Torsten Groß

Vorboten des Crashs? Milliardenschwerer US-Hedgefonds in Schieflage!

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Archegos Capital, ein bedeutender US-Hedgefonds, der Expertenschätzungen zufolge ein Anlagevermögen von 50 Milliarden US-Dollar verwaltet, ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Der Fonds, der hohe Beträge gehebelt in US-Medienkonzerne  und chinesische Internetaktien investiert hatte, konnte sogenannte Margin Calls seiner Broker nicht bedienen.

Ein Margin Call ist die Aufforderung der Bank an den Investor, Kapital nachzuschießen, weil die von ihm (teilweise) auf Pump gekauften Wertpapiere in den Verlust laufen und ihr Wert deshalb die vereinbarte Sicherungsleistung für die gewährten Kredite nicht mehr abdeckt. Ist der Investor als Sicherungsnehmer nicht in der Lage, die geforderten finanziellen Mittel aufzubringen, kann der kreditgebende Broker (Sicherungsgeber) dessen Positionen durch Zwangsverkäufe schließen und die aufgelaufenen Verluste realisieren, um noch größere Ausfälle zu verhindern. Genau das ist im Fall von Archegos Capital geschehen, was den Aktien der betroffenen Unternehmen wie dem Medienuntnehmen ViacomCBS und den chinesischen Internettiteln Baidu und Tencent Music bereits Ende der vergangenen Woche heftige Kursverlusten beschert hatte, die sich am Montag zunächst fortsetzen. Dass Archegos überhaupt finanzielle Schwierigkeiten bekam, war vor allem neuen, restriktiven Regeln der US-Börsenaufsicht SEC für chinesische Aktien geschuldet, in die der Fonds stark investiert hatte und die wegen der veränderten Rechtslage unter Druck gerieten.

Die panikartigen Notverkäufe ganzer Aktienpakete könnten nicht nur den Hedgefonds Archegos Capital in die Pleite treiben, der sich schlicht verspekuliert hat, sondern treffen auch dessen Handelspartner. Nach Informationen der Financial Times arbeitete der Fonds mit mindestens fünf sogenannten Prime Brokern zusammen, darunter Morgan Stanley, Goldman Sachs, das japanische Investmenthaus Nomura sowie die renommierten Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse. Allein bei der Credit Suisse, dem zweitgrößten Geldhaus der Schweiz, könnte sich der Verlust auf drei bis vier Milliarden Dollar belaufen, eine erhebliche Summe, wenn man berücksichtigt, dass der Reingewinn der Bank im vergangenen Jahr bei »nur« 2,7 Milliarden Schweizer Franken lag.

Das Management von Credit Suisse wollte sich zu den Ausfällen zwar nicht äußern, räumte aber ein, dass der Fehlbetrag »sehr bedeutend und wesentlich« für das Geschäftsergebnis des ersten Quartals sein könne. Mittlerweile hat sich die Schweizer Bankenaufsicht FINMA eingeschaltet.

Der japanische Nomura Konzern gab an, durch die finanziellen Probleme eines nicht näher genannten amerikanischen Hedgefonds, bei dem es sich wohl um Archegos handelt, einen Verlust von zwei Milliarden Dollar erlitten zu haben. Informationen zu den finanziellen Einbußen der anderen Wertpapierhändler, zu denen auch die Deutsche Bank zählen soll, stehen noch aus.

Für die Credit Suisse ist der Fall Archegos Capital bereits das zweite Finanzdesaster in diesem Jahr. Die Schweizer Großbank ist nämlich auch von der Insolvenz der anglo-australischen Greensill-Finanzgruppe betroffen, deren Bremer Tochter Greensill Bank im März in die Pleite schlitterte.

Unklar ist, ob die großangelegten Zwangsverkäufe der von Archegos Capital gehaltenen Wertpapierpositionen bereits beendet sind oder in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. Insidern zufolge verfügt der Fonds noch über ein Aktienpaket von 10-20 Milliarden Euro, das es zu liquidieren gilt. Sollte dem tatsächlich so sein, ist mit weiteren Turbulenzen an den Börsen zu rechnen. Die dürften vielen Marktakteuren zwar Verluste bescheren, würden aber noch keinen Crash an den Kapitalmärkten auslösen. Der könnte dann kommen, wenn andere Großinvestoren und Banken aufgeschreckt durch die Schieflage bei Archegos ebenfalls dazu übergingen, ihre Portefolios zu bereinigen und besonders spekulative Werte abzustoßen, die in den vergangenen Monaten zum Teil beträchtliche Kursgewinne zu verzeichnen hatten (sog. Schmetterlings-Effekt).

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Dadurch würden weitere Hedgefonds, die mit hohen Summen auf steigende Kurse spekuliert haben, in Bedrängnis geraten und ein Domino-Effekt einsetzen, der das in den letzten Monaten immer höher aufgetürmte Kartenhaus an den Börsen zum Zusammenbruch brächte. Das hätte katastrophale Folgen auch für die Realwirtschaft, die wegen des Corona-Lockdowns schon jetzt angeschlagen ist.

Besorgniserregend ist auch, dass das Volumen der Kredite, die private Anleger bei ihren Brokern aufnehmen, um mit diesem Kapital Aktien zu kaufen (sog. Margin Debts), in den USA mit mehr als 813 Milliarden Dollar einen historischen Höchststand erreicht hat. Im Februar 2020, also vor einem Jahr, waren es erst 545 Milliarden Dollar. Bei diesen von der US-Aufsichtsbehörde FINRA (Financial Industry Regulatory Authority) veröffentlichten Daten handelt es sich aber nur um einen Bruchteil der für Wertpapierkäufe ausgereichten Kredite, weil die Behörde nur ein kleines Segment des Gesamtmarktes überblickt. Das tatsächliche Volumen ist also noch sehr viel höher.

Für viele Experten ist diese Entwicklung ein Alarmsignal, denn sie gilt als ein Indikator für die wachsende Sorglosigkeit der Investoren und den stark spekulativen Charakter des derzeitigen Hypes an den Finanzmärkten als Folge der expansiven Geldpolitik der Notenbanken und der gigantischen Ausgabenprogramme der Regierungen in der Corona-Krise. In der Vergangenheit kündigte ein hohes Volumen an Wertpapierkrediten einen unmittelbar bevorstehenden Trendwechsel an den Börsen an, so in den Jahren 2000 (Kurseinbruch bei Technologieaktien, sog. Dotcom-Blase) und 2008 (Lehmann-Konkurs mit anschließender Finanzkrise).

Verschärft wird diese Gefahr durch die in den letzten Monaten deutlich gestiegene Zahl von unerfahrenen privaten Kleinanlegern, die getrieben durch Niedrigzinsen ihr Geld in der Hoffnung auf höhere Renditen an der Börse investieren sowie die wachsende Bedeutung von passiven Investmentfonds (ETF), die Aktienindizes einfach nur stur nachbilden und so die Hausse befeuern (umgekehrt aber bei fallenden Kursen die Baisse beschleunigen). Die finanzielle Schieflage des Hedgefonds Archegos könnte deshalb nur ein Vorbote für das sein, was Kapitalmärkten und Anlegern demnächst im großen Maßstab blühen dürfte: Ein Crash der Börsenkurse, die sich längst von den ökonomischen Fundamentaldaten und den Unternehmensbewertungen abgekoppelt haben.

Dass es dazu kommen wird, ist sicher, allein der Zeitpunkt steht in den Sternen. Aber die Einschläge kommen immer näher!

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Montag, 31.03.2021