Andreas von Rétyi

Weltverbesserer am Werk: Mit der Schwerindustrie zum Mond

Der Weltraum hat es den Jungmilliardären angetan. Mond und Mars stehen im Visier von Musk & Co. Der als »reichster Mann der Welt« gehandelte Jeff Bezos erklärt nun, den Mond industrialisieren zu wollen.

Die milliardenschweren »Menschenfreunde« wollen der Welt ihren Stempel aufprägen, um sich ein ewiges Denkmal zu errichten. Und wenn die Welt nicht genug ist, muss eben der Weltraum herhalten. Der Amazon-Chef träumt davon, eine permanente Siedlung auf dem Mond einzurichten und die Schwerindustrie dort zu etablieren. Ausgerechnet der 2014 vom Internationalen Gewerkschaftsbund zum »Schlechtesten Chef der Welt« gekürte Unternehmer möchte unsere Welt damit zu einem besseren Ort machen. Auf den ersten Blick klingt die Idee sehr schön, auch wenn Bezos unlängst auf der Space Development Conference in Los Angeles, US-Bundesstaat Kalifornien, erklärte: »In einer nicht mehr allzu fernen Zukunft – ich spreche hier von Jahrzehnten oder vielleicht 100 Jahren – wird vieles, was wir jetzt auf der Erde tun, wesentlich einfacher im Weltraum zu machen sein, da wir so viel Energie haben … Wir werden diesen Planeten verlassen müssen. Wir werden ihn verlassen, und das wird unseren Planeten Erde verbessern.«

Mondkonzept als Lösung unserer Probleme?

Bezos erhielt kürzlich von der National Space Society den Gerard K. O’Neill Memorial Award für 2018. Der Preis wird an Menschen verliehen, die sich um die Besiedlung des Weltraums verdient gemacht haben. Das Mondkonzept von Bezos soll die Lösung für unsere Probleme sein. An den lunaren Polen ist Sonnenenergie permanent verfügbar. Wasser zur Versorgung einer bemannten Station sowie zur Herstellung von Treibstoff lässt sich aus dem Mondboden gewinnen. Alles Wesentliche wäre also vor Ort verfügbar. Und, beinahe schon selbstverständlich: Bezos will einen Lieferdienst zum Mond einrichten.

Die Besiedlung der Erde

Für sein Großprojekt sucht Bezos die Unterstützung einer führenden Weltraumbehörde – entweder der NASA oder auch der europäischen ESA. Andernfalls bliebe noch der Alleingang mit seinem im Spätsommer 2000 gegründeten Raumfahrtunternehmen Blue Origin.

Für Bezos steht die Notwendigkeit des Ganzen fest. Im Wall Street Journal erklärte er: »Das ist nicht etwas, das wir uns zu tun aussuchen; es ist etwas, das wir tun müssen.« Künftige Generationen könnten auf der Erde nicht überleben, ohne in andere Teile des Sonnensystems zu expandieren. Die Alternative wäre Stillstand.

Nur, stimmt das alles – und ist es wirklich sinnvoll? Oder unterliegt Bezos bei seiner Idee womöglich dem gleichen Trugschluss wie jene, die meinen, Überbevölkerung durch eine Besiedlung des Mars lösen zu können? Wie hat sich die Erdbevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt entwickelt? Am 27. Mai diskutierte der US-Autor Adam Ozimek die Bezos-Idee im Magazin Forbes und vermerkte zum Thema Bevölkerungswachstum eine deutliche Verlangsamung in den vergangenen 30 Jahren. Er zitiert Studien zu einer weiteren Abnahme, denen zufolge die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2100 auf etwa 11,2 Milliarden ansteigen dürfte. Bereits bei Zugrundelegung der mittleren Populationsdichte der USA zeigt eine kurze Überschlagsrechnung, dass die weiten, kaum besiedelten Regionen der Erde für rund eine Milliarde weiterer Menschen genügten, ohne die Dichte in anderen Teilen der Welt zu erhöhen.

Reine Geldverschwendung?

Die betrachteten irdischen Regionen sind größtenteils sehr unwirtlich. Nur wenige Menschen würden dort siedeln wollen. Eisige Kälte in Sibirien, dünne Luft auf den Bergen des Ural. Doch Ozimek hat sicher recht, wenn er anmerkt: Der Mond ist unvergleichlich lebensfeindlicher. Eine lunare Kolonialisierung würde zig Milliarden Dollar verschlingen, wäre ein multinationales Projekt. Die Machbarkeitsfrage stellt sich dennoch nicht. Jeder progressive Denker wird an die Historie angeblich unüberwindlicher technologischer und logistischer Hürden erinnern, die allen Unkenrufen zum Trotz dann eben doch überwunden wurden. Irgendwann wird der Mensch auf anderen Welten siedeln, sofern er nur gegen sich selbst besteht. Wie die US-Astronomieprofessorin Darby Dyar, Mount Holyoke College, einmal sinngemäß sagte: Der Mond ist für die heutigen Menschen das, was die Neue Welt für Europäer vor 600 Jahren war.

Mittel für unsicheres Mondprojekt

Doch die Grundfrage bleibt: Ist eine Besiedlung des Mondes wirklich »aktuell« nötig und sinnvoll? Was Überbevölkerung und Ressourcenknappheit angeht, so sehen Kritiker den Fokus auf einer Änderung sehr irdischer Einflussgrößen, ob aus Politik oder Forschung, um unter anderem das Wohnen günstiger, die Energie sauberer und den Naturschutz effektiver zu machen. Die in ein letztlich unsicheres Mondprojekt fließenden Milliarden könnten auf der Erde gewiss weit mehr bewirken. Für Ozimek ist Jeff Bezos »bei allem Respekt … ein Nerd«, und solche schrägen Techniksonderlinge »lieben eben den Weltraum, was durchaus schön und gut ist.« Doch wer das Geld im Weltraum verschwenden wolle, der solle dieses Verlangen nicht in Scheinargumente zur vermeintlichen Notwendigkeit kleiden. Die Zukunftsprobleme ließen sich durch Innovation und sinnvolle Politik auf der Erde weit besser lösen als auf dem Mond.

Wird der Mond zum schlechteren Ort?

Trotz ethischer Fragen zur Besiedlung des Weltraums bleibt natürlich die Zukunft unseres Planeten vorrangig. Nur, dass der Bezos-Plan hier langfristig gewiss nichts ändern wird. Er liefe darauf hinaus, im Weltraum genauso weiterzumachen wie bisher auf der Erde. Das kann es nicht sein.

Das, was Bezos vorgibt, bewirken zu wollen, nämlich unsere Erde zu einem besseren Ort werden zu lassen, dürfte über kurz oder lang misslingen. Die Erde wäre gewiss nur zeitweilig entlastet. Langfristig betrachtet liefe es dann weit mehr darauf hinaus, den Mond zu einem schlechteren Ort werden zu lassen. Durch permanente Mondbasen, Weltraum-Industriestandorte, Terraforming und Besiedlung anderer Welten à la Bezos werden wir über längere Frist höchstens eines erreichen: die noch rücksichtsloser vorangetriebene Zerstörung unseres Planeten, da es plötzlich Alternativen gibt. Auch die globale nukleare Vernichtung würde nicht mehr die gesamte Zivilisation gefährden, Eliten hätten die Möglichkeit, sich auf andere Welten abzusetzen. Nichts wäre besser geworden. Im Gegenteil.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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