Torsten Groß
Verschuldungsorgie, Massenarbeitslosigkeit, Corona – den USA droht der Crash!
In knapp einem Monat wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Doch egal ob Amtsinhaber Donald Trump oder sein Herausforderer Joseph Biden die Wahl gewinnen wird, das Land geht schweren Zeiten entgegen. Denn die letzte Supermacht steht infolge der enormen Verschuldung sowohl der öffentlichen Hand wie der privaten Haushalte und der ultralockeren Geldpolitik der US-Notenbank FED am finanziellen Abgrund. Hinzu kommt die starke Abhängigkeit des Landes vom Binnenkonsum, der für etwa 70 Prozent des Bruttosozialproduktes verantwortlich ist. Der ist wegen der Corona-Pandemie im Rekordtempo eingebrochen, auch weil immer mehr Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Nach den amtlichen Statistiken waren im Juli dieses Jahres 16,3 Millionen Menschen ohne Job. Doch diese Zahl bildet nur einen Teil der Realität ab. Denn gleichzeitig bezogen im August 27 Millionen Transferempfänger staatliche Unterstützungsleistungen. Daneben existiert eine hohe verdeckte Erwerbslosigkeit in den USA.
Zahlreiche Beschäftigte in klein- und mittelständischen Unternehmen sind nur deshalb nicht von ihren Arbeitgebern entlassen worden, weil die über das Paycheck Protection Program (PPP) von der Bundesregierung finanziell unterstützt werden, um ihre Belegschaften in der Corona-Pandemie halten zu können. Doch dieses und weitere Hilfsprogramme laufen Ende Oktober aus.
Dann könnten Millionen von Arbeitnehmern binnen kürzester Zeit freigesetzt werden. Die offiziellen Zahlen zeichnen aber auch deshalb ein schiefes Bild von der Lage auf dem Arbeitsmarkt, weil Jugendliche bis 25 Jahren schon seit den neunziger Jahren nicht mehr in der Statistik erfasst werden. In dieser Altersgruppe sind etwa 10 Millionen Erwerbspersonen ohne Job.
Nicht zu vergessen ist auch die hohe Zahl unterbeschäftigter Arbeitnehmer, die nur auf Teilzeitbasis beschäftigt sind, obwohl sie gerne vollzeit arbeiten wollen und angesichts ihrer prekären wirtschaftlichen Situation auch müssten.
Alles in allem sind in den Vereinigten Staaten Expertenschätzungen zufolge nicht nur 10 Millionen, sondern 40-50 Millionen Menschen arbeitslos oder unterbeschäftigt.
Mittel- bis langfristig werden Digitalisierung und Robotisierung tiefe Spuren auf dem US-Arbeitsmarkt hinterlassen. Dieser Rationalisierungsschub, der auch als Vierte Industrielle Revolution bezeichnet wird und im Gegensatz zu früheren Epochen alle Wirtschaftszweige und -prozesse erfasst, wird nicht nur gering qualifizierte Beschäftigte im Niedriglohnsektor treffen, sondern zunehmend auch gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte mit einem vergleichsweise hohen Einkommen. Sie werden zu einem großen Teil als Nachfrager ausfallen, was den Konsum dämpfen und so die wirtschaftliche Krise verschärfen wird. Die Folge: Sinkende Steuereinnahmen, was viele schon heute hoch verschuldete Bundesstaaten und Kommunen dazu zwingen wird, Personal in der öffentlichen Verwaltung einzusparen, um ihre Ausgaben zurückzufahren.
Auch der absehbare Stellenabbau im Staatssektor wird nicht nur die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen, sondern auch Druck auf die Vergütungen der Beschäftigten auszuüben. Denn bei einem Angebotsüberhang auf dem Arbeitsmarkt lassen sich Lohnerhöhungen kaum durchsetzen, schon gar nicht in den USA mit ihren traditionell schwachen Gewerkschaften. Das wird die maßgeblich von der Einkommensentwicklung abhängige Binnenkonjunktur zusätzlich schwächen.
Dass die US-Wirtschaft in der Corona-Krise nicht sehr viel stärker eingebrochen ist, führen Experten auf die umfangreichen Konjunkturmaßnahmen des Staates und die expansive Geldpolitik der Zentralbank FED zurück. Die massive Bereitstellung von Liquidität hat die Probleme überdeckt und die eigentlich unvermeidlichen Anpassungsreaktionen in die Zukunft verschoben. Die Frage ist aber, wie es nach der US-Präsidentschaftswahl im November weitergehen wird. Kann die Politik ihren bisherigen Kurs einer kreditfinanzierten Stützung der Wirtschaft angesichts einer Staatsverschuldung, die mit mehr als 27 Billionen US-Dollar einen nie da gewesenen Höchststand erreicht hat, weiter durchhalten? Oder muss man die Reißleine ziehen, um künftigen Generationen nicht noch höhere Lasten aufzubürden, und zu einer deutlich sparsameren Haushaltsführung übergehen, was Kürzungen bei Sozial- und Hilfsprogrammen erforderlich machen würde?
Über den weiteren Kurs dürfte entscheiden, wie die US-Wahlen im November ausgehen. Sollte der in den meisten Umfragen zurzeit führende Biden tatsächlich Präsident werden und gleichzeitig die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen, ist mit weiteren billionenschweren Konjunkturpaketen und damit einer Fortsetzung der Verschuldungsorgie zu rechnen. Ein wiedergewählter US-Präsident Trump gestützt auf ein von den Republikanern dominiertes Kapitol dürfte dagegen vorsichtiger agieren, möglicherweise sogar einen Sparkurs fahren, um die aus dem Ruder gelaufenen Staatsfinanzen zu sanieren. Sollte es der neue Präsident – egal ob er Biden oder Trump heißt – aber mit einem vom politischen Gegner beherrschten Parlament zu tun bekommen, dürften sich die verfeindeten Lager gegenseitig blockieren, was wirksame Konjunkturmaßnahmen verhindern und die Rezession weiter vertiefen würde.
Egal, welcher Fall schließlich eintreten wird, ein Kollaps der US-amerikanischen Wirtschaft ist kaum noch zu verhindern. Das gilt vor allem dann, wenn es nicht gelänge, COVID-19 in den Griff zu bekommen und ein zweiter »harter Lockdown« notwendig werden würde, um die »Pandmie« einzudämmen.
Denn viele Klein- und Mittelbetriebe, die knapp 98 Prozent der rund 26 Millionen Unternehmen in den USA stellen und rund die Hälfte der im privaten Sektor tätigen Arbeitskräfte beschäftigen, würden einen nochmaligen Stillstand der Wirtschaft auch mit großzügiger Staatshilfe kaum überleben. Die Folgen für die Beschäftigungssituation und die Binnennachfrage in den USA wären dramatisch!
Beobachter rechnen spätestens nach der Präsidentschaftswahl mit einer zweiten Rezessionsphase in den USA, einem »double dip«. Das gegenwärtig von den Finanzmärkten gespielte Szenario einer V-förmigen Erholung der Konjunktur wäre dann passé, was zu erheblichen Turbulenzen an den weltweiten Börsen und zu neuen Tiefständen der Aktienkurse führen würde, während Edelmetalle und allen voran Gold erneut profitieren dürften. Ein Crash in den Vereinigten Staaten, der nach wie vor größten Volkswirtschaft der Welt, hätte globale Eruptionen erheblichen Ausmaßes zur Folge, die auch vor Europa und Deutschland nicht haltmachen werden. Für informierte Zeitgenossen sind deshalb finanzielle Selbstverteidigung und Krisenvorsorge das Gebot der Stunde!
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Sonntag, 04.10.2020