Tyler Durden
Warum Russland Dollar abstößt und so schnell wie seit Jahrzehnten nicht mehr Gold kauft
Im Juli 2018 sanken die Renditen amerikanischer Schatzbriefe, nachdem sie im Mai 2018 ein Sieben-Jahres-Hoch erreicht hatten. Damals wiesen wir hin auf eine interessante Entwicklung auf dem Markt für amerikanische Schatzbriefe, eine Entwicklung, die zu unserer großen Überraschung von der Mainstream-Wirtschaftspresse komplett übersehen worden war – im April und Mai 2018 liquidierte Russlands Zentralbank für 81 Milliarden Dollar US-Treasuries, was nahezu seinem vollständigen Bestand entsprach.
Das hatte zur Folge, dass Russland aus der Liste der 30 größten Eigentümer von US-Schatzbriefen herausfiel. Während die USA in den folgenden Monaten zusätzliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängten und sich mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin über das Schicksal des venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro stritten, trieb Putin die Abkehr seines Landes vom Dollar weiter voran und wandte sich alternativen Leitwährungen zu.
Im selben Zeitraum kaufte Russland auffällig viele chinesische Yuan, was dazu führte, dass die Yuan-Käufe im Bereich der Devisenreserven vergangenes Jahr deutlich zunahmen, wie der Internationale Währungsfonds kürzlich unterstrich.
Doch mit seiner weiterhin begrenzten Konvertierbarkeit ist der Renminbi als zuverlässige Leitwährung für ausländische Zentralbanken nur eingeschränkt attraktiv. Vermutlich ist genau das auch der Grund, warum sich Russland auf eine andere Reserveoption verlässt, eine, die praktisch seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte beliebt war: Gold.
Bloomberg zitiert Zahlen der russischen Zentralbank, wonach Russlands Goldreserven sich im Verlauf der vergangenen 10 Jahre fast vervierfacht haben. 2018 war das »bislang ambitionierteste« Jahr für russische Goldkäufe, und es war das gleiche Jahr, in dem die Zentralbank amerikanische Schatzbriefe in großem Stil abstieß.
Bloomberg schrieb: »Analysten, die den Begriff Entdollarisierung prägten, spekulieren darüber, wie es sich auf die Weltwirtschaft auswirken würde, sollten mehr Länder eine ähnliche Philosophie übernehmen, und was es für die Attraktivität des Dollar im Vergleich zu anderen Anlageformen wie Gold oder dem Renminbi bedeuten würde.« Das war ein seltenes, wenn auch verhaltenes Eingeständnis der amerikanischen Finanzpresse, dass Entdollarisierung eine aktuelle Bedrohung ist, die man ernst nehmen sollte.
Weil Russland so sehr vom Export von Rohstoffen wie Gold abhängig ist, wird das Land auch künftig zumindest teilweise am Greenback hängen (von den 600 Milliarden Dollar, auf die sich Russlands Handelsvolumen beläuft, werden Bloomberg zufolge drei Viertel in Dollar abgewickelt). Gleichzeitig stellt Russland mit seinem Heißhunger auf Gold aber auch ein Vorbild für andere Länder dar, und zwar im Westen wie im Osten. Vergangenes Jahr kaufte Russland erstmals mehr Gold, als es selbst produzierte. Und während die Beziehungen zu den USA immer schlechter werden – langjährige Abrüstungsverträge werden einfach zerrissen und sowohl Trump als auch Putin werfen mit Kriegsrhetorik um sich –, könnte es der russischen Zentralbank in den Sinn kommen, noch mehr Gold zu importieren. Das könnte positive Folgen für den globalen Goldpreis haben.
Wie zwei Analysten erklärten, hat Russland im Alleingang eine Untergrenze für den Goldpreis vorgegeben. Andere sagen, dass die russische Zentralbank zwar mittlerweile eine bekannte Größe auf dem internationalen Markt sei, aber ihre Einkäufe deutlich steigern müsse, um einen spürbaren Einfluss auf den Preis nehmen zu können. Wenige rechnen allerdings damit, dass Russland jetzt aufhört, Gold zu kaufen.
Die Einkäufe der Zentralbank haben geholfen, die Goldpreise zu stärken und in den vergangenen Jahren hoch zu halten, sagte Ronald-Peter Stöferle von Incrementum, einer in Liechtenstein ansässigen Vermögensverwaltung. Seit Anfang 2016 ist der Barrenpreis um über 20 Prozent gestiegen.
»Ohne die russische Zentralbank wäre 2018 das schlimmste Jahr seit einem Jahrzehnt für Goldkäufe gewesen, insofern hat sie dazu beigetragen, eine Untergrenze für den Preis vorzugeben«, sagte Adrian Ash vom Goldmakler Bullion Vault. »Inzwischen sind die russischen Käufer überall bekannt, insofern müssten sie ihre Einkäufe schon deutlich steigern, um den Goldpreis spürbar zu bewegen.«
Am wichtigsten an Putins Rhetorik über eine Entdollarisierung sind aber möglicherweise die Auswirkungen, die seine Äußerungen auf Staats- und Regierungschefs haben, die – zumindest auf dem Papier – den USA wohlgesonnen sind. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte Ende 2018 in einem Interview, dass Europa zu sehr vom US-Dollar abhängig sei. Es sei »eine Frage der Souveränität«, erklärte Macron (einer der stärksten EU-Befürworter auf dem ganzen Kontinent). Und Polen und Ungarn überraschten die Märkte, als sie als erste EU-Staaten seit über einem Jahrzehnt wieder in größerem Rahmen Gold kauften.
Wenn Sie also das nächste Mal auf CNBC einen Analysten hören, der sagt, die Märkte müssten gar nicht darüber nachdenken, ob der Dollar seinen Status als globale Leitwährung verliert (obwohl doch mehrere zuverlässige Beobachter gesagt haben, die Märkte sollten genau das tun), dann rufen Sie sich besser diese Grafiken in Erinnerung.
Nichts hält ewig.
Quelle: Zerohedge
Dienstag, 27.05.2019