalen Konservativen gegenüber, die – aus unterschiedlichen Motiven – ein gemeinsames Ziel haben: Den Wiedereinzug von Donald Trump ins Weiße Haus im November um jeden Preis verhindern! Die Bolton-Affäre unterstreicht, dass man Trump nicht einfach in das übliche Recht-Links-Raster einordnen kann. Vielmehr ist er ein Opponent gegen das US-amerikanische Establishment und deshalb in allen politischen Lagern verhasst.

In fünf Monaten wird sich zeigen, ob die Anti-Trump-Kampagne, in der das »Enthüllungsbuch« von Bolton nur ein Baustein ist, fruchtet oder ob die amerikanischen Wähler das perfide Spiel der politischen Eliten gegen Trump durchschauen. Eine Bestätigung von Donald Trump im Amt des amerikanischen Präsidenten wäre ein wichtiges Signal an die freiheitlich-patriotischen Kräfte überall auf der Welt. Es stimmt übrigens nicht, dass John Bolton der erste Insider wäre, der exklusiv aus dem Weißen Haus berichtet hat. Im Dezember letzten Jahres hat der konservative Starautor Doug Wead sein Buch Donald Trump veröffentlicht, das auf Gesprächen mit dem Präsidenten, seinen Familienangehörigen sowie engen Mitarbeitern basiert und ein ganz anderes, differenziertes Bild des amerikanischen Staatsoberhauptes zeichnet.

Deshalb hat Weads Buch auch kaum Resonanz in der deutschen Presse erfahren. Schon aus diesem Grund ist es lesenswert!

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Montag, 22.06.2020