F. William Engdahl

Widerstand gegen EU-Superstaat-Pläne von Merkel und Macron nimmt zu

Es war zu erwarten: In der Europäischen Union macht sich eine Stimmung des Zerfalls breit. Das zeigen nicht nur die Wahlen in Italien, wo jüngst mehr als zwei Drittel der Wählerschaft gegen die Politik der offenen Grenzen stimmten, die ihnen Brüssel aufzwingt. Das zeigt auch die deutliche Kritik aus Österreich und mitteleuropäischen Staaten wie Ungarn oder Polen an den Zielen Brüssels.

Inzwischen regt sich auch in den Niederlanden zunehmend Widerstand gegen die »zentralistische« Achse Berlin-Paris-Brüssel; ebenso in einigen nordeuropäischen EU-Staaten. Im Kern geht es darum, dass manche Nationen die Unantastbarkeit der nationalen Souveränität an die allererste Stelle setzen, während andere die Grenzen auflösen und eine Art zentralgesteuerten EU-Superstaat schaffen wollen – die »immer engere Union«, wie es schönfärberisch umschrieben wird. Der Ausgang dieses Konflikts wird darüber entscheiden, ob das gesamte Projekt der Europäischen Union tatsächlich noch eine Zukunft hat. Der Brexit war dabei nur der erste Riss im EU-Gebäude. Weitere könnten folgen.

»Souveräne Nationen«

Anfang März übte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte in Berlin lautstark Kritik an den aktuellen Bemühungen von Deutschland, Frankreich und anderen EU-Staaten, einen von oben regierten, zentralisierten supranationalen Staat nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika zu schaffen. Gegenüber der Presse erklärte Rutte: »Es gibt dieses Narrativ, wonach eine immer engere Zusammenarbeit in einem europäischen Bundesstaat unvermeidlich ist.« Danach fand er ungewöhnlich deutliche Töne: »Diese furchtbare Sprache von einer ›immer engeren Union‹ mag ich nicht. Während der vergangenen 20, 30 Jahre wurde aus dieser immer engeren Union, bei der die Völker der EU an gemeinsamen Themen arbeiten sollen, welche die Mitgliedstaaten nicht allein bewältigen können, ein ganz eigenes unvermeidbares Ziel.« Anschließend sagte Rutte auch noch das böse S-Wort: »Wir dürfen aber nie vergessen, dass es sich (bei den EU-Mitgliedsländern) um souveräne Staaten handelt. Die EU ist keine Bewegung als solche … Sie hat sich von einer gemeinsamen Anstrengung der Nationen wegbewegt und sich hin zu einem eigenständigen Ziel entwickelt. Das ist völlig falsch!«

Nachdem Rutte in Berlin den Fehdehandschuh geworfen hatte, folgte drei Tage später in Den Haag ein Treffen von acht Finanzministern der nordischen EU-Staaten – neben den Niederlanden waren auch Dänemark, Estland, Finnland, Irland, Lettland, Litauen und Schweden vertreten.

In der gemeinsamen Erklärung wandten sich die Minister gegen den franko-deutschen Plan Macrons, Brüssel mehr Kontrolle zu übertragen, beispielsweise durch einen EU-Finanzminister. Ganz offenkundig mit dem Segen der neuen deutschen Regierungskoalition fordert Macron gemeinsam mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen gemeinsamen Haushalt der Eurozone sowie einen europäischen Finanzminister. Gedacht ist dies als erster Schritt hin zu einer Fiskalunion, die stärker noch als bislang von Brüssel aus gesteuert würde. Letztlich regt Macron die Schaffung einer Fiskalunion aller EU-Staaten an, inklusive europaweiter Steuern und Ausgaben. Das Ganze wäre noch stärker als ohnehin schon von oben gesteuert, denn die Staaten würden große Teile ihrer Steuersouveränität einbüßen.

Deutsche Sparer sollen zahlen

Wie der respektierte Ökonom und EZB-Kritiker Hans-Werner Sinn kürzlich schrieb: Macrons Plan sei der praktisch unverhohlene Versuch, eine EU-Fiskalunion zu schaffen, in der deutsche Sparer, die Holländer und andere konservative EU-Mitglieder die Zeche der südeuropäischen Nationen begleichen sollen, allen voran Griechenland und Italien, wo vor allem französische Banken involviert sind. Seinen Plan stellte Macron im September 2017 vor, gerade als in Deutschland gewählt wurde. Er bewarb den Vorstoß als Weg in ein »souveränes, vereinigtes und demokratisches Europa«. Aber all das ist es definitiv nicht.

Soros im Hintergrund

Seit Jahren macht sich der milliardenschwere amerikanische Spekulant George Soros für eine EU stark, die von Brüssel aus gelenkt wird und die das Recht besitzt, für die gesamte Eurozone »Eurobonds« auszugeben. Sollte es eines Tages so weit sein, wäre die gesamte Europäische Union ein riesiges Finanzziel für Währungsspekulanten. Deutschland und andere haushaltspolitisch vorsichtigere Staaten wie Finnland und Holland wären dann in der nächsten Finanzkrise die Zahlmeister für schwächere Staaten wie Griechenland, Italien oder Spanien. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Frage ist nicht, ob, sondern wann die nächste Finanzkrise kommt, denn seit der Krise von 2008 haben die Regierungen der EU-Staaten nichts unternommen, was das systemische Risiko grundlegend reduzieren würde.

Medienberichten zufolge traf sich Soros am 14. November 2017 privat mit Benoît Coeuré aus dem Direktorium der EZB. Man habe über eine »Vertiefung der Eurozone« gesprochen, heißt es in Coeurés im Februar veröffentlichten Tagebuch. Bei dem Gespräch sei es um einen gemeinsamen Eurozonenhaushalt und eine Fiskalunion gegangen, sagte eine EZB-Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters.  Es seien auch ein Vertreter von Soros’ Hedgefonds und ein weiterer EZB-Vertreter anwesend gewesen.

Im Jahr 2015 rief die EZB ein beispielloses Programm zum Ankauf von Staatsschulden der Eurozonenländer ins Leben. Bis Ende 2017 erwarb die EZB seitdem Wertpapiere im unfassbaren Wert von 2,3 Billionen Euro. Überraschend entschied Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangenes Jahr, ihren altgedienten und ausgesprochen angesehenen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) »wegzuloben«. Damit war der Weg frei für einen neuen, fiskalpolitisch weniger konservativen Finanzminister, der im Gegensatz zu Schäuble offen für Macrons Ideen sein dürfte.

Durch den Abgang Schäubles schwindet auch der Widerstand gegen die Umsetzung einer Eurozonen-»Transferunion«, bei der die nordeuropäischen Staaten – allen voran Deutschland – bereit sind, die hoch verschuldeten Euro-Nationen des Südens finanziell zu unterstützten. Gewinner wären letztlich die französischen Banken und Brüssel. Klarer Verlierer – die nationale Souveränität. Als endlich die neue Große Koalition in Deutschland stand, beschlossen Merkel und Macron, ihren Vorstoß für Macrons Reformpläne noch ein paar Wochen aufzuschieben und nicht auf dem nächsten EU-Gipfel vorzutragen. Angeblicher Grund für den Aufschub: Die neue Bundesregierung benötige noch Zeit zur Vorbereitung. Tatsächlich jedoch werden die Pläne voraussichtlich im Mai mit voller Wucht über die EU hereinbrechen.

Wie das amerikanische Online-Nachrichtenmedium Politico berichtet, will Valdis Dombrovskis, der Vizepräsident der Europäischen Kommission, im Mai die Einführung sogenannter »European Safe Bonds« oder »Sovereign Bonds Backed Securities« (SBBS) anregen. Die Staatsschulden unterschiedlicher EU-Staaten sollen demnach gebündelt und dann verkauft werden. Die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s schreibt: »European Safe Bonds wurden als Mittel vorgeschlagen, um das Angebot an AAA-bewerteten, in Euro denominierten Staatsanleihen auszuweiten und das systemische Risiko zu reduzieren, das dadurch entsteht, dass die Banken große Mengen an Staatsanleihen ihrer jeweiligen souveränen Regierungen halten.«

Die Realität allerdings dürfte genau gegenteilig aussehen. Die deutschen AAA-Anleihen werden mit riskanteren Staatsanleihen aus Ländern wie Italien oder Griechenland gebündelt, um sich auf diese Weise die riskanten griechischen Schulden vom Hals zu schaffen.

Vorsicht vor Hedgefonds-Betreibern

Die Finanzkrise 2007/2008 in den USA hat gezeigt, dass einem diese Maßnahmen um die Ohren fliegen, sobald es zu einer echten systemischen Krise kommt. Wie der niederländische Ministerpräsident Rutte durch die Blume sagte: Vorsicht vor amerikanischen Hedgefonds-Betreibern, die mit Geschenken kommen. Und Vorsicht vor ausgebufften Versuchen, die Fiskalsouveränität und die sonstige Souveränität der EU-Staaten auszuhöhlen, nur um die de facto bankrotten Banken in Frankreich und anderen Ländern der Eurozone zu stabilisieren.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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