Birgit Stöger

Waffenrecht und das Recht auf Selbstverteidigung

Am 14. Februar eröffnete der 19-jährige, psychisch erkrankte Nikolas Cruz mit einer legal erworbenen, halbautomatischen Schusswaffe das Feuer auf Schüler und Lehrer seiner ehemaligen Schule in Parkland und tötete 17 Menschen. Nach dem Schulmassaker war in den USA einmal mehr die Debatte um ein schärferes Waffenrecht entbrannt – und wieder wurden – frei nach dem Motto: »Keine Waffen – keine Toten« – strengere Waffengesetze gefordert. Insbesondere halbautomatische Waffen gerieten in der aktuellen Diskussion in den Fokus.

Floridas republikanischer Gouverneur Rick Scott unterzeichnete Ende März nun ein neues Gesetz, das in seinem Bundesstaat für ein strikteres Waffenrecht sorgen soll. Der Entwurf passierte die Kammer mit einer knappen Mehrheit von 20 zu 18 Stimmen. Neben der Anhebung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahren sieht der Entwurf eine dreitägige Wartezeit bei den meisten Waffenkäufen sowie mehr Geld für Programme zur Unterstützung psychisch Kranker vor. Zudem soll es bestimmten Mitarbeitern an Schulen erlaubt werden, eine Waffe zu tragen. Während einer Frist von 90 Tagen dürfen Einwände gegen das Gesetz vorgebracht werden. Nach Ablauf dieser Frist tritt das Gesetz in Kraft.

Wehrhaftigkeit: Das wirksamste Mittel gegen totalitäre Regime

Waffenkritiker, die sofort mit Verbotsforderungen um die Ecke kommen, bleiben jedoch seit Langem die Antwort auf die Frage schuldig, warum es ausgerechnet an Orten, die vorzugsweise »unbewaffnet« sind – wie Schulen oder Universitäten – vermehrt zu solchen blutigen Tragödien kommt, jedoch »bewaffnete« Orte wie militärische Einrichtungen davon verschont bleiben. Ebenso wird von jenen, die schnell bereit sind, Freiheitsrechte wie den legalen Waffenbesitz abzugeben, nicht beantwortet, warum Bundesstaaten wie Chicago, New York oder Washington D. C., wo die strengsten Waffengesetze gelten, eine sehr hohe Zahl an Schussopfern zu beklagen haben. New York mit seinem extrem restriktiven Waffenrecht weist etwa eine sehr hohe Mordrate auf: Dort tragen nur 11 Prozent der erwachsenen Bürger Schusswaffen, doch die Zahl der Schusswaffentoten liegt je Hunderttausend Einwohner bei 13,2. Vermont indes hat ein sehr liberales Waffenrecht – dort sind 35 Prozent der Bevölkerung, also drei Mal so viele Bürger wie in New York, im legalen Waffenbesitz – und die Mordrate durch Schusswaffen liegt bei gerade einmal 0,7 pro Hunderttausend Bewohner.

Anders als durch die »liberale« – sprich linkspolitisch ausgerichtete – US-amerikanische Mainstreampresse oder die spendengestützte Antiwaffenlobby postuliert, sehen viele US-amerikanische Bürger zum einen das Problem nicht beim privaten Schusswaffenbesitz als solchem begründet. Zum anderen halten viele Amerikaner freiheitliche und staatsferne Gedanken hoch und berufen sich beim Thema Waffenrecht auf ihr verbürgtes Recht auf Selbstverteidigung. Verankert ist dieses Recht in der »Bill of Rights« und geht auf den liberalen Theoretiker John Locke zurück, der dem Bürger ein Recht auf Selbstverteidigung gegenüber dem Staat zugestand. So fragte Locke: »Muss sich das Volk der Tyrannei ausliefern?« Und beantwortete die Fragestellung mit: »Selbstverteidigung ist ein Teil des Naturrechts; sie darf der Gemeinschaft nicht verweigert werden, nicht einmal gegen den König selbst.« Die Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika bezogen sich rund hundert Jahre nach der Niederschrift auf diese Sätze und brachten sie in die Unabhängigkeitserklärung mit ein.

Das Recht der Bürger auf Widerstand

Dort heißt es – als unveräußerliches Recht festgeschrieben,– »dass, wenn eine Regierung sich für diese Zwecke als schädlich erweist, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen«. Und so ist auch der zweite Zusatzartikel zur Verfassung, der maßgebliche Rechtstext zum amerikanischen Schusswaffenrecht, zu verstehen, in dem vereinbart ist: »Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden.«

Es gehört zu den historisch unumstößlichen Tatsachen, dass Diktatoren und totalitäre Regime – und hier stechen die roten Regime jeglicher Schattierung hervor – ihre Bevölkerung entwaffneten. Der deutsche Bürger wurde letztmals effektiv durch die Nationalsozialisten und ihr Reichswaffengesetz von 1938 wehrlos gemacht – und ist es bis heute geblieben. Das aus der Weimarer Republik stammende Waffengesetz wurde unter Hitler verschärft, um sogenannten »Staatsfeinde und Volksschädlinge« zu entwaffnen. Die dann schrittweise einsetzende Kriminalisierung des privaten Waffenbesitzes der Bevölkerung nach der Machtergreifung wurde zu einem zentralen Vorwand für willkürliche Verhaftungen und Hausdurchsuchungen und erstickte eine wie auch immer geartete Gegenwehr.

Es kann – wie es Stephen P. Halbrook in seinem nun auch auf Deutsch erhältlichen Buch Hitlers Waffengesetze – Entwaffnung und Unterdrückung eindrucksvoll darstellt – behauptet werden, dass die staatliche Verfolgung von Minderheiten episodenweise anders verlaufen wäre, hätte die Mehrheit der deutschen Bürger auf ihrem Recht zum Tragen von Waffen beharrt. Auch kann davon ausgegangen werden, dass die demokratische Revolution von 1848 in Deutschland geglückt wäre, hätte es im Vorfeld liberalere Waffengesetze gegeben. Wer sich in heutigen Regierungssystemen durch die Tatsache, dass diese sich auf eine Verfassung oder ein Grundgesetz gründen, in Sicherheit vor totalitären Machtbestrebungen wiegt, dem sei Folgendes an die Hand gegeben: Bevor Mao Tse Tung in China sein kommunistisches Regime führte, hatten die Menschen eine Verfassung, die ihnen den Protest erlaubte. Bevor Josef Stalin sein mörderisches kommunistisches Regime ausbaute, hatten die Menschen eine Verfassung, die ihnen ebenfalls das Recht garantierte, zu protestieren und zu wählen. Adolf Hitler übernahm ein Deutschland, das eine Verfassung mit Demonstrationsrecht und Wahlrecht besaß.

Das in Art. 20 Absatz 4 unseres Grundgesetzes verankerte Widerstandsrecht ist somit ein zahnloser Tiger. Denn ein wirkungsvoller Widerstand kann durch eine entwaffnete Bevölkerung nicht geleistet werden. Die Frage ist daher, wie der Bürger seine Rechte, seine Freiheit, sein Leben gegen eine Diktatur verteidigen soll, wenn nicht mit Waffen.

Gewalttäter und die Wehrlosigkeit ihrer Opfer

In Deutschland wie auf EU-Ebene kämpfen heutzutage in vorderster Front die Grünen für strengere Waffengesetze, mit dem Endziel eines totalen Verbotes des privaten Waffenbesitzes. Im europäischen Rahmen fordern die Grünen, Privatpersonen die Nutzung halbautomatischer Schusswaffen zu verbieten, wenn diese »nach objektiven Kriterien besonders gefährlich« seien. Komplett verbieten wollen die Grünen die Verwendung sogenannter Großkaliberwaffen und Munition »mit besonderen Schusswirkungen im Sinne einer erhöhten Durchschlagskraft oder eines gesteigerten Verletzungspotenzials durch Sportschützen«. Zudem soll ein zentrales Waffenregister in allen EU-Mitgliedstaaten eingerichtet werden. Diese nationalen Register müssten nach grüner Vorstellung auf europäischer Ebene miteinander verknüpft sein und damit den Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten ermöglichen.

Der grünen Bevormundungspartei ist es dabei egal, dass durch restriktive Waffengesetze potenzielle Opfer der Möglichkeit beraubt sind, sich im Ernstfall effektiv zu verteidigen. Welche reale Chance besteht für eine 50-Kilo-Frau, mit heiler Haut dem Angriff eines doppelt so schweren Angreifers zu entkommen, der womöglich – wie in letzter Zeit häufiger der Fall – mit einem Messer bewaffnet, Geld oder sexuelle »Gefälligkeiten« abfordert? Muss der Täter jedoch vermuten, dass seine Beute bewaffnet ist, birgt jeder Angriff ein unkalkulierbares Risiko und schützt somit indirekt das Opfer.

Massaker trotz Waffengesetz

Bei Massakern wie am 13. November 2015, bei dem durch den islamischen Terror 130 Menschen getötet und 683 schwer verletzt wurden, hat das restriktive französische Waffengesetz zur hohen Opferzahl beigetragen. »Niemand hatte Waffen«, so der damalige Präsidentschaftskandidat Donald Trump über die wehrlosen Opfer des Anschlags in seiner Rede. Die Terroristen hätten einen nach dem anderen einfach erschießen können. Dies sei bereits beim dschihadistischen Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo der Fall gewesen. Auf Twitter bemerkte Trump: »Ist es nicht interessant, dass die Tragödie in Paris in einem Land mit den härtesten Waffengesetzen der Welt stattgefunden hat?«

Freiheit des Individuums verteidigen

Bei Massakern wie zuletzt im US-amerikanischen Parkland waren die Opfer allesamt unbewaffnet. Genauso wie in Schulen und Universitäten sind Bürger auf dem nächtlichen Nachhauseweg, Frauen beim Joggen oder Familien in ihren eigenen vier Wänden schutzlos Verbrechern ausgeliefert. Auch in Zukunft werden Gewalttäter sich – bei jeder Verschärfung der Waffengesetze mehr und mehr – auf diese Wehrlosigkeit ihrer Opfer verlassen können. Das oberste Ziel, die erste Aufgabe eines Rechtsstaates muss es sein, die innere Sicherheit des Landes und die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. Ist der Staat nicht willens oder nicht mehr in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen, ist es umso wichtiger, sich die wahren Zusammenhänge bezüglich zunehmender Waffengesetzverschärfungen klarzumachen und die Auswirkungen des gesetzgeberischen Handelns zu untersuchen. Restriktionen um ihrer selbst willen sind weder rechtsstaatlich noch in der Sache legitim. Befürworter eines liberalen Waffenrechts, die sich für das Recht des Bürgers auf privaten Waffenbesitz und damit für deren eigene Verteidigung des Lebens stark machen, sind der Auffassung, dass das »Waffenrecht der Lackmustest für eine liberale Gesellschaft« sei, die ihren Bürgern vertraut und demokratische Entscheidungen trifft.

Eine weitere Forderung muss lauten: Wenn es angemessen ist, für die Verteidigung der kollektiven Freiheit Waffen einzusetzen, kann es nicht unangemessen sein, für die individuellen Rechte das Gleiche zu tun. Unser aller gemeinsame Freiheit und auch die Freiheit des Individuums sind es wert, verteidigt zu werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit einem Abo, falls Ihnen dieser Beitrag gefallen hat.