Willy Wimmer
»Das ist der Anfang vom Ende der Bundeskanzlerin«
Ein unioninterner Streit mausert sich zur ersten Zerreißprobe für die Große Koalition. Innenminister Horst Seehofer will in der Asylpolitik härter durchgreifen, Kanzlerin Angela Merkel möchte das Problem an die EU delegieren. Willy Wimmer, Urgestein und Kritiker der CDU, sieht die Schuld bei der Kanzlerin – und das bereits seit drei Jahren.
Herr Wimmer, erleben wir gerade schon den Anfang vom Ende der Großen Koalition?
Zumindest den Anfang vom Ende der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Denn für das, was sich in den letzten acht Tagen abgespielt hat, hat niemand in Deutschland Verständnis, auch nicht die Mitglieder von CDU und CSU. Und in der Sache ist es schon ungeheuerlich, dass der Verfassungsminister, denn das ist Horst Seehofer, sich unter diesen Umständen gegenüber der Bundeskanzlerin durchsetzen muss, wenn es darum geht, Recht und Gesetz in Deutschland zur Anwendung zu bringen, auch wenn es an den Grenzen geschieht, also eine Situation, wie sie noch nie in der Bundesrepublik dagewesen ist und wie eine Regierung sie auch nicht überleben kann.
Horst Seehofer soll wohl angeblich auch über Frau Merkel gesagt haben: »Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten.« Das lässt tief blicken, oder?
Jetzt ist man bei solchen Gesprächen nicht dabei gewesen, und dann halte ich nichts davon, das zu kommentieren. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass weite Teile der Bevölkerung in Deutschland diesen Eindruck schon lange haben. Alexander Dobrindt hat klar und deutlich gesagt: Es geht darum, Recht und Gesetz nach Deutschland zurückzubringen.
Und wir erinnern uns daran, dass Horst Seehofer vor zweieinhalb Jahren davon gesprochen hat: Wir haben es in Deutschland, was die Situation an den Grenzen und den Schutz derselben anbetrifft, mit der Situation eines Unrechtsstaates zu tun. Ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter hat im Zusammenhang mit seinem Gutachten für die bayrische Staatsregierung von einem offenen Rechtsbruch gesprochen. Das ist die Situation, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Und da ist jeder Tag, den Frau Dr. Merkel länger im Amt ist, ein Tag mit Schaden für unser Land.
Was halten Sie denn konkret von Seehofers Masterplan zur Asylpolitik?
Da bin ich für sorgfältige Beratung. Was die deutschen Bürgerinnen und Bürger wollen, ist, den normalen Schutz eines Staates für die eigenen Grenzen hergestellt zu sehen. Da kommt es keinem auf technische Finessen an. Es kommt darauf an, dass unsere eigene Rechtsordnung gewahrt bleibt. Es kommt darauf an, dass die europäische Rechtsordnung gewahrt ist und dass die internationalen Vereinbarungen, die Deutschland getroffen hat, respektiert werden.
Seit drei Jahren haben wir einen Umstand in Deutschland, der nicht hinnehmbar ist. Da muss es Aufgabe einer Bundesregierung sein, wenn die Gesetze nicht reichen, Gesetze in den deutschen Bundestag zu bringen, die diesem Anspruch des Schutzes unserer Grenzen gerecht werden können. Und wenn Horst Seehofer dabei einen guten Schritt getan hat, dann war das ein guter Schritt für unser Land.
Kann es sein, dass die CSU mit ihrer harten Linie auch AfD-Wähler wieder einfangen will?
Die CSU hat eine staatspolitische Verpflichtung, genau wie die CDU. Offensichtlich kommt die CSU dieser staatspolitischen Verpflichtung nach, und die CDU tut es nur zähneknirschend oder überhaupt nicht. Es kommt nicht drauf an, auf die eine oder andere Partei zu schielen, der man Wähler abjagen will. Es kommt darauf an, dass die Bundeskanzlerin ihrem Amtseid entspricht. Und das tut sie offensichtlich seit drei Jahren in einer Art und Weise, dass nur noch Schrecken über unser Land geht.
Kanzlerin Merkel möchte das Problem von der EU lösen lassen. Kommt sie damit raus aus diesem Streit?
Wir dürfen nicht verkennen, und Horst Seehofer hat das in einer großen deutschen Tageszeitung auch so gesagt: Die Spaltung Europas ist doch durch den einseitigen Schritt der Bundeskanzlerin im September 2015 vollzogen worden, als sie mit dem österreichischen Bundeskanzler Faymann, dem sie die Pistole auf die Brust gesetzt hat, wenn alles stimmt, was man hört, das durchgezogen hat, unsere Grenzen schutzlos zu stellen. Sie hat keinen anderen Europäer gefragt.
Die Spaltung in Europa, mit der wir es derzeit zu tun haben, die hat doch einen Namen, und der heißt Angela Merkel. Und das wissen die anderen Europäer doch. Und wenn Frau Merkel heute sagt, sie wolle eine europäische Regelung haben, dann kann ich doch nur annehmen, sie will den rechtlosen Zustand möglichst lange aufrechterhalten, der uns Millionen ins Land gebracht hat, von denen wir größtenteils nicht wissen, um wen es sich handelt.
Falls es tatsächlich zum Bruch zwischen CSU und CDU kommen sollte, sollten Die Grünen oder die FDP als Juniorpartner einspringen?
Ich glaube, dass wir dann nur noch einen Weg haben: den Weg zum deutschen Wähler. Und das ist dann die Frage von Neuwahlen.
Willy Wimmer, Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung, a. D.