Kim Blatter
Warum Maaßen der Sarrazin der CDU ist
Mit Maaßen ist nicht zu spaßen – das dürfte Merkel, AKK und Co. nicht nur letzten September klargeworden sein, als der Streit um ihn fast eine Koalitionskrise auslöste. Der Ex-Verfassungsschutzpräsident warnt, kritisiert und provoziert, wo er nur kann. Seine Forderungen nach »politischen Veränderungen« innerhalb der Migrationspolitik und einem Kurswechsel der Union hat schon jetzt für viele seiner Parteikollegen einen ganz bitteren Beigeschmack.
Ein neuer Querulant am wolkenbedeckten Himmel der CDU, den man besser absägt, bevor er zu viel Ärger anrichtet. Man kann von Hans-Georg Maaßen ja denken, was man möchte, aber Rückgrat scheint der Ex-Verfassungsschutzpräsident zu haben. Ganz nach dem Motto »Ist der Ruf erst ruiniert …« liefert er nach seinem Rauswurf letzten Herbst nun so richtig Zündholz.
Seine Kritik äußert er regelmäßig in politischen Vorträgen. Über die Frage, für wen oder was er auftritt, wird derzeit heiß spekuliert. Tritt er für den Wahlkampf der CDU auf oder für einen bestimmten Abgeordneten? Fakt ist, dass seine Vorträge schon jetzt für so viel Wirbel sorgen, dass er letzten Samstag nicht im Fraktionssaal des Bundestags auftreten durfte.
Nachdem er vor über einer Woche für die Junge Union in Coburg auftrat, wo seine Rede mehr als gut ankam, will ihm so mancher kritikresistente Politiker schon jetzt am liebsten einen Maulkorb erteilen. Der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus jedenfalls entschied kurzfristig, dass die Sitzung mit Maaßen nicht im Fraktionssaal der Union stattfinden dürfe.
Stattdessen wurde die Konferenz letzten Samstag in einen Sitzungssaal des Bundestags verschoben. Eingeladen wurde der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes vom »Berliner Kreis«, einem Zusammenschluss konservativer Unionspolitiker. Das Thema der Sitzung war, inwieweit der politische Islam mit den Werten unserer Gesellschaft vereinbar ist.
Maaßen warnt vor jeglicher Form von Extremismus, insbesondere vor dem radikalen Islamismus, der seiner Ansicht nach vielfach unterschätzt wird. Hierbei beklagt er, dass es kaum muslimische Organisationen gebe, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Bei Gesprächen mit Vertretern der Muslimbruderschaft sei er immer wieder gegen eine Betonwand gelaufen. Dennoch macht er deutlich, dass er auch andere Spielarten von Extremismus ablehne.
Die Kollegen der Union fordert Maaßen nicht nur mit seinen Ansichten und Reformvorschlägen bezüglich der aktuellen Flüchtlingspolitik heraus. Des Weiteren wünscht der politische Widersacher ein schnelles Ende der Kanzlerschaft Merkels. Daher wundert es nicht, dass er das Verbot bekam, im Fraktionssaal aufzutreten.
Auch bei Annegret Kamp-Karrenbauer dürfte er sich mit seiner Mission, die Union umzukrempeln, nicht sonderlich beliebt gemacht haben. Seine Kritik, dass die Migrationspolitik seit dem Jahr 2015 keinen Fortschritt mehr mache, trifft somit auch auf die sonst eher konservativ ausgerichtete CDU-Chefin zu.
Eindeutige Parallelen sind hierbei zum ehemaligen SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin zu erkennen. Auch Sarrazin beschäftigte sich intensiv mit dem radikalen Islam und stieß mit seinem Buch Feindliche Übernahme einige gesellschaftliche Diskussionen an. Daraufhin entschied sich die Verlagsgruppe Random House dazu, aus einem bis dato bestehenden Vertrag mit Sarrazin auszutreten und das Buch nicht zu veröffentlichen.
Seit seiner Islamkritik ist Sarrazin unter Dauerbeschuss. Das Vorhaben des SPD-Vorstands, den umstrittenen Autor aus der Partei auszuschließen, ist bis heute in vollem Gange. Doch die Versuche der SPD-Spitze, Sarrazin aus der Partei zu werfen, scheitern nach wie vor kläglich. Grund hierfür ist, dass die Schiedskommission des SPD-Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf die bisherige Begründung der Parteispitze bemängelt. Die Vorwürfe, die sein Buch Feindliche Übernahme betreffen, entsprächen demnach nicht dem Begründungserfordernis.
Wie Sarrazin fordert auch Maaßen eine Reform der Migrations- und Sicherheitspolitik, in der, wie er betont, »235.000 ausreisepflichtige Ausländer nicht abgeschoben werden«. Neben außenpolitischen Umständen fordert er CDU-interne Veränderungen: »Die CDU muss von innen reformiert werden«, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger letzten Samstag.
Darüber hinaus beklagt er sämtliche Strukturen in Deutschland, geht dabei auf eine »bröckelnde Infrastruktur« ein und hinterfragt, warum es Deutschland nicht schafft, »in überschaubarer Zeit Flughäfen, Brücken oder U-Bahnen« zu bauen. Diese Probleme würden nicht »zu einem der reichsten Länder der Erde und schon gar nicht zu einer funktionstüchtigen Verwaltung« passen.
Mit seinen öffentlichen Reformforderungen hat sich Maaßen endgültig auf die Abschussliste der Union gesetzt. Doch in einer funktionierenden Demokratie sind solche Gegenspieler zwingend notwendig. Wir können nur hoffen, dass Maaßen die Türen zur freien Meinungsäußerung weiterhin offenstehen – mit Ausnahme der Tür zum Fraktionssaal, versteht sich.
Montag, 13.05.2019